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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Achtes Buch.
"Gar selten hat der Fraß der niemahls milden Zeit
"Durch seiner Zähne Müh und Unersätlichkeit
"So grosse Macht gehabt, daß ein Gebäu vergangen,
"Das seine Wesenheit von meiner Hand empfangen.
85"Woher ist uns bekannt, was man der ersten Welt
"Zu der Bewunderung des Ruhms hat dargestellt?
"Man sieht noch diesen Tag, wie vor drey tausend Jahren
"Der Fürsten Tugenden durch mich berühmet waren.
"Die Thürne stehen noch, wodurch das Alterthum
90"Der Helden Ehr erhöht', und ihrer Thaten Ruhm.
"Hätt man zu solchem Ziel nicht meine Kunst gebrauchet,
"So wär die Vorwelt schon in ihrer Zeit verrauchet.
"Was nuzet jener Ruff: die Nachwelt ehret ihn!
"Wann ich durch meine Kraft nicht dessen Bürge bin?
95"Wahr ists, nur Stein' hab ich; und die seynd meine Zungen:
"Durch ihre Stimme wird der Thaten Ruhm besungen.
"Jch bin die Welt-Posaun, die macht euch heut noch kund,
"Was in dem Urbeginn der Vorwelt prächtig stund.
"Man sehe die Gebäu, die Bögen, die Colossen,
100"Die Säulen, welche fast an das Gestirne stossen.
"Nicht ich, nicht meine Kunst wird durch das Werck berühmt;
"Nicht jener, der den Bau zu führen unternimmt;
"Die Welt sagt: dieses ist zu dessen Ruhm gebauet,
"Den man im Friese dort mit Gold benennet schauet.
105 "Jst
F f 2
Achtes Buch.
„Gar ſelten hat der Fraß der niemahls milden Zeit
„Durch ſeiner Zaͤhne Muͤh und Unerſaͤtlichkeit
„So groſſe Macht gehabt, daß ein Gebaͤu vergangen,
„Das ſeine Weſenheit von meiner Hand empfangen.
85„Woher iſt uns bekannt, was man der erſten Welt
„Zu der Bewunderung des Ruhms hat dargeſtellt?
„Man ſieht noch dieſen Tag, wie vor drey tauſend Jahren
„Der Fuͤrſten Tugenden durch mich beruͤhmet waren.
„Die Thuͤrne ſtehen noch, wodurch das Alterthum
90„Der Helden Ehr erhoͤht’, und ihrer Thaten Ruhm.
„Haͤtt man zu ſolchem Ziel nicht meine Kunſt gebrauchet,
„So waͤr die Vorwelt ſchon in ihrer Zeit verrauchet.
„Was nuzet jener Ruff: die Nachwelt ehret ihn!
„Wann ich durch meine Kraft nicht deſſen Buͤrge bin?
95„Wahr iſts, nur Stein’ hab ich; und die ſeynd meine Zungen:
„Durch ihre Stimme wird der Thaten Ruhm beſungen.
„Jch bin die Welt-Poſaun, die macht euch heut noch kund,
„Was in dem Urbeginn der Vorwelt praͤchtig ſtund.
„Man ſehe die Gebaͤu, die Boͤgen, die Coloſſen,
100„Die Saͤulen, welche faſt an das Geſtirne ſtoſſen.
„Nicht ich, nicht meine Kunſt wird durch das Werck beruͤhmt;
„Nicht jener, der den Bau zu fuͤhren unternimmt;
„Die Welt ſagt: dieſes iſt zu deſſen Ruhm gebauet,
„Den man im Frieſe dort mit Gold benennet ſchauet.
105 „Jſt
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[0037] Achtes Buch. „Gar ſelten hat der Fraß der niemahls milden Zeit „Durch ſeiner Zaͤhne Muͤh und Unerſaͤtlichkeit „So groſſe Macht gehabt, daß ein Gebaͤu vergangen, „Das ſeine Weſenheit von meiner Hand empfangen. „Woher iſt uns bekannt, was man der erſten Welt „Zu der Bewunderung des Ruhms hat dargeſtellt? „Man ſieht noch dieſen Tag, wie vor drey tauſend Jahren „Der Fuͤrſten Tugenden durch mich beruͤhmet waren. „Die Thuͤrne ſtehen noch, wodurch das Alterthum „Der Helden Ehr erhoͤht’, und ihrer Thaten Ruhm. „Haͤtt man zu ſolchem Ziel nicht meine Kunſt gebrauchet, „So waͤr die Vorwelt ſchon in ihrer Zeit verrauchet. „Was nuzet jener Ruff: die Nachwelt ehret ihn! „Wann ich durch meine Kraft nicht deſſen Buͤrge bin? „Wahr iſts, nur Stein’ hab ich; und die ſeynd meine Zungen: „Durch ihre Stimme wird der Thaten Ruhm beſungen. „Jch bin die Welt-Poſaun, die macht euch heut noch kund, „Was in dem Urbeginn der Vorwelt praͤchtig ſtund. „Man ſehe die Gebaͤu, die Boͤgen, die Coloſſen, „Die Saͤulen, welche faſt an das Geſtirne ſtoſſen. „Nicht ich, nicht meine Kunſt wird durch das Werck beruͤhmt; „Nicht jener, der den Bau zu fuͤhren unternimmt; „Die Welt ſagt: dieſes iſt zu deſſen Ruhm gebauet, „Den man im Frieſe dort mit Gold benennet ſchauet. 105 „Jſt F f 2

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/37>, abgerufen am 29.03.2024.