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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.

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derbten Welt/ hiemit grad nach geschehener versinkung der Wasseren in die
Gehalter der Erden; Zu gleicher Zeit namlich/ als die Berge/ dero Felsen/
Klüften/ und in gemein die unebene Fläche der Erden entstanden. Jch wil
nicht laugnen/ daß nicht auch Crystallen seyen erschaffen worden zu Anfang
der Welt/ vermuhte aber/ daß dieselben in der oberen/ durch die Sündflut
ganz veränderten Erden Rinde zu Grund gangen/ und auß einem hier und
da zusamen geronnenen Quartz-Fluß widerum gestaltet worden. Daß
annoch Crystallen gezeuget/ oder an denen Ohrten/ wo sie ehemahls gewe-
sen/ und weggenommen worden/ wider gestaltet werden/ dessen haben wir
keine Anzeigen.

Bey sechseckichter Gestaltung der Crystallen komt sonderlich zube-
denken vor/ ob sie gebildet/ oder gezeuget werden auß einem vorerst unförm-
lichen Quartz/ welcher aber durch die Bewegung allerhand Figuren könne
annemmen? oder/ ob sie gestaltet/ oder/ deutlicher zu reden/ zusamen gesetzet
werden auß unzehlich kleinen/ gleichförmigen/ oder auch sechseckichten Cry-
stallen? Wer die letstere Meinung bejahet/ der hat auf seiner Seiten/ nebst
der Einfaltigkeit des Grundsatzes/ die Erfahrung selbs; obgleich die der
ersteren Meinung beypflichten/ mit folgenden Einwürffen aufzeuhen kön-
nen; daß auß zusamensetzung viler gleichgestalteten Figuren nicht allezeit/
und nohtwendig/ hervorkomme eben dieselbige Figur/ allermassen ein
Würffel gebildet werden kan auß vilen ablang-viereckichten/ ungleichseiti-
gen/ Cörperen/ ja selbs auß zusamensetzung zweyer Würfflen nicht wide-
rum heraußkomme ein Würffel/ sondern ein Parallelepi pedum von unglei-
chen Seiten; es könne auch ein Würffel entstehen auß geschikter Zusamen-
fügung etlicher Prismatum (vid. Erasm. Bartholin. de Fig. Corp. p. m. 12.
13.) und kan bey unseren sechseckichten Crystallen in Bedenken gezogen
werden/ gleich als in einem Scheidweg/ disere Streitfrag/ ob anfangs/ da
der Crystall geförmt worden/ nur ein sechseckichter kleiner Crystall gewesen/
als ein Grundstein/ über welchen hernach die angewachsene flüssige übrige
mehrere Crystallinische Materi sich ergossen/ und gleiche Figur behalten ha-
be? oder/ ob alle kleinste Theil des Crystallinischen Quartzflusses von glei-
cher sechseckichter Gestalt seyen? Wann das erstere sol gelten/ so fallet die
Meinung/ daß alle kleinste Theil gleichförmig seyen/ und müßten nur so vil
sechseckichte kleine Crystallen seyn/ als grosse sich in der Erden finden; und
gehöret der Crystall/ in ansehung seiner Zeugung/ eher zu denen Adler Stei-
nen/ Bezoar, welche auß vilen über einander angewachsenen Häutlein be-
stehen/ und nicht zu denen Salien.

P. S. Hierbey ist zu haben die dritte Tafel von Crystallen a 2. ß.

derbten Welt/ hiemit grad nach geſchehener verſinkung der Waſſeren in die
Gehalter der Erden; Zu gleicher Zeit namlich/ als die Berge/ dero Felſen/
Klüften/ und in gemein die unebene Flaͤche der Erden entſtanden. Jch wil
nicht laugnen/ daß nicht auch Cryſtallen ſeyen erſchaffen worden zu Anfang
der Welt/ vermuhte aber/ daß dieſelben in der oberen/ durch die Suͤndflut
ganz veraͤnderten Erden Rinde zu Grund gangen/ und auß einem hier und
da zuſamen geronnenen Quartz-Fluß widerum geſtaltet worden. Daß
annoch Cryſtallen gezeuget/ oder an denen Ohrten/ wo ſie ehemahls gewe-
ſen/ und weggenommen worden/ wider geſtaltet werden/ deſſen haben wir
keine Anzeigen.

Bey ſechseckichter Geſtaltung der Cryſtallen komt ſonderlich zube-
denken vor/ ob ſie gebildet/ oder gezeuget werden auß einem vorerſt unfoͤrm-
lichen Quartz/ welcher aber durch die Bewegung allerhand Figuren koͤnne
annemmen? oder/ ob ſie geſtaltet/ oder/ deutlicher zu reden/ zuſamen geſetzet
werden auß unzehlich kleinen/ gleichfoͤrmigen/ oder auch ſechseckichten Cry-
ſtallen? Wer die letſtere Meinung bejahet/ der hat auf ſeiner Seiten/ nebſt
der Einfaltigkeit des Grundſatzes/ die Erfahrung ſelbs; obgleich die der
erſteren Meinung beypflichten/ mit folgenden Einwuͤrffen aufzeuhen koͤn-
nen; daß auß zuſamenſetzung viler gleichgeſtalteten Figuren nicht allezeit/
und nohtwendig/ hervorkomme eben dieſelbige Figur/ allermaſſen ein
Wuͤrffel gebildet werden kan auß vilen ablang-viereckichten/ ungleichſeiti-
gen/ Coͤrperen/ ja ſelbs auß zuſamenſetzung zweyer Wuͤrfflen nicht wide-
rum heraußkomme ein Wuͤrffel/ ſondern ein Parallelepi pedum von unglei-
chen Seiten; es koͤnne auch ein Wuͤrffel entſtehen auß geſchikter Zuſamen-
fuͤgung etlicher Priſmatum (vid. Eraſm. Bartholin. de Fig. Corp. p. m. 12.
13.) und kan bey unſeren ſechseckichten Cryſtallen in Bedenken gezogen
werden/ gleich als in einem Scheidweg/ diſere Streitfrag/ ob anfangs/ da
der Cryſtall gefoͤrmt worden/ nur ein ſechseckichter kleiner Cryſtall geweſen/
als ein Grundſtein/ uͤber welchen hernach die angewachſene fluͤſſige uͤbrige
mehrere Cryſtalliniſche Materi ſich ergoſſen/ und gleiche Figur behalten ha-
be? oder/ ob alle kleinſte Theil des Cryſtalliniſchen Quartzfluſſes von glei-
cher ſechseckichter Geſtalt ſeyen? Wann das erſtere ſol gelten/ ſo fallet die
Meinung/ daß alle kleinſte Theil gleichfoͤrmig ſeyen/ und muͤßten nur ſo vil
ſechseckichte kleine Cryſtallen ſeyn/ als groſſe ſich in der Erden finden; und
gehoͤret der Cryſtall/ in anſehung ſeiner Zeugung/ eher zu denen Adler Stei-
nen/ Bezoar, welche auß vilen uͤber einander angewachſenen Haͤutlein be-
ſtehen/ und nicht zu denen Salien.

P. S. Hierbey iſt zu haben die dritte Tafel von Cryſtallen a 2. ß.

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[76/0094] derbten Welt/ hiemit grad nach geſchehener verſinkung der Waſſeren in die Gehalter der Erden; Zu gleicher Zeit namlich/ als die Berge/ dero Felſen/ Klüften/ und in gemein die unebene Flaͤche der Erden entſtanden. Jch wil nicht laugnen/ daß nicht auch Cryſtallen ſeyen erſchaffen worden zu Anfang der Welt/ vermuhte aber/ daß dieſelben in der oberen/ durch die Suͤndflut ganz veraͤnderten Erden Rinde zu Grund gangen/ und auß einem hier und da zuſamen geronnenen Quartz-Fluß widerum geſtaltet worden. Daß annoch Cryſtallen gezeuget/ oder an denen Ohrten/ wo ſie ehemahls gewe- ſen/ und weggenommen worden/ wider geſtaltet werden/ deſſen haben wir keine Anzeigen. Bey ſechseckichter Geſtaltung der Cryſtallen komt ſonderlich zube- denken vor/ ob ſie gebildet/ oder gezeuget werden auß einem vorerſt unfoͤrm- lichen Quartz/ welcher aber durch die Bewegung allerhand Figuren koͤnne annemmen? oder/ ob ſie geſtaltet/ oder/ deutlicher zu reden/ zuſamen geſetzet werden auß unzehlich kleinen/ gleichfoͤrmigen/ oder auch ſechseckichten Cry- ſtallen? Wer die letſtere Meinung bejahet/ der hat auf ſeiner Seiten/ nebſt der Einfaltigkeit des Grundſatzes/ die Erfahrung ſelbs; obgleich die der erſteren Meinung beypflichten/ mit folgenden Einwuͤrffen aufzeuhen koͤn- nen; daß auß zuſamenſetzung viler gleichgeſtalteten Figuren nicht allezeit/ und nohtwendig/ hervorkomme eben dieſelbige Figur/ allermaſſen ein Wuͤrffel gebildet werden kan auß vilen ablang-viereckichten/ ungleichſeiti- gen/ Coͤrperen/ ja ſelbs auß zuſamenſetzung zweyer Wuͤrfflen nicht wide- rum heraußkomme ein Wuͤrffel/ ſondern ein Parallelepi pedum von unglei- chen Seiten; es koͤnne auch ein Wuͤrffel entſtehen auß geſchikter Zuſamen- fuͤgung etlicher Priſmatum (vid. Eraſm. Bartholin. de Fig. Corp. p. m. 12. 13.) und kan bey unſeren ſechseckichten Cryſtallen in Bedenken gezogen werden/ gleich als in einem Scheidweg/ diſere Streitfrag/ ob anfangs/ da der Cryſtall gefoͤrmt worden/ nur ein ſechseckichter kleiner Cryſtall geweſen/ als ein Grundſtein/ uͤber welchen hernach die angewachſene fluͤſſige uͤbrige mehrere Cryſtalliniſche Materi ſich ergoſſen/ und gleiche Figur behalten ha- be? oder/ ob alle kleinſte Theil des Cryſtalliniſchen Quartzfluſſes von glei- cher ſechseckichter Geſtalt ſeyen? Wann das erſtere ſol gelten/ ſo fallet die Meinung/ daß alle kleinſte Theil gleichfoͤrmig ſeyen/ und muͤßten nur ſo vil ſechseckichte kleine Cryſtallen ſeyn/ als groſſe ſich in der Erden finden; und gehoͤret der Cryſtall/ in anſehung ſeiner Zeugung/ eher zu denen Adler Stei- nen/ Bezoar, welche auß vilen uͤber einander angewachſenen Haͤutlein be- ſtehen/ und nicht zu denen Salien. P. S. Hierbey iſt zu haben die dritte Tafel von Cryſtallen a 2. ß.

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/94>, abgerufen am 19.04.2024.