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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.

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theilig seyn. Die meisten bilden sich die Sach folgender Gestalt vor/ daß Gott
durch seinen allgewaltigen Arm habe hier und da die Erden ausgegraben/ zu
logierung der Flüssen/ und Meeren/ und die außgegrabene Erde angewendet
zu Aufbauung der Bergen/ und anderen Erhöhungen der Erden. Hierwi-
der aber lasset sich ins Feld Thomas Burnet, ein subtilgelehrter Engelländer
in seiner Theoria Telluris, absonderlich Lib. I, Cap. XI. allwo er nach der
Länge zubeweisen trachtet/ daß zwischen denen/ auch grösten/ Bergen/ und der
Tieffe des Meers und anderer Wasseren/ welche den halben Theil der Erden
außmachen/ keine Gleichmaß seye/ wann schon die Berge 8. mal höher und
grösser weren/ als sie würklich seyn. Es gründe sich disere gemeine Meinung
auf die Gleichheit der Erden/ so gestanden vor der Sündflut mit der jezigen/
deren sich auch bedienet haben jene Spötter 2. Petr. III. 4. daß von der
Zeit an/ da die Vätter entschlaffen seyn/ noch alles bleibe/ wie
es von Anfang der Schöpfung gewesen/
da aber Petrus an angezo-
genem Ohrt/ sie zu überweisen/ unterscheide die gestaltsame/ und verschiedene/
derselben entsprechende Zerstörungen der ersten/ und anderen Erden. Daß
nach diser Meinung nicht könne erklähret werden/ wie es mit dem Sündfluß
hergangen/ und dessen Wasser haben können die Spitzen der höchsten Ber-
gen überschwemmen: allermassen bey jetziger Beschaffenheit der Erden acht-
mal sovil Wasser hierzu nöhtig weren/ als sich in denen Meeren würklich fin-
den/ worzu alle Wolken kaum den achten Theil könnten beytragen. Daß
nirgends auf diser jezigen Welterde einicher Ohrt anzutreffen/ deme die Ei-
genschafften und Umstände des Paradises zukommen/ welches zubeweisen er
in dem II. Buch seines Werks sich sehr bemühet. Es seye über diß unänstän-
dig/ und der Weißheit Gottes nicht gemäß/ die heutige ungestalte/ unbequeme
Erdengestalt also ansehen/ als wann sie vorerst auß der Hand Gottes also
kommen wäre. Es zeige weiters die ganze heutige Erdenform an ein zerbro-
chenes Wesen/ verderbte Seulen/ und zerrissene rudera eines eingefallenen Ge-
bäus. Wann man schon wolte diser gemeinen Meinung der Gelehrten zu-
gefallen sezen/ daß die nächst an Meeren ligende Berg wären aufgerichtet wor-
den von derjenigen Materi/ so durch Gottes Geheiß auß der tieffen Meer-
grub genommen worden/ so were doch dises lächerlich zugedenken von denen
Bergen/ welche weit von dem Meer entfehrnet seyn; wie zum Exempel un-
sere Schweizer gebirge/ deren Matteri hätte müssen über andere hinauß an-
hero geworffen werden. So müßten nach disem alten Grundsaz die Berge
durch und durch vest seyn/ nicht aber hol/ etc.

theilig ſeyn. Die meiſten bilden ſich die Sach folgender Geſtalt vor/ daß Gott
durch ſeinen allgewaltigen Arm habe hier und da die Erden ausgegraben/ zu
logierung der Fluͤſſen/ und Meeren/ und die außgegrabene Erde angewendet
zu Aufbauung der Bergen/ und anderen Erhoͤhungen der Erden. Hierwi-
der aber laſſet ſich ins Feld Thomas Burnet, ein ſubtilgelehrter Engellaͤnder
in ſeiner Theoria Telluris, abſonderlich Lib. I, Cap. XI. allwo er nach der
Laͤnge zubeweiſen trachtet/ daß zwiſchen denen/ auch groͤſten/ Bergen/ und der
Tieffe des Meers und anderer Waſſeren/ welche den halben Theil der Erden
außmachen/ keine Gleichmaß ſeye/ wann ſchon die Berge 8. mal hoͤher und
groͤſſer weren/ als ſie wuͤrklich ſeyn. Es gruͤnde ſich diſere gemeine Meinung
auf die Gleichheit der Erden/ ſo geſtanden vor der Suͤndflut mit der jezigen/
deren ſich auch bedienet haben jene Spoͤtter 2. Petr. III. 4. daß von der
Zeit an/ da die Vaͤtter entſchlaffen ſeyn/ noch alles bleibe/ wie
es von Anfang der Schoͤpfung geweſen/
da aber Petrus an angezo-
genem Ohrt/ ſie zu uͤberweiſen/ unterſcheide die geſtaltſame/ und verſchiedene/
derſelben entſprechende Zerſtoͤrungen der erſten/ und anderen Erden. Daß
nach diſer Meinung nicht koͤnne erklaͤhret werden/ wie es mit dem Suͤndfluß
hergangen/ und deſſen Waſſer haben koͤnnen die Spitzen der hoͤchſten Ber-
gen uͤberſchwemmen: allermaſſen bey jetziger Beſchaffenheit der Erden acht-
mal ſovil Waſſer hierzu noͤhtig weren/ als ſich in denen Meeren wuͤrklich fin-
den/ worzu alle Wolken kaum den achten Theil koͤnnten beytragen. Daß
nirgends auf diſer jezigen Welterde einicher Ohrt anzutreffen/ deme die Ei-
genſchafften und Umſtaͤnde des Paradiſes zukommen/ welches zubeweiſen er
in dem II. Buch ſeines Werks ſich ſehr bemuͤhet. Es ſeye uͤber diß unaͤnſtaͤn-
dig/ und der Weißheit Gottes nicht gemaͤß/ die heutige ungeſtalte/ unbequeme
Erdengeſtalt alſo anſehen/ als wann ſie vorerſt auß der Hand Gottes alſo
kommen waͤre. Es zeige weiters die ganze heutige Erdenform an ein zerbro-
chenes Weſen/ verderbte Seulen/ und zerꝛiſſene rudera eines eingefallenen Ge-
baͤus. Wann man ſchon wolte diſer gemeinen Meinung der Gelehrten zu-
gefallen ſezen/ daß die naͤchſt an Meeren ligende Berg waͤren aufgerichtet wor-
den von derjenigen Materi/ ſo durch Gottes Geheiß auß der tieffen Meer-
grub genommen worden/ ſo were doch diſes laͤcherlich zugedenken von denen
Bergen/ welche weit von dem Meer entfehrnet ſeyn; wie zum Exempel un-
ſere Schweizer gebirge/ deren Matteri haͤtte muͤſſen über andere hinauß an-
hero geworffen werden. So muͤßten nach diſem alten Grundſaz die Berge
durch und durch veſt ſeyn/ nicht aber hol/ ꝛc.

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[184/0218] theilig ſeyn. Die meiſten bilden ſich die Sach folgender Geſtalt vor/ daß Gott durch ſeinen allgewaltigen Arm habe hier und da die Erden ausgegraben/ zu logierung der Fluͤſſen/ und Meeren/ und die außgegrabene Erde angewendet zu Aufbauung der Bergen/ und anderen Erhoͤhungen der Erden. Hierwi- der aber laſſet ſich ins Feld Thomas Burnet, ein ſubtilgelehrter Engellaͤnder in ſeiner Theoria Telluris, abſonderlich Lib. I, Cap. XI. allwo er nach der Laͤnge zubeweiſen trachtet/ daß zwiſchen denen/ auch groͤſten/ Bergen/ und der Tieffe des Meers und anderer Waſſeren/ welche den halben Theil der Erden außmachen/ keine Gleichmaß ſeye/ wann ſchon die Berge 8. mal hoͤher und groͤſſer weren/ als ſie wuͤrklich ſeyn. Es gruͤnde ſich diſere gemeine Meinung auf die Gleichheit der Erden/ ſo geſtanden vor der Suͤndflut mit der jezigen/ deren ſich auch bedienet haben jene Spoͤtter 2. Petr. III. 4. daß von der Zeit an/ da die Vaͤtter entſchlaffen ſeyn/ noch alles bleibe/ wie es von Anfang der Schoͤpfung geweſen/ da aber Petrus an angezo- genem Ohrt/ ſie zu uͤberweiſen/ unterſcheide die geſtaltſame/ und verſchiedene/ derſelben entſprechende Zerſtoͤrungen der erſten/ und anderen Erden. Daß nach diſer Meinung nicht koͤnne erklaͤhret werden/ wie es mit dem Suͤndfluß hergangen/ und deſſen Waſſer haben koͤnnen die Spitzen der hoͤchſten Ber- gen uͤberſchwemmen: allermaſſen bey jetziger Beſchaffenheit der Erden acht- mal ſovil Waſſer hierzu noͤhtig weren/ als ſich in denen Meeren wuͤrklich fin- den/ worzu alle Wolken kaum den achten Theil koͤnnten beytragen. Daß nirgends auf diſer jezigen Welterde einicher Ohrt anzutreffen/ deme die Ei- genſchafften und Umſtaͤnde des Paradiſes zukommen/ welches zubeweiſen er in dem II. Buch ſeines Werks ſich ſehr bemuͤhet. Es ſeye uͤber diß unaͤnſtaͤn- dig/ und der Weißheit Gottes nicht gemaͤß/ die heutige ungeſtalte/ unbequeme Erdengeſtalt alſo anſehen/ als wann ſie vorerſt auß der Hand Gottes alſo kommen waͤre. Es zeige weiters die ganze heutige Erdenform an ein zerbro- chenes Weſen/ verderbte Seulen/ und zerꝛiſſene rudera eines eingefallenen Ge- baͤus. Wann man ſchon wolte diſer gemeinen Meinung der Gelehrten zu- gefallen ſezen/ daß die naͤchſt an Meeren ligende Berg waͤren aufgerichtet wor- den von derjenigen Materi/ ſo durch Gottes Geheiß auß der tieffen Meer- grub genommen worden/ ſo were doch diſes laͤcherlich zugedenken von denen Bergen/ welche weit von dem Meer entfehrnet ſeyn; wie zum Exempel un- ſere Schweizer gebirge/ deren Matteri haͤtte muͤſſen über andere hinauß an- hero geworffen werden. So muͤßten nach diſem alten Grundſaz die Berge durch und durch veſt ſeyn/ nicht aber hol/ ꝛc.

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/218>, abgerufen am 28.03.2024.