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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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Wenn die Freude aus der Befreyung von
einem Uebel entspringt, heißt sie Fröhlichkeit.
So ist der Knabe froh, wenn sein Zuchtmeister
sich entfernt hat, und der Genesete fröhlich, daß
sich seine Krankheit geendigt hat. Bricht die
Fröhlichkeit in laute, schreyende Aeußerungen
aus, so heißt sie Frohlocken; so wie die lermen-
de Bezeugung der Freude, Jauchzen genannt
wird. Die Fröhlichkeit wird in Frohlocken, und
die Freude in Jauchzen vornemlich dann überge-
hen, wenn dem Fröhlichen und Freudigen darum
zu thun ist, Andern seine Freude zu verkündigen.
Der, welcher sich endlich vor den Nachstellungen
des Andern gesichert hat, frohlockt, und das
Heer jauchzt, wenn es über den Feind den Sieg
erhalten hat.

Jm höchsten Grade der Freude, wo alle
Seelenkräfte einzig und fest an die Freudengedan-
ken gefesselt sind, überläßt man sich entweder ganz
dem Genuß der Freude, oder allen Reizen zur
Thätigkeit, welche sie in sich schließt. Jenes,
welches ich Entzücken nenne, wird sich bey wei-
chen, zärtlichen, schwärmerischen Personen, oder
wenn der Gegenstand den innigsten Neigungen
des Herzens und den Schwärmereyen der Phantasie
angehört, zeigen; dieses, welches man Jubel
nennen könnte, bey muthigen, thätigen, lebhaf-
ten Personen, und wenn die Freude von der äu-

ßern

Wenn die Freude aus der Befreyung von
einem Uebel entſpringt, heißt ſie Froͤhlichkeit.
So iſt der Knabe froh, wenn ſein Zuchtmeiſter
ſich entfernt hat, und der Geneſete froͤhlich, daß
ſich ſeine Krankheit geendigt hat. Bricht die
Froͤhlichkeit in laute, ſchreyende Aeußerungen
aus, ſo heißt ſie Frohlocken; ſo wie die lermen-
de Bezeugung der Freude, Jauchzen genannt
wird. Die Froͤhlichkeit wird in Frohlocken, und
die Freude in Jauchzen vornemlich dann uͤberge-
hen, wenn dem Froͤhlichen und Freudigen darum
zu thun iſt, Andern ſeine Freude zu verkuͤndigen.
Der, welcher ſich endlich vor den Nachſtellungen
des Andern geſichert hat, frohlockt, und das
Heer jauchzt, wenn es uͤber den Feind den Sieg
erhalten hat.

Jm hoͤchſten Grade der Freude, wo alle
Seelenkraͤfte einzig und feſt an die Freudengedan-
ken gefeſſelt ſind, uͤberlaͤßt man ſich entweder ganz
dem Genuß der Freude, oder allen Reizen zur
Thaͤtigkeit, welche ſie in ſich ſchließt. Jenes,
welches ich Entzuͤcken nenne, wird ſich bey wei-
chen, zaͤrtlichen, ſchwaͤrmeriſchen Perſonen, oder
wenn der Gegenſtand den innigſten Neigungen
des Herzens und den Schwaͤrmereyen der Phantaſie
angehoͤrt, zeigen; dieſes, welches man Jubel
nennen koͤnnte, bey muthigen, thaͤtigen, lebhaf-
ten Perſonen, und wenn die Freude von der aͤu-

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[602/0318] Wenn die Freude aus der Befreyung von einem Uebel entſpringt, heißt ſie Froͤhlichkeit. So iſt der Knabe froh, wenn ſein Zuchtmeiſter ſich entfernt hat, und der Geneſete froͤhlich, daß ſich ſeine Krankheit geendigt hat. Bricht die Froͤhlichkeit in laute, ſchreyende Aeußerungen aus, ſo heißt ſie Frohlocken; ſo wie die lermen- de Bezeugung der Freude, Jauchzen genannt wird. Die Froͤhlichkeit wird in Frohlocken, und die Freude in Jauchzen vornemlich dann uͤberge- hen, wenn dem Froͤhlichen und Freudigen darum zu thun iſt, Andern ſeine Freude zu verkuͤndigen. Der, welcher ſich endlich vor den Nachſtellungen des Andern geſichert hat, frohlockt, und das Heer jauchzt, wenn es uͤber den Feind den Sieg erhalten hat. Jm hoͤchſten Grade der Freude, wo alle Seelenkraͤfte einzig und feſt an die Freudengedan- ken gefeſſelt ſind, uͤberlaͤßt man ſich entweder ganz dem Genuß der Freude, oder allen Reizen zur Thaͤtigkeit, welche ſie in ſich ſchließt. Jenes, welches ich Entzuͤcken nenne, wird ſich bey wei- chen, zaͤrtlichen, ſchwaͤrmeriſchen Perſonen, oder wenn der Gegenſtand den innigſten Neigungen des Herzens und den Schwaͤrmereyen der Phantaſie angehoͤrt, zeigen; dieſes, welches man Jubel nennen koͤnnte, bey muthigen, thaͤtigen, lebhaf- ten Perſonen, und wenn die Freude von der aͤu- ßern

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 602. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/318>, abgerufen am 25.04.2024.