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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Laß Seine Majestät brummen, sprach die Herzogin. Und flehe zum
Himmel, daß er jeder Andern die Geduld verleihen möge, die mir da-
mals ausging. Ich habe noch nicht Gelegenheit gehabt, einen Affen
zu sehen, aber Allem zufolge, was glaubwürdige Männer erzählen,
reicht Herrn Michael's Ahnentafel zu jenen Mitgliedern der Schöpfung
hinauf.

Sie hatte inzwischen die Armspange angelegt, es waren zwei in-
einander verstrickte Schlangen, die sich küßen,9) jede trug ein Krönlein
auf dem Haupt. Da ihr unter dem vielen Geschmucke jetzt ein
schwerer silberner Pfeil unter die Hände gerathen war, so mußte auch
er seinen Aufenthalt im Gefängniß des Schreins mit anderem Platze
vertauschen. Er ward durch die Maschen des goldfadigen Haarnetzes
gezogen.

Als wolle sie des Schmuckes Wirkung prüfen, ging Frau Hadwig
mit großen Schritten durch's Gemach. Ihr Gang war herausfordernd.
Aber der Saal war leer; selbst die Burgkatze war von dannen ge-
schlichen. Spiegel waren keine an den Wänden. Der Zustand wohn-
licher Einrichtung überhaupt ließ damals Manches zu wünschen übrig.

Praxedis Gedanken waren noch bei der vorigen Geschichte. Gnä-
dige Gebieterin, sprach sie, er hat mich doch gedauert.

Wer?

Der Kaisers Sohn. Ihr seid ihm im Traum erschienen, sagte er,
und all sein Glück hab' er von Euch erhofft. Er hat auch geweint ...

Laß die Todten ruhen, sprach Frau Hadwig ärgerlich. Nimm
lieber die Laute und sing mir das griechische Liedlein:

Constantin, du armer Knabe,
Constantin, und laß das Weinen!

Sie ist zersprungen, war die Antwort, und alle Saiten zu Grund
gerichtet, seit die Frau Herzogin geruhten, sie ...

Sie dem Graf Boso von Burgund an Kopf zu werfen, ergänzte
Hadwig. Dem ist nicht zu viel geschehen, 's war gar nicht nothwen-
dig, daß er uneingeladen zur Leichenfeier Herrn Burkhard's kam und
mir Trost zusprechen wollte, als war' er ein Heiliger. Laß die Laute
flicken.

Sag' mir indeß, du griechische Goldblume, warum hab' ich heut
den festlichen Schmuck angelegt?

Laß Seine Majeſtät brummen, ſprach die Herzogin. Und flehe zum
Himmel, daß er jeder Andern die Geduld verleihen möge, die mir da-
mals ausging. Ich habe noch nicht Gelegenheit gehabt, einen Affen
zu ſehen, aber Allem zufolge, was glaubwürdige Männer erzählen,
reicht Herrn Michael's Ahnentafel zu jenen Mitgliedern der Schöpfung
hinauf.

Sie hatte inzwiſchen die Armſpange angelegt, es waren zwei in-
einander verſtrickte Schlangen, die ſich küßen,9) jede trug ein Krönlein
auf dem Haupt. Da ihr unter dem vielen Geſchmucke jetzt ein
ſchwerer ſilberner Pfeil unter die Hände gerathen war, ſo mußte auch
er ſeinen Aufenthalt im Gefängniß des Schreins mit anderem Platze
vertauſchen. Er ward durch die Maſchen des goldfadigen Haarnetzes
gezogen.

Als wolle ſie des Schmuckes Wirkung prüfen, ging Frau Hadwig
mit großen Schritten durch's Gemach. Ihr Gang war herausfordernd.
Aber der Saal war leer; ſelbſt die Burgkatze war von dannen ge-
ſchlichen. Spiegel waren keine an den Wänden. Der Zuſtand wohn-
licher Einrichtung überhaupt ließ damals Manches zu wünſchen übrig.

Praxedis Gedanken waren noch bei der vorigen Geſchichte. Gnä-
dige Gebieterin, ſprach ſie, er hat mich doch gedauert.

Wer?

Der Kaiſers Sohn. Ihr ſeid ihm im Traum erſchienen, ſagte er,
und all ſein Glück hab' er von Euch erhofft. Er hat auch geweint ...

Laß die Todten ruhen, ſprach Frau Hadwig ärgerlich. Nimm
lieber die Laute und ſing mir das griechiſche Liedlein:

Conſtantin, du armer Knabe,
Conſtantin, und laß das Weinen!

Sie iſt zerſprungen, war die Antwort, und alle Saiten zu Grund
gerichtet, ſeit die Frau Herzogin geruhten, ſie ...

Sie dem Graf Boſo von Burgund an Kopf zu werfen, ergänzte
Hadwig. Dem iſt nicht zu viel geſchehen, 's war gar nicht nothwen-
dig, daß er uneingeladen zur Leichenfeier Herrn Burkhard's kam und
mir Troſt zuſprechen wollte, als war' er ein Heiliger. Laß die Laute
flicken.

Sag' mir indeß, du griechiſche Goldblume, warum hab' ich heut
den feſtlichen Schmuck angelegt?

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/31>, abgerufen am 25.04.2024.