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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.

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Nunmehr/ nachdem wir disere Natur-Wunder/ die Gletscher gnug-
sam betrachtet/ ist es zeit unseren Marsch weiters fortzusezen/ damit wir/ nicht
verspätet/ zu rechter zeit ins Nachtquartier kommen. Weilen der Weg/
den wir zu wandlen haben/ immer dem Rhodan Fluß auf der Seiten gehet/
als finden wir bequemen Anlaß/ denselben mit allen seinen Räncken/ so weit
wir kommen werden/ eigentlich abzuzeichnen/ und in eine besondere Charte
zubringen/ welche villeicht zu seiner zeit auch das Liecht sehen möchte. Diß-
mal wird sich der geehrte Leser vernügen mit einer Politisch-Geographischen Be-
schreibung des Wallisserlands/ deren auch untermischen werde diejenige
merkwürdige Sachen/ welche mir als einem Naturforscher/ sonderlich vor-
kommen.

So bald die Gletscher-Wasser sich mit der kleinen Brunnquell des Rho-
dans
vereiniget/ stürzet sich diser nahmhafte Fluß/ den die Wallisser gemein-
lich Rotten/ die Franzosen Rosne, Rhosne, die Jtaliener Rhodano, nen-
nen/ mit schaumichter Ungestümme zwischen hohen Felsen herab/ und ist
gleichsam von hier bis in die Ebene des Thals anzusehen/ als ein einiger/ zu
weilen ein wenig absezender/ doch immer fortgesezter Wasserfall. Nach-
dem er etliche Ruthen weit fortgelauffen/ empfangt er ab der Grimsel/ einem
Berg Bernergebiets/ den Meienwanger-Bach/ fliesset dann fort von
Mittnacht gegen Mittag/ in dem Thal selbs aber nach einer halben Zirkul-
krümme/ von 2. bis 3. Stunden/ allezeit von Morgen gegen Abend.

Ob dem Dorff Underwasen/ in dem Weg selbs/ ist anzumerken/ wie
dessen Felsen von dem Wasser außgespült/ nnd gleichsam wellenweiß auß-
gehölt worden. Dises Wasser aber kan kein anders sein/ als die Rhosne
selbs/ welche nun 50. und mehr Schuhe tieffer die Furcken abrauschet/ als in
denen ersten Jahren nach der Sündfluß/ in welchen sie über unseren Weg
selbs geloffen. Mehrere Exempel dergleichen in die Tieffe fressenden Berg-
Wasseren findet der Gönstige Leser Tom. I. p. 56. an dem Tamina-Bach
bey Pfeffers/ und dem hinderen Rhein in der Via Mala.

An dem Fuß des Bergs Furcken (es beliebe der Leser nebst meine Be-
schreibung zu halten den Stumpf. Chronic. Lib. XI cap. 4. und Simler Val-
les. p.
12. etc. welche beyde auch auß eigener Erfahrung geschrieben) seyn
zwey Dörffer/ das einte diß/ das andere jenseits des Rhodans Under-
wasen/ Underwasseren/
und Oberwald/ deren Einwohne-
re sich und ihr Vieh vornehmlich nehren von denen Alpen/ und Vor-
Alpen/ oder Vorsässen/ welche sie auf der Furcken haben.

Nunmehr/ nachdem wir diſere Natur-Wunder/ die Gletſcher gnug-
ſam betrachtet/ iſt es zeit unſeren Marſch weiters fortzuſezen/ damit wir/ nicht
verſpaͤtet/ zu rechter zeit ins Nachtquartier kommen. Weilen der Weg/
den wir zu wandlen haben/ immer dem Rhodan Fluß auf der Seiten gehet/
als finden wir bequemen Anlaß/ denſelben mit allen ſeinen Raͤncken/ ſo weit
wir kommen werden/ eigentlich abzuzeichnen/ und in eine beſondere Charte
zubringen/ welche villeicht zu ſeiner zeit auch das Liecht ſehen moͤchte. Diß-
mal wird ſich der geehrte Leſer vernuͤgẽ mit einer Politiſch-Geographiſchẽ Be-
ſchreibung des Walliſſerlands/ deren auch untermiſchen werde diejenige
merkwuͤrdige Sachen/ welche mir als einem Naturforſcher/ ſonderlich vor-
kommen.

So bald die Gletſcher-Waſſer ſich mit der kleinen Brunnquell des Rho-
dans
vereiniget/ ſtuͤrzet ſich diſer nahmhafte Fluß/ den die Walliſſer gemein-
lich Rotten/ die Franzoſen Roſne, Rhoſne, die Jtaliener Rhodano, nen-
nen/ mit ſchaumichter Ungeſtuͤmme zwiſchen hohen Felſen herab/ und iſt
gleichſam von hier bis in die Ebene des Thals anzuſehen/ als ein einiger/ zu
weilen ein wenig abſezender/ doch immer fortgeſezter Waſſerfall. Nach-
dem er etliche Ruthen weit fortgelauffen/ empfangt er ab der Grimſel/ einem
Berg Bernergebiets/ den Meienwanger-Bach/ flieſſet dann fort von
Mittnacht gegen Mittag/ in dem Thal ſelbs aber nach einer halben Zirkul-
kruͤmme/ von 2. bis 3. Stunden/ allezeit von Morgen gegen Abend.

Ob dem Dorff Underwaſen/ in dem Weg ſelbs/ iſt anzumerken/ wie
deſſen Felſen von dem Waſſer außgeſpuͤlt/ nnd gleichſam wellenweiß auß-
gehoͤlt worden. Diſes Waſſer aber kan kein anders ſein/ als die Rhoſne
ſelbs/ welche nun 50. und mehr Schuhe tieffer die Furcken abrauſchet/ als in
denen erſten Jahren nach der Suͤndfluß/ in welchen ſie uͤber unſeren Weg
ſelbs geloffen. Mehrere Exempel dergleichen in die Tieffe freſſenden Berg-
Waſſeren findet der Goͤnſtige Leſer Tom. I. p. 56. an dem Tamina-Bach
bey Pfeffers/ und dem hinderen Rhein in der Via Mala.

An dem Fuß des Bergs Furcken (es beliebe der Leſer nebſt meine Be-
ſchreibung zu halten den Stumpf. Chronic. Lib. XI cap. 4. und Simler Val-
les. p.
12. ꝛc. welche beyde auch auß eigener Erfahrung geſchrieben) ſeyn
zwey Doͤrffer/ das einte diß/ das andere jenſeits des Rhodans Under-
waſen/ Underwaſſeren/
und Oberwald/ deren Einwohne-
re ſich und ihr Vieh vornehmlich nehren von denen Alpen/ und Vor-
Alpen/ oder Vorſaͤſſen/ welche ſie auf der Furcken haben.

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[116/0144] Nunmehr/ nachdem wir diſere Natur-Wunder/ die Gletſcher gnug- ſam betrachtet/ iſt es zeit unſeren Marſch weiters fortzuſezen/ damit wir/ nicht verſpaͤtet/ zu rechter zeit ins Nachtquartier kommen. Weilen der Weg/ den wir zu wandlen haben/ immer dem Rhodan Fluß auf der Seiten gehet/ als finden wir bequemen Anlaß/ denſelben mit allen ſeinen Raͤncken/ ſo weit wir kommen werden/ eigentlich abzuzeichnen/ und in eine beſondere Charte zubringen/ welche villeicht zu ſeiner zeit auch das Liecht ſehen moͤchte. Diß- mal wird ſich der geehrte Leſer vernuͤgẽ mit einer Politiſch-Geographiſchẽ Be- ſchreibung des Walliſſerlands/ deren auch untermiſchen werde diejenige merkwuͤrdige Sachen/ welche mir als einem Naturforſcher/ ſonderlich vor- kommen. So bald die Gletſcher-Waſſer ſich mit der kleinen Brunnquell des Rho- dans vereiniget/ ſtuͤrzet ſich diſer nahmhafte Fluß/ den die Walliſſer gemein- lich Rotten/ die Franzoſen Roſne, Rhoſne, die Jtaliener Rhodano, nen- nen/ mit ſchaumichter Ungeſtuͤmme zwiſchen hohen Felſen herab/ und iſt gleichſam von hier bis in die Ebene des Thals anzuſehen/ als ein einiger/ zu weilen ein wenig abſezender/ doch immer fortgeſezter Waſſerfall. Nach- dem er etliche Ruthen weit fortgelauffen/ empfangt er ab der Grimſel/ einem Berg Bernergebiets/ den Meienwanger-Bach/ flieſſet dann fort von Mittnacht gegen Mittag/ in dem Thal ſelbs aber nach einer halben Zirkul- kruͤmme/ von 2. bis 3. Stunden/ allezeit von Morgen gegen Abend. Ob dem Dorff Underwaſen/ in dem Weg ſelbs/ iſt anzumerken/ wie deſſen Felſen von dem Waſſer außgeſpuͤlt/ nnd gleichſam wellenweiß auß- gehoͤlt worden. Diſes Waſſer aber kan kein anders ſein/ als die Rhoſne ſelbs/ welche nun 50. und mehr Schuhe tieffer die Furcken abrauſchet/ als in denen erſten Jahren nach der Suͤndfluß/ in welchen ſie uͤber unſeren Weg ſelbs geloffen. Mehrere Exempel dergleichen in die Tieffe freſſenden Berg- Waſſeren findet der Goͤnſtige Leſer Tom. I. p. 56. an dem Tamina-Bach bey Pfeffers/ und dem hinderen Rhein in der Via Mala. An dem Fuß des Bergs Furcken (es beliebe der Leſer nebſt meine Be- ſchreibung zu halten den Stumpf. Chronic. Lib. XI cap. 4. und Simler Val- les. p. 12. ꝛc. welche beyde auch auß eigener Erfahrung geſchrieben) ſeyn zwey Doͤrffer/ das einte diß/ das andere jenſeits des Rhodans Under- waſen/ Underwaſſeren/ und Oberwald/ deren Einwohne- re ſich und ihr Vieh vornehmlich nehren von denen Alpen/ und Vor- Alpen/ oder Vorſaͤſſen/ welche ſie auf der Furcken haben.

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/144>, abgerufen am 25.04.2024.