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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.

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N. 23.)

Schweizerische
Berg-Reisen.


JN der letsten Pündtner Alp ruheten wir etwas in einer Sennhütte
auß/ theils unsere durstige Zungen zu erquiken/ theils von den Jnn-
haberen zu erforschen die Nahmen der

Milchspeisen/ und Milchgefässen/ welche dem Milch- und
Wörter-Liebhaber zu gefallen allhier beybringen wil/ als eine Zugab dessen/
so von Bereitung der Milchspeisen oben bereits ist angebracht wor-
den Tom. I. pag. 30.

Bey Anlas der Senten selbs/ welche meine Wirthshäuser und Zu-
flucht sein auf hohen Gebirgen/ berichte den geehrten Leser/ wie zu grosser mei-
ner Freude ohngefahr bey dem grossen Naturforscher Plinio Hist. Nat. Lib.
II. cap.
45. angetroffen habe disen sonst Schweizerischen Nahmen. Also
schreibet er an gedachtem Ohrt: Sine fine ventos generant jam quidam spe-
cus, qualis in Dalmatiae ora, vasto in praeceps hiatu, in quem dejecto levi pon-
dere, quamvis tranquillo die, turbini similis emicat procella. Nomen loco est
Senta.
Teutsch. Es gibt/ zum Evempel in Dalmatien/ windge-
bährende gähtieffe Bergklüften/ in welche so man/ auch bey
stillem Wetter/ einen Stein wirft/ ein Ungewitter entstehet.
Der Ohrt heisset Senten.

Jch zweifle keines wegs/ daß nicht dises eine wahre Senten/ oder Senn-
hütte gewesen/ und überlasse/ denen Criticis zu entscheiden/ ob nicht auf dises
des Plinii Ansag solle eine Senten in Lateinischer Sprach genennet werden
SENTA, eher als SENNa, welches/ so vil mich zu erinneren weiß/ an einem
Ohrt braucht Gessnerus, oder Senntena, welches ich bis dahin in meinen La-
teinischen Schriften gebraucht habe.

Den einbeinichten Melkstuhl/ auf welchem der Senn sizet/ wann er die
Kühe melket/ heissen die Pündtner gemeinlich in ihrer Sprach Scagno, wel-
cher herkommet von Scamnum, hier aber/ da die alten AEtuatier sich nider-
gelassen/ Sediel, Sediael, welcher durch einen einigen Buchstabwechsel gibt
der Lateineren Sedile.

Eine
N. 23.)

Schweizeriſche
Berg-Reiſen.


JN der letſten Puͤndtner Alp ruheten wir etwas in einer Sennhuͤtte
auß/ theils unſere durſtige Zungen zu erquiken/ theils von den Jnn-
haberen zu erforſchen die Nahmen der

Milchſpeiſen/ und Milchgefaͤſſen/ welche dem Milch- und
Woͤrter-Liebhaber zu gefallen allhier beybringen wil/ als eine Zugab deſſen/
ſo von Bereitung der Milchſpeiſen oben bereits iſt angebracht wor-
den Tom. I. pag. 30.

Bey Anlas der Senten ſelbs/ welche meine Wirthshaͤuſer und Zu-
flucht ſein auf hohen Gebirgen/ berichte den geehrten Leſer/ wie zu groſſer mei-
ner Freude ohngefahr bey dem groſſen Naturforſcher Plinio Hiſt. Nat. Lib.
II. cap.
45. angetroffen habe diſen ſonſt Schweizeriſchen Nahmen. Alſo
ſchreibet er an gedachtem Ohrt: Sine fine ventos generant jam quidam ſpe-
cus, qualis in Dalmatiæ ora, vaſto in præceps hiatu, in quem dejecto levi pon-
dere, quamvis tranquillo die, turbini ſimilis emicat procella. Nomen loco eſt
Senta.
Teutſch. Es gibt/ zum Evempel in Dalmatien/ windge-
baͤhrende gaͤhtieffe Bergklüften/ in welche ſo man/ auch bey
ſtillem Wetter/ einen Stein wirft/ ein Ungewitter entſtehet.
Der Ohrt heiſſet Senten.

Jch zweifle keines wegs/ daß nicht diſes eine wahre Senten/ oder Senn-
huͤtte geweſen/ und uͤberlaſſe/ denen Criticis zu entſcheiden/ ob nicht auf diſes
des Plinii Anſag ſolle eine Senten in Lateiniſcher Sprach genennet werden
SENTA, eher als SENNa, welches/ ſo vil mich zu erinneren weiß/ an einem
Ohrt braucht Geſſnerus, oder Senntena, welches ich bis dahin in meinen La-
teiniſchen Schriften gebraucht habe.

Den einbeinichten Melkſtuhl/ auf welchem der Senn ſizet/ wann er die
Kuͤhe melket/ heiſſen die Puͤndtner gemeinlich in ihrer Sprach Scagno, wel-
cher herkommet von Scamnum, hier aber/ da die alten Ætuatier ſich nider-
gelaſſen/ Sediel, Sediæl, welcher durch einen einigen Buchſtabwechſel gibt
der Lateineren Sedile.

Eine
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[89/0112] N. 23.) (Den 8. Junii. 1707. Schweizeriſche Berg-Reiſen. JN der letſten Puͤndtner Alp ruheten wir etwas in einer Sennhuͤtte auß/ theils unſere durſtige Zungen zu erquiken/ theils von den Jnn- haberen zu erforſchen die Nahmen der Milchſpeiſen/ und Milchgefaͤſſen/ welche dem Milch- und Woͤrter-Liebhaber zu gefallen allhier beybringen wil/ als eine Zugab deſſen/ ſo von Bereitung der Milchſpeiſen oben bereits iſt angebracht wor- den Tom. I. pag. 30. Bey Anlas der Senten ſelbs/ welche meine Wirthshaͤuſer und Zu- flucht ſein auf hohen Gebirgen/ berichte den geehrten Leſer/ wie zu groſſer mei- ner Freude ohngefahr bey dem groſſen Naturforſcher Plinio Hiſt. Nat. Lib. II. cap. 45. angetroffen habe diſen ſonſt Schweizeriſchen Nahmen. Alſo ſchreibet er an gedachtem Ohrt: Sine fine ventos generant jam quidam ſpe- cus, qualis in Dalmatiæ ora, vaſto in præceps hiatu, in quem dejecto levi pon- dere, quamvis tranquillo die, turbini ſimilis emicat procella. Nomen loco eſt Senta. Teutſch. Es gibt/ zum Evempel in Dalmatien/ windge- baͤhrende gaͤhtieffe Bergklüften/ in welche ſo man/ auch bey ſtillem Wetter/ einen Stein wirft/ ein Ungewitter entſtehet. Der Ohrt heiſſet Senten. Jch zweifle keines wegs/ daß nicht diſes eine wahre Senten/ oder Senn- huͤtte geweſen/ und uͤberlaſſe/ denen Criticis zu entſcheiden/ ob nicht auf diſes des Plinii Anſag ſolle eine Senten in Lateiniſcher Sprach genennet werden SENTA, eher als SENNa, welches/ ſo vil mich zu erinneren weiß/ an einem Ohrt braucht Geſſnerus, oder Senntena, welches ich bis dahin in meinen La- teiniſchen Schriften gebraucht habe. Den einbeinichten Melkſtuhl/ auf welchem der Senn ſizet/ wann er die Kuͤhe melket/ heiſſen die Puͤndtner gemeinlich in ihrer Sprach Scagno, wel- cher herkommet von Scamnum, hier aber/ da die alten Ætuatier ſich nider- gelaſſen/ Sediel, Sediæl, welcher durch einen einigen Buchſtabwechſel gibt der Lateineren Sedile. Eine

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/112>, abgerufen am 28.03.2024.