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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Theresiade
335Weil nichts als eine Leyr, nebst manchen Pinsel-Stäben,
Ein Marmel Kopff und Maß den Haußrath abgegeben;
Sonst schiens, Vergessenheit und Elend halte Wacht,
Ja bey dem hellsten Tag sey dorten finstre Nacht.
Ein armes Oel-Gefäß mit seinem schwachen Lichte
340Bracht diesen Vorrath uns im Dunckeln zu Gesichte.
Wir sahen auch daß es ein Frauen-Zimmer sey,
Dem das Bedürfftniß Stroh, statt eines Ruh-Betts streü.
Die Armuth ließ sehr groß: sonst sah'n wir nichts zugegen;
Der Werck-Zeüg und das Stroh, war Reichthum und Vermögen.
345Was mich befremdete, war ihre Leibs-Gestalt
Jhr reitzend Angesicht in solchem Aufenthalt.

Die Wahrheit sagte mir: "Jetzt werden wir was innen:
"Jch bin erfreüt; Sieh da die jenigen Freundinnen,
"Wodurch die Stadt mit Ruhm, die Nacht mit Ehre prangt,
350"Das Volck den Wohlgeschmack und Preiß der Kunst erlangt;
"Doch hören wir sie selbst! sie können alles wissen:
"Es reüte mich, wann wir sie unbegrüßt verliessen.
"Jch geh', und wecke sie... da schrie sie laut: "auf auf!
"Weßwegen schlaft ihr hier? Jst dies der Freüden-Lauf?
355"Zu was der Müssiggang? Wie schickt sich jetzt der Schlummer?
"Je mehr man schläft, je mehr wächst Unmuth, Gram und Kummer;
"Das Feur des Geists erlöscht! steht auf! seyd nicht so faul!
Jnzwischen gähnte dort ein nicht unfreundlich Maul;
Hier

Thereſiade
335Weil nichts als eine Leyr, nebſt manchen Pinſel-Staͤben,
Ein Marmel Kopff und Maß den Haußrath abgegeben;
Sonſt ſchiens, Vergeſſenheit und Elend halte Wacht,
Ja bey dem hellſten Tag ſey dorten finſtre Nacht.
Ein armes Oel-Gefaͤß mit ſeinem ſchwachen Lichte
340Bracht dieſen Vorrath uns im Dunckeln zu Geſichte.
Wir ſahen auch daß es ein Frauen-Zimmer ſey,
Dem das Beduͤrfftniß Stroh, ſtatt eines Ruh-Betts ſtreuͤ.
Die Armuth ließ ſehr groß: ſonſt ſah’n wir nichts zugegen;
Der Werck-Zeuͤg und das Stroh, war Reichthum und Vermoͤgen.
345Was mich befremdete, war ihre Leibs-Geſtalt
Jhr reitzend Angeſicht in ſolchem Aufenthalt.

Die Wahrheit ſagte mir: „Jetzt werden wir was innen:
„Jch bin erfreuͤt; Sieh da die jenigen Freundinnen,
„Wodurch die Stadt mit Ruhm, die Nacht mit Ehre prangt,
350„Das Volck den Wohlgeſchmack und Preiß der Kunſt erlangt;
„Doch hoͤren wir ſie ſelbſt! ſie koͤnnen alles wiſſen:
„Es reuͤte mich, wann wir ſie unbegruͤßt verlieſſen.
„Jch geh’, und wecke ſie... da ſchrie ſie laut: „auf auf!
„Weßwegen ſchlaft ihr hier? Jſt dies der Freuͤden-Lauf?
355„Zu was der Muͤſſiggang? Wie ſchickt ſich jetzt der Schlummer?
„Je mehr man ſchlaͤft, je mehr waͤchſt Unmuth, Gram und Kummer;
„Das Feur des Geiſts erloͤſcht! ſteht auf! ſeyd nicht ſo faul!
Jnzwiſchen gaͤhnte dort ein nicht unfreundlich Maul;
Hier
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[0039] Thereſiade Weil nichts als eine Leyr, nebſt manchen Pinſel-Staͤben, Ein Marmel Kopff und Maß den Haußrath abgegeben; Sonſt ſchiens, Vergeſſenheit und Elend halte Wacht, Ja bey dem hellſten Tag ſey dorten finſtre Nacht. Ein armes Oel-Gefaͤß mit ſeinem ſchwachen Lichte Bracht dieſen Vorrath uns im Dunckeln zu Geſichte. Wir ſahen auch daß es ein Frauen-Zimmer ſey, Dem das Beduͤrfftniß Stroh, ſtatt eines Ruh-Betts ſtreuͤ. Die Armuth ließ ſehr groß: ſonſt ſah’n wir nichts zugegen; Der Werck-Zeuͤg und das Stroh, war Reichthum und Vermoͤgen. Was mich befremdete, war ihre Leibs-Geſtalt Jhr reitzend Angeſicht in ſolchem Aufenthalt. Die Wahrheit ſagte mir: „Jetzt werden wir was innen: „Jch bin erfreuͤt; Sieh da die jenigen Freundinnen, „Wodurch die Stadt mit Ruhm, die Nacht mit Ehre prangt, „Das Volck den Wohlgeſchmack und Preiß der Kunſt erlangt; „Doch hoͤren wir ſie ſelbſt! ſie koͤnnen alles wiſſen: „Es reuͤte mich, wann wir ſie unbegruͤßt verlieſſen. „Jch geh’, und wecke ſie... da ſchrie ſie laut: „auf auf! „Weßwegen ſchlaft ihr hier? Jſt dies der Freuͤden-Lauf? „Zu was der Muͤſſiggang? Wie ſchickt ſich jetzt der Schlummer? „Je mehr man ſchlaͤft, je mehr waͤchſt Unmuth, Gram und Kummer; „Das Feur des Geiſts erloͤſcht! ſteht auf! ſeyd nicht ſo faul! Jnzwiſchen gaͤhnte dort ein nicht unfreundlich Maul; Hier

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/39>, abgerufen am 29.03.2024.