Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

an der Zeit so wenig gelegen, daß sie sie gar nicht
achten, und können sie eine Unternehmung nur
ausführen, so bekümmern sie sich nicht darum,
wie lange sie sich damit beschäftigen.

Alle Thätigkeit zweckt entweder auf Nutzen
oder auf Vergnügen ab. Jene nenn' ich Be-
schäftigung
, diese Spiel im allgemeinsten Sin-
ne des Worts. Der Trieb zur Thätigkeit findet
sich in allen Menschen, doch nicht in allen der Trieb
zur Beschäftigung, wenigstens ist dieser nicht so
allgemein, als die Neigung zum Spiele.

Das Kind, welches noch gar die Vorstellung
von Nutzen nicht hat, spielt, so lange es nicht
schläft oder verlangt wenigstens sehr begierig dar-
nach.

Der Landmann und Handwerker arbeitet die
ganze Woche hindurch, um am Sonntag spielen
und tanzen zu können.

Selbst der träge Wilde liebt allerley Arten
von Spielen, und besonders das Tanzen mit wil-
der Heftigkeit. Spiel und hitzige Getränke sind
außer den gewöhnlichen Männerbeschäftigungen
das Einzige, was den in Müssiggang einschlum-
mernden aufwecken, und ihn zu solcher Leidenschaft
entflammen kann, daß er Haab und Gut, Weib
und Kind, ja seine Freyheit selbst aufs Spiel
setzt, wie der römische Geschichtschreiber der

Deut-

an der Zeit ſo wenig gelegen, daß ſie ſie gar nicht
achten, und koͤnnen ſie eine Unternehmung nur
ausfuͤhren, ſo bekuͤmmern ſie ſich nicht darum,
wie lange ſie ſich damit beſchaͤftigen.

Alle Thaͤtigkeit zweckt entweder auf Nutzen
oder auf Vergnuͤgen ab. Jene nenn' ich Be-
ſchaͤftigung
, dieſe Spiel im allgemeinſten Sin-
ne des Worts. Der Trieb zur Thaͤtigkeit findet
ſich in allen Menſchen, doch nicht in allen der Trieb
zur Beſchaͤftigung, wenigſtens iſt dieſer nicht ſo
allgemein, als die Neigung zum Spiele.

Das Kind, welches noch gar die Vorſtellung
von Nutzen nicht hat, ſpielt, ſo lange es nicht
ſchlaͤft oder verlangt wenigſtens ſehr begierig dar-
nach.

Der Landmann und Handwerker arbeitet die
ganze Woche hindurch, um am Sonntag ſpielen
und tanzen zu koͤnnen.

Selbſt der traͤge Wilde liebt allerley Arten
von Spielen, und beſonders das Tanzen mit wil-
der Heftigkeit. Spiel und hitzige Getraͤnke ſind
außer den gewoͤhnlichen Maͤnnerbeſchaͤftigungen
das Einzige, was den in Muͤſſiggang einſchlum-
mernden aufwecken, und ihn zu ſolcher Leidenſchaft
entflammen kann, daß er Haab und Gut, Weib
und Kind, ja ſeine Freyheit ſelbſt aufs Spiel
ſetzt, wie der roͤmiſche Geſchichtſchreiber der

Deut-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0049" n="333"/>
an der Zeit &#x017F;o wenig gelegen, daß &#x017F;ie &#x017F;ie gar nicht<lb/>
achten, und ko&#x0364;nnen &#x017F;ie eine Unternehmung nur<lb/>
ausfu&#x0364;hren, &#x017F;o beku&#x0364;mmern &#x017F;ie &#x017F;ich nicht darum,<lb/>
wie lange &#x017F;ie &#x017F;ich damit be&#x017F;cha&#x0364;ftigen.</p><lb/>
        <p>Alle Tha&#x0364;tigkeit zweckt entweder auf <hi rendition="#b">Nutzen</hi><lb/>
oder auf <hi rendition="#b">Vergnu&#x0364;gen</hi> ab. Jene nenn' ich <hi rendition="#b">Be-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ftigung</hi>, die&#x017F;e <hi rendition="#b">Spiel</hi> im allgemein&#x017F;ten Sin-<lb/>
ne des Worts. Der Trieb zur Tha&#x0364;tigkeit findet<lb/>
&#x017F;ich in allen Men&#x017F;chen, doch nicht in allen der Trieb<lb/>
zur <hi rendition="#b">Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung</hi>, wenig&#x017F;tens i&#x017F;t die&#x017F;er nicht &#x017F;o<lb/>
allgemein, als die Neigung zum Spiele.</p><lb/>
        <p>Das Kind, welches noch gar die Vor&#x017F;tellung<lb/>
von Nutzen nicht hat, &#x017F;pielt, &#x017F;o lange es nicht<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;ft oder verlangt wenig&#x017F;tens &#x017F;ehr begierig dar-<lb/>
nach.</p><lb/>
        <p>Der Landmann und Handwerker arbeitet die<lb/>
ganze Woche hindurch, um am Sonntag &#x017F;pielen<lb/>
und tanzen zu ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>Selb&#x017F;t der tra&#x0364;ge Wilde liebt allerley Arten<lb/>
von Spielen, und be&#x017F;onders das Tanzen mit wil-<lb/>
der Heftigkeit. Spiel und hitzige Getra&#x0364;nke &#x017F;ind<lb/>
außer den gewo&#x0364;hnlichen Ma&#x0364;nnerbe&#x017F;cha&#x0364;ftigungen<lb/>
das Einzige, was den in Mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;iggang ein&#x017F;chlum-<lb/>
mernden aufwecken, und ihn zu &#x017F;olcher Leiden&#x017F;chaft<lb/>
entflammen kann, daß er Haab und Gut, Weib<lb/>
und Kind, ja &#x017F;eine Freyheit &#x017F;elb&#x017F;t aufs Spiel<lb/>
&#x017F;etzt, wie der <hi rendition="#b">ro&#x0364;mi&#x017F;che</hi> Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#b">Deut-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[333/0049] an der Zeit ſo wenig gelegen, daß ſie ſie gar nicht achten, und koͤnnen ſie eine Unternehmung nur ausfuͤhren, ſo bekuͤmmern ſie ſich nicht darum, wie lange ſie ſich damit beſchaͤftigen. Alle Thaͤtigkeit zweckt entweder auf Nutzen oder auf Vergnuͤgen ab. Jene nenn' ich Be- ſchaͤftigung, dieſe Spiel im allgemeinſten Sin- ne des Worts. Der Trieb zur Thaͤtigkeit findet ſich in allen Menſchen, doch nicht in allen der Trieb zur Beſchaͤftigung, wenigſtens iſt dieſer nicht ſo allgemein, als die Neigung zum Spiele. Das Kind, welches noch gar die Vorſtellung von Nutzen nicht hat, ſpielt, ſo lange es nicht ſchlaͤft oder verlangt wenigſtens ſehr begierig dar- nach. Der Landmann und Handwerker arbeitet die ganze Woche hindurch, um am Sonntag ſpielen und tanzen zu koͤnnen. Selbſt der traͤge Wilde liebt allerley Arten von Spielen, und beſonders das Tanzen mit wil- der Heftigkeit. Spiel und hitzige Getraͤnke ſind außer den gewoͤhnlichen Maͤnnerbeſchaͤftigungen das Einzige, was den in Muͤſſiggang einſchlum- mernden aufwecken, und ihn zu ſolcher Leidenſchaft entflammen kann, daß er Haab und Gut, Weib und Kind, ja ſeine Freyheit ſelbſt aufs Spiel ſetzt, wie der roͤmiſche Geſchichtſchreiber der Deut-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/49
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/49>, abgerufen am 23.04.2024.