Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwanzigste Unterhaltung.
Ueber die
Liebe der Blutsverwandten.

Was könnte sich nach dieser Ueberschrift meiner
Phantasie wohl eher vergegenwärtigen, als das
Bild der Elternliebe?

Sanftes Bild der Elternliebe! das meine
Einbildungskraft bezaubert und mein Herz ent-
zückt, welche sterbliche Hand kann dich nachzeich-
nen? -- Wo ist in der Natur ein rührenderer
Anblick, als Der einer Mutter, die ihr Kind
mit zärtlicher Jnbrunst an ihren Busen drückt,
als Der eines Vaters, der mit liebevoller Herz-
lichkeit seinen Sohn und seine Tochter segnet? O
Väter und Mütter, die ihr fühlt, wie glückselig
seyd ihr! Duldet gern die Arbeit und Mühe der
Bildung und Erziehung, denn ihr findet ja über-
schwenglichen Lohn in der Liebe zu Euren Kin-
dern! --

Schon ein natürlicher Jnstinkt kettet die Thie-
re an ihre Kinder: bey den Menschen giebt diesem
Triebe der Natur der Gedanke, daß die Kin-
der aus den Eltern entsprungen, ein Theil von
ihnen sind, neuen Reiz und volleres Leben. Selbst
die mühvolle Sorgfalt, mit welcher Vater und

Mutter
Zwanzigſte Unterhaltung.
Ueber die
Liebe der Blutsverwandten.

Was koͤnnte ſich nach dieſer Ueberſchrift meiner
Phantaſie wohl eher vergegenwaͤrtigen, als das
Bild der Elternliebe?

Sanftes Bild der Elternliebe! das meine
Einbildungskraft bezaubert und mein Herz ent-
zuͤckt, welche ſterbliche Hand kann dich nachzeich-
nen? — Wo iſt in der Natur ein ruͤhrenderer
Anblick, als Der einer Mutter, die ihr Kind
mit zaͤrtlicher Jnbrunſt an ihren Buſen druͤckt,
als Der eines Vaters, der mit liebevoller Herz-
lichkeit ſeinen Sohn und ſeine Tochter ſegnet? O
Vaͤter und Muͤtter, die ihr fuͤhlt, wie gluͤckſelig
ſeyd ihr! Duldet gern die Arbeit und Muͤhe der
Bildung und Erziehung, denn ihr findet ja uͤber-
ſchwenglichen Lohn in der Liebe zu Euren Kin-
dern! —

Schon ein natuͤrlicher Jnſtinkt kettet die Thie-
re an ihre Kinder: bey den Menſchen giebt dieſem
Triebe der Natur der Gedanke, daß die Kin-
der aus den Eltern entſprungen, ein Theil von
ihnen ſind, neuen Reiz und volleres Leben. Selbſt
die muͤhvolle Sorgfalt, mit welcher Vater und

Mutter
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0273" n="557"/>
      <div n="1">
        <head>Zwanzig&#x017F;te Unterhaltung.<lb/>
Ueber die<lb/><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Liebe der Blutsverwandten</hi>.</hi></head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">W</hi>as ko&#x0364;nnte &#x017F;ich nach die&#x017F;er Ueber&#x017F;chrift meiner<lb/>
Phanta&#x017F;ie wohl eher vergegenwa&#x0364;rtigen, als das<lb/>
Bild der <hi rendition="#b">Elternliebe</hi>?</p><lb/>
        <p>Sanftes Bild der Elternliebe! das meine<lb/>
Einbildungskraft bezaubert und mein Herz ent-<lb/>
zu&#x0364;ckt, welche &#x017F;terbliche Hand kann dich nachzeich-<lb/>
nen? &#x2014; Wo i&#x017F;t in der Natur ein ru&#x0364;hrenderer<lb/>
Anblick, als Der einer Mutter, die ihr Kind<lb/>
mit za&#x0364;rtlicher Jnbrun&#x017F;t an ihren Bu&#x017F;en dru&#x0364;ckt,<lb/>
als Der eines Vaters, der mit liebevoller Herz-<lb/>
lichkeit &#x017F;einen Sohn und &#x017F;eine Tochter &#x017F;egnet? O<lb/>
Va&#x0364;ter und Mu&#x0364;tter, die ihr fu&#x0364;hlt, wie glu&#x0364;ck&#x017F;elig<lb/>
&#x017F;eyd ihr! Duldet gern die Arbeit und Mu&#x0364;he der<lb/>
Bildung und Erziehung, denn ihr findet ja u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;chwenglichen Lohn in der Liebe zu Euren Kin-<lb/>
dern! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Schon ein natu&#x0364;rlicher Jn&#x017F;tinkt kettet die Thie-<lb/>
re an ihre Kinder: bey den Men&#x017F;chen giebt die&#x017F;em<lb/>
Triebe der Natur der <hi rendition="#b">Gedanke</hi>, daß die Kin-<lb/>
der aus den Eltern ent&#x017F;prungen, ein Theil von<lb/>
ihnen &#x017F;ind, neuen Reiz und volleres Leben. Selb&#x017F;t<lb/>
die mu&#x0364;hvolle Sorgfalt, mit welcher Vater und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Mutter</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[557/0273] Zwanzigſte Unterhaltung. Ueber die Liebe der Blutsverwandten. Was koͤnnte ſich nach dieſer Ueberſchrift meiner Phantaſie wohl eher vergegenwaͤrtigen, als das Bild der Elternliebe? Sanftes Bild der Elternliebe! das meine Einbildungskraft bezaubert und mein Herz ent- zuͤckt, welche ſterbliche Hand kann dich nachzeich- nen? — Wo iſt in der Natur ein ruͤhrenderer Anblick, als Der einer Mutter, die ihr Kind mit zaͤrtlicher Jnbrunſt an ihren Buſen druͤckt, als Der eines Vaters, der mit liebevoller Herz- lichkeit ſeinen Sohn und ſeine Tochter ſegnet? O Vaͤter und Muͤtter, die ihr fuͤhlt, wie gluͤckſelig ſeyd ihr! Duldet gern die Arbeit und Muͤhe der Bildung und Erziehung, denn ihr findet ja uͤber- ſchwenglichen Lohn in der Liebe zu Euren Kin- dern! — Schon ein natuͤrlicher Jnſtinkt kettet die Thie- re an ihre Kinder: bey den Menſchen giebt dieſem Triebe der Natur der Gedanke, daß die Kin- der aus den Eltern entſprungen, ein Theil von ihnen ſind, neuen Reiz und volleres Leben. Selbſt die muͤhvolle Sorgfalt, mit welcher Vater und Mutter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/273
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/273>, abgerufen am 28.03.2024.