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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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feyert*); so bewegt er doch auf eine andre Art
das Gefühl. Denn der Tanz ist bey ihnen durch-
aus mimisch, und stellt diese oder jene feyerliche
Handlung, diese oder jene interessante Begebenheit
vor. Der Kriegstanz z. B. erinnert sie an ihr
Lieblingsgeschäft, und muß daher für den Wilden,
der weiter keine Beschäftigung kennt, und doch zu-
weilen das Bedürfniß fühlt, seinem Gemüthe eine
Bewegung zu machen, sehr unterhaltend seyn**).

Bey
*) Daselbst. S. 459.
**) Es ist leicht zu begreifen, daß, ohnerachtet dem ro-
hen Wilden alle anstrengende Beschäftigungen, wenn
sie nicht auch zugleich seine Leidenschaften oder Be-
gierden anfachen, zuwider sind, doch auch der träge
Müssiggang auf die Länge unerträglich werden
muß. Das beständige Stillsitzen macht das Blut
träge und dick, und veranlaßt andre körperliche Be-
schwerden, welche hernach auch dem Herzen zur
Last fallen und ihn verdrießlich machen. Hieraus
fließt auch die starke Neigung der Wilden zu hitzi-
gen Getränken und Schmausereyen: denn diese ver-
setzen ihn aus seinem trägen, beschwerlichen Zustan-
de, und geben seinem Blute und Lebensgeistern ei-
nen raschern Umlauf. "Ein müssiger Wilder, sagt
der schon oft genannte Schriftsteller+, ist ein trau-
riges melancholisches Thier; sobald er aber den be-
rauschenden Trank kostet, oder zu kosten hoft, wird
er munter und fröhlich."
+ Das. S. 460.
Y

feyert*); ſo bewegt er doch auf eine andre Art
das Gefuͤhl. Denn der Tanz iſt bey ihnen durch-
aus mimiſch, und ſtellt dieſe oder jene feyerliche
Handlung, dieſe oder jene intereſſante Begebenheit
vor. Der Kriegstanz z. B. erinnert ſie an ihr
Lieblingsgeſchaͤft, und muß daher fuͤr den Wilden,
der weiter keine Beſchaͤftigung kennt, und doch zu-
weilen das Beduͤrfniß fuͤhlt, ſeinem Gemuͤthe eine
Bewegung zu machen, ſehr unterhaltend ſeyn**).

Bey
*) Daſelbſt. S. 459.
**) Es iſt leicht zu begreifen, daß, ohnerachtet dem ro-
hen Wilden alle anſtrengende Beſchaͤftigungen, wenn
ſie nicht auch zugleich ſeine Leidenſchaften oder Be-
gierden anfachen, zuwider ſind, doch auch der traͤge
Muͤſſiggang auf die Laͤnge unertraͤglich werden
muß. Das beſtaͤndige Stillſitzen macht das Blut
traͤge und dick, und veranlaßt andre koͤrperliche Be-
ſchwerden, welche hernach auch dem Herzen zur
Laſt fallen und ihn verdrießlich machen. Hieraus
fließt auch die ſtarke Neigung der Wilden zu hitzi-
gen Getraͤnken und Schmauſereyen: denn dieſe ver-
ſetzen ihn aus ſeinem traͤgen, beſchwerlichen Zuſtan-
de, und geben ſeinem Blute und Lebensgeiſtern ei-
nen raſchern Umlauf. „Ein muͤſſiger Wilder, ſagt
der ſchon oft genannte Schriftſteller, iſt ein trau-
riges melancholiſches Thier; ſobald er aber den be-
rauſchenden Trank koſtet, oder zu koſten hoft, wird
er munter und froͤhlich.„
Daſ. S. 460.
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[337/0053] feyert *); ſo bewegt er doch auf eine andre Art das Gefuͤhl. Denn der Tanz iſt bey ihnen durch- aus mimiſch, und ſtellt dieſe oder jene feyerliche Handlung, dieſe oder jene intereſſante Begebenheit vor. Der Kriegstanz z. B. erinnert ſie an ihr Lieblingsgeſchaͤft, und muß daher fuͤr den Wilden, der weiter keine Beſchaͤftigung kennt, und doch zu- weilen das Beduͤrfniß fuͤhlt, ſeinem Gemuͤthe eine Bewegung zu machen, ſehr unterhaltend ſeyn **). Bey *) Daſelbſt. S. 459. **) Es iſt leicht zu begreifen, daß, ohnerachtet dem ro- hen Wilden alle anſtrengende Beſchaͤftigungen, wenn ſie nicht auch zugleich ſeine Leidenſchaften oder Be- gierden anfachen, zuwider ſind, doch auch der traͤge Muͤſſiggang auf die Laͤnge unertraͤglich werden muß. Das beſtaͤndige Stillſitzen macht das Blut traͤge und dick, und veranlaßt andre koͤrperliche Be- ſchwerden, welche hernach auch dem Herzen zur Laſt fallen und ihn verdrießlich machen. Hieraus fließt auch die ſtarke Neigung der Wilden zu hitzi- gen Getraͤnken und Schmauſereyen: denn dieſe ver- ſetzen ihn aus ſeinem traͤgen, beſchwerlichen Zuſtan- de, und geben ſeinem Blute und Lebensgeiſtern ei- nen raſchern Umlauf. „Ein muͤſſiger Wilder, ſagt der ſchon oft genannte Schriftſteller †, iſt ein trau- riges melancholiſches Thier; ſobald er aber den be- rauſchenden Trank koſtet, oder zu koſten hoft, wird er munter und froͤhlich.„ † Daſ. S. 460. Y

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/53>, abgerufen am 28.03.2024.