Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

gnügten sich, Kinder in die Flammen zu werfen
-- Pappenheims Wallonen, Säuglinge an den
Brüsten ihrer Mütter zu spießen. Einige ligisti-
sche Officiere von diesem grausenvollen Anblick em-
pört, unterstanden sich, den Grafen Tilly zu
erinnern, daß er dem Blutbad möchte Einhalt
thun lassen. "Kommt in einer Stunde wieder,
war seine Antwort, ich werde dann sehen, was ich
thun werde; der Soldat muß für seine Gefahr
und Arbeit etwas haben." Jn ununterbrochener
Wuth dauerten diese Greuel fort, bis endlich
Rauch und Flammen der Raubsucht Grenzen setz-
ten. Um die Verwirrung zu vermehren und den
Widerstand der Bürger zu brechen, hatte man
gleich anfangs an verschiednen Orten Feuer ange-
legt. Jetzt erhob sich ein Sturmwind, der die
Flammen mit reißender Schnelligkeit durch die
ganze Stadt verbreitete und den Brand allgemein
machte. Fürchterlich war das Gedränge durch
Qualm und Leichen, durch gezuckte Schwerdter,
durch stürzende Trümmer, durch das strömende
Blut. Die Atmosphäre kochte, und die uner-
trägliche Glut zwang endlich selbst diese Würger,
sich in das Lager zu flüchten. Jn weniger als
zwölf Stunden lag diese volkreiche, feste, große
Stadt, eine der schönsten Deutschlands, in der
Asche, zwey Kirchen und einige Hütten ausge-
nommen.

Stehe

gnuͤgten ſich, Kinder in die Flammen zu werfen
Pappenheims Wallonen, Saͤuglinge an den
Bruͤſten ihrer Muͤtter zu ſpießen. Einige ligiſti-
ſche Officiere von dieſem grauſenvollen Anblick em-
poͤrt, unterſtanden ſich, den Grafen Tilly zu
erinnern, daß er dem Blutbad moͤchte Einhalt
thun laſſen. „Kommt in einer Stunde wieder,
war ſeine Antwort, ich werde dann ſehen, was ich
thun werde; der Soldat muß fuͤr ſeine Gefahr
und Arbeit etwas haben.„ Jn ununterbrochener
Wuth dauerten dieſe Greuel fort, bis endlich
Rauch und Flammen der Raubſucht Grenzen ſetz-
ten. Um die Verwirrung zu vermehren und den
Widerſtand der Buͤrger zu brechen, hatte man
gleich anfangs an verſchiednen Orten Feuer ange-
legt. Jetzt erhob ſich ein Sturmwind, der die
Flammen mit reißender Schnelligkeit durch die
ganze Stadt verbreitete und den Brand allgemein
machte. Fuͤrchterlich war das Gedraͤnge durch
Qualm und Leichen, durch gezuckte Schwerdter,
durch ſtuͤrzende Truͤmmer, durch das ſtroͤmende
Blut. Die Atmoſphaͤre kochte, und die uner-
traͤgliche Glut zwang endlich ſelbſt dieſe Wuͤrger,
ſich in das Lager zu fluͤchten. Jn weniger als
zwoͤlf Stunden lag dieſe volkreiche, feſte, große
Stadt, eine der ſchoͤnſten Deutſchlands, in der
Aſche, zwey Kirchen und einige Huͤtten ausge-
nommen.

Stehe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0355" n="639"/>
gnu&#x0364;gten &#x017F;ich, Kinder in die Flammen zu werfen<lb/>
&#x2014; <hi rendition="#b">Pappenheims</hi> Wallonen, Sa&#x0364;uglinge an den<lb/>
Bru&#x0364;&#x017F;ten ihrer Mu&#x0364;tter zu &#x017F;pießen. Einige ligi&#x017F;ti-<lb/>
&#x017F;che Officiere von die&#x017F;em grau&#x017F;envollen Anblick em-<lb/>
po&#x0364;rt, unter&#x017F;tanden &#x017F;ich, den Grafen <hi rendition="#b">Tilly</hi> zu<lb/>
erinnern, daß er dem Blutbad mo&#x0364;chte Einhalt<lb/>
thun la&#x017F;&#x017F;en. &#x201E;Kommt in einer Stunde wieder,<lb/>
war &#x017F;eine Antwort, ich werde dann &#x017F;ehen, was ich<lb/>
thun werde; der Soldat muß fu&#x0364;r &#x017F;eine Gefahr<lb/>
und Arbeit etwas haben.&#x201E; Jn ununterbrochener<lb/>
Wuth dauerten die&#x017F;e Greuel fort, bis endlich<lb/>
Rauch und Flammen der Raub&#x017F;ucht Grenzen &#x017F;etz-<lb/>
ten. Um die Verwirrung zu vermehren und den<lb/>
Wider&#x017F;tand der Bu&#x0364;rger zu brechen, hatte man<lb/>
gleich anfangs an ver&#x017F;chiednen Orten Feuer ange-<lb/>
legt. Jetzt erhob &#x017F;ich ein Sturmwind, der die<lb/>
Flammen mit reißender Schnelligkeit durch die<lb/>
ganze Stadt verbreitete und den Brand allgemein<lb/>
machte. Fu&#x0364;rchterlich war das Gedra&#x0364;nge durch<lb/>
Qualm und Leichen, durch gezuckte Schwerdter,<lb/>
durch &#x017F;tu&#x0364;rzende Tru&#x0364;mmer, durch das &#x017F;tro&#x0364;mende<lb/>
Blut. Die Atmo&#x017F;pha&#x0364;re kochte, und die uner-<lb/>
tra&#x0364;gliche Glut zwang endlich &#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;e Wu&#x0364;rger,<lb/>
&#x017F;ich in das Lager zu flu&#x0364;chten. Jn weniger als<lb/>
zwo&#x0364;lf Stunden lag die&#x017F;e volkreiche, fe&#x017F;te, große<lb/>
Stadt, eine der &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Deut&#x017F;chlands, in der<lb/>
A&#x017F;che, zwey Kirchen und einige Hu&#x0364;tten ausge-<lb/>
nommen.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Stehe</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[639/0355] gnuͤgten ſich, Kinder in die Flammen zu werfen — Pappenheims Wallonen, Saͤuglinge an den Bruͤſten ihrer Muͤtter zu ſpießen. Einige ligiſti- ſche Officiere von dieſem grauſenvollen Anblick em- poͤrt, unterſtanden ſich, den Grafen Tilly zu erinnern, daß er dem Blutbad moͤchte Einhalt thun laſſen. „Kommt in einer Stunde wieder, war ſeine Antwort, ich werde dann ſehen, was ich thun werde; der Soldat muß fuͤr ſeine Gefahr und Arbeit etwas haben.„ Jn ununterbrochener Wuth dauerten dieſe Greuel fort, bis endlich Rauch und Flammen der Raubſucht Grenzen ſetz- ten. Um die Verwirrung zu vermehren und den Widerſtand der Buͤrger zu brechen, hatte man gleich anfangs an verſchiednen Orten Feuer ange- legt. Jetzt erhob ſich ein Sturmwind, der die Flammen mit reißender Schnelligkeit durch die ganze Stadt verbreitete und den Brand allgemein machte. Fuͤrchterlich war das Gedraͤnge durch Qualm und Leichen, durch gezuckte Schwerdter, durch ſtuͤrzende Truͤmmer, durch das ſtroͤmende Blut. Die Atmoſphaͤre kochte, und die uner- traͤgliche Glut zwang endlich ſelbſt dieſe Wuͤrger, ſich in das Lager zu fluͤchten. Jn weniger als zwoͤlf Stunden lag dieſe volkreiche, feſte, große Stadt, eine der ſchoͤnſten Deutſchlands, in der Aſche, zwey Kirchen und einige Huͤtten ausge- nommen. Stehe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/355
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/355>, abgerufen am 19.04.2024.