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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Theresiade
Sie rieff uns öfters zu: wir mieden das Verweilen,
240Jhr hurtig auf dem Fuß und Weege nach zueilen.

Bevor ich mich versah, ließ unsre Schnelle nach:
Wir drehten uns herum und suchten allgemach
Uns abwärts Bogenweiß nach dieser Stadt zu wenden:
Jch hoffte, daß wir da die Reise würden enden.
245
Mein Wunsch ward auch erfüllt. Jch stund' in einer Gaß'
Und kam an ein Gedräng, bey dem ein Weibs-Bild saß:
Reitz, Anmuth, Glantz und Pracht, ein Schild in ihren Händen,
Wust solchen Zug und Schein um sich herum zu senden,
Daß sie der Gegenwart Erblickung an sich riß;
250Sich aber uns geneigt, und sonders freundlich wieß.
Kaum war Thalia da, so warf sie solche Mienen,
Als ob wir ihr bekannt, auch sehr willkommen schienen.
Thalia sagte mir, daß es die Wahrheit sey,
Um soviel mehr steht mir, mit ihr zu reden, frey
255Dacht' ich: die wird mir wohl mit Grund zu sagen wissen,
Was ich bißher gesehn und werde sehen müssen.
Komm Freundinn, leite mich! so fieng ich höflich an:
Hilff, daß ich die Geschicht der Nacht verstehen kan!
Sie war bereit, und sprach: "Jch bin dir überflüßig;
260"Du kannst selbst alles sehn': doch weil ich jetzund müssig,
"So folg' ich deinem Trieb; ich gehe willig mit;
"Vielleicht erzehl' ich dir auf jeden Tritt und Schritt
"Was

Thereſiade
Sie rieff uns oͤfters zu: wir mieden das Verweilen,
240Jhr hurtig auf dem Fuß und Weege nach zueilen.

Bevor ich mich verſah, ließ unſre Schnelle nach:
Wir drehten uns herum und ſuchten allgemach
Uns abwaͤrts Bogenweiß nach dieſer Stadt zu wenden:
Jch hoffte, daß wir da die Reiſe wuͤrden enden.
245
Mein Wunſch ward auch erfuͤllt. Jch ſtund’ in einer Gaß’
Und kam an ein Gedraͤng, bey dem ein Weibs-Bild ſaß:
Reitz, Anmuth, Glantz und Pracht, ein Schild in ihren Haͤnden,
Wuſt ſolchen Zug und Schein um ſich herum zu ſenden,
Daß ſie der Gegenwart Erblickung an ſich riß;
250Sich aber uns geneigt, und ſonders freundlich wieß.
Kaum war Thalia da, ſo warf ſie ſolche Mienen,
Als ob wir ihr bekannt, auch ſehr willkommen ſchienen.
Thalia ſagte mir, daß es die Wahrheit ſey,
Um ſoviel mehr ſteht mir, mit ihr zu reden, frey
255Dacht’ ich: die wird mir wohl mit Grund zu ſagen wiſſen,
Was ich bißher geſehn und werde ſehen muͤſſen.
Komm Freundinn, leite mich! ſo fieng ich hoͤflich an:
Hilff, daß ich die Geſchicht der Nacht verſtehen kan!
Sie war bereit, und ſprach: „Jch bin dir uͤberfluͤßig;
260„Du kannſt ſelbſt alles ſehn’: doch weil ich jetzund muͤſſig,
„So folg’ ich deinem Trieb; ich gehe willig mit;
„Vielleicht erzehl’ ich dir auf jeden Tritt und Schritt
„Was
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[0035] Thereſiade Sie rieff uns oͤfters zu: wir mieden das Verweilen, Jhr hurtig auf dem Fuß und Weege nach zueilen. Bevor ich mich verſah, ließ unſre Schnelle nach: Wir drehten uns herum und ſuchten allgemach Uns abwaͤrts Bogenweiß nach dieſer Stadt zu wenden: Jch hoffte, daß wir da die Reiſe wuͤrden enden. Mein Wunſch ward auch erfuͤllt. Jch ſtund’ in einer Gaß’ Und kam an ein Gedraͤng, bey dem ein Weibs-Bild ſaß: Reitz, Anmuth, Glantz und Pracht, ein Schild in ihren Haͤnden, Wuſt ſolchen Zug und Schein um ſich herum zu ſenden, Daß ſie der Gegenwart Erblickung an ſich riß; Sich aber uns geneigt, und ſonders freundlich wieß. Kaum war Thalia da, ſo warf ſie ſolche Mienen, Als ob wir ihr bekannt, auch ſehr willkommen ſchienen. Thalia ſagte mir, daß es die Wahrheit ſey, Um ſoviel mehr ſteht mir, mit ihr zu reden, frey Dacht’ ich: die wird mir wohl mit Grund zu ſagen wiſſen, Was ich bißher geſehn und werde ſehen muͤſſen. Komm Freundinn, leite mich! ſo fieng ich hoͤflich an: Hilff, daß ich die Geſchicht der Nacht verſtehen kan! Sie war bereit, und ſprach: „Jch bin dir uͤberfluͤßig; „Du kannſt ſelbſt alles ſehn’: doch weil ich jetzund muͤſſig, „So folg’ ich deinem Trieb; ich gehe willig mit; „Vielleicht erzehl’ ich dir auf jeden Tritt und Schritt „Was

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/35>, abgerufen am 28.03.2024.