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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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höchste ist die, welche aus dem Bewußtseyn guter
Thaten quillt: denn in ihr vereinigt sich die Ver-
nunft mit den süßen Bewegungen des Herzens,
und heiligt sie durch ihren Beyfall.

Die Aeußerungen der Freude modificiren sich
nach der Ursache derselben. Edel und schön sind
sie, wenn der Geist, der in ihnen lebt, Tugend,
Liebe und Menschlichkeit athmet: hoffärtig und
minder gefallend ist die Freude des Stolzen; klein
und widrig die Freude des Geizigen; Abscheu er-
regend die des Neidischen.

Freude giebt Muth und Zutrauen zu allen
Menschen. Weil man in den Momenten der
Freude nur mit seinen Gefühlen beschäftigt ist,
und diese so leicht, so frey, so harmonisch sind:
weil man alles von der leichten, gefallenden Sei-
te sieht; so ist kein Projekt, kein Plan, so schwie-
rig und groß, daß die Ausführung desselben nicht
möglich scheinen sollte. Man merke auf die Hand-
lungen der Freudigen. Fühlt nicht der Feige
selbst sich in der Freude zum Widerstande geschickt?
drückt nicht der Feind den Feind selbst, der Un-
bekannte den Unbekannten mit Wärme und Herz-
lichkeit an sich? War nicht sogar ein Mädchen
mit unter dem Haufen, der die Bastille stürmte?*)
Vornemlich bricht die Freude in solche Handlun-
gen aus, welche den Wunsch, sich in dieser süßen

Stim-
*) Schulz Gesch. der gr. Revolution. S. 150. Anm.
Pp 4

hoͤchſte iſt die, welche aus dem Bewußtſeyn guter
Thaten quillt: denn in ihr vereinigt ſich die Ver-
nunft mit den ſuͤßen Bewegungen des Herzens,
und heiligt ſie durch ihren Beyfall.

Die Aeußerungen der Freude modificiren ſich
nach der Urſache derſelben. Edel und ſchoͤn ſind
ſie, wenn der Geiſt, der in ihnen lebt, Tugend,
Liebe und Menſchlichkeit athmet: hoffaͤrtig und
minder gefallend iſt die Freude des Stolzen; klein
und widrig die Freude des Geizigen; Abſcheu er-
regend die des Neidiſchen.

Freude giebt Muth und Zutrauen zu allen
Menſchen. Weil man in den Momenten der
Freude nur mit ſeinen Gefuͤhlen beſchaͤftigt iſt,
und dieſe ſo leicht, ſo frey, ſo harmoniſch ſind:
weil man alles von der leichten, gefallenden Sei-
te ſieht; ſo iſt kein Projekt, kein Plan, ſo ſchwie-
rig und groß, daß die Ausfuͤhrung deſſelben nicht
moͤglich ſcheinen ſollte. Man merke auf die Hand-
lungen der Freudigen. Fuͤhlt nicht der Feige
ſelbſt ſich in der Freude zum Widerſtande geſchickt?
druͤckt nicht der Feind den Feind ſelbſt, der Un-
bekannte den Unbekannten mit Waͤrme und Herz-
lichkeit an ſich? War nicht ſogar ein Maͤdchen
mit unter dem Haufen, der die Baſtille ſtuͤrmte?*)
Vornemlich bricht die Freude in ſolche Handlun-
gen aus, welche den Wunſch, ſich in dieſer ſuͤßen

Stim-
*) Schulz Geſch. der gr. Revolution. S. 150. Anm.
Pp 4
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[599/0315] hoͤchſte iſt die, welche aus dem Bewußtſeyn guter Thaten quillt: denn in ihr vereinigt ſich die Ver- nunft mit den ſuͤßen Bewegungen des Herzens, und heiligt ſie durch ihren Beyfall. Die Aeußerungen der Freude modificiren ſich nach der Urſache derſelben. Edel und ſchoͤn ſind ſie, wenn der Geiſt, der in ihnen lebt, Tugend, Liebe und Menſchlichkeit athmet: hoffaͤrtig und minder gefallend iſt die Freude des Stolzen; klein und widrig die Freude des Geizigen; Abſcheu er- regend die des Neidiſchen. Freude giebt Muth und Zutrauen zu allen Menſchen. Weil man in den Momenten der Freude nur mit ſeinen Gefuͤhlen beſchaͤftigt iſt, und dieſe ſo leicht, ſo frey, ſo harmoniſch ſind: weil man alles von der leichten, gefallenden Sei- te ſieht; ſo iſt kein Projekt, kein Plan, ſo ſchwie- rig und groß, daß die Ausfuͤhrung deſſelben nicht moͤglich ſcheinen ſollte. Man merke auf die Hand- lungen der Freudigen. Fuͤhlt nicht der Feige ſelbſt ſich in der Freude zum Widerſtande geſchickt? druͤckt nicht der Feind den Feind ſelbſt, der Un- bekannte den Unbekannten mit Waͤrme und Herz- lichkeit an ſich? War nicht ſogar ein Maͤdchen mit unter dem Haufen, der die Baſtille ſtuͤrmte? *) Vornemlich bricht die Freude in ſolche Handlun- gen aus, welche den Wunſch, ſich in dieſer ſuͤßen Stim- *) Schulz Geſch. der gr. Revolution. S. 150. Anm. Pp 4

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/315>, abgerufen am 25.04.2024.