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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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rung man wolle, und er wird mit Freuden die
Forderung erfüllen, wenn es nur für die Liebe
gilt. Zweymal will Horaz für seine Lydia ster-
ben, und Pylades der Freund seines Orestes
seyn, wenn auch die Götter ihn hassen, die Men-
schen ihn fliehen. Es ist ein göttliches Schau-
spiel, sagt Seneca, wenn der Mann mit dem
Unglück kämpft: es ist das göttlichste Schau-
spiel, wenn die Großmuth der Liebenden wettey-
fert, Damon für den Pythias, dieser für jenen
sich aufopfern will, und Jonathan einem Thro-
ne mit Freuden entsagt, um seines Davids
Freundschaft zu genießen. -- Gering, nichts
achtet diese Großmuth der Liebe, das, was sie
für den Geliebten that, litte, aufopferte: denn
das, wofür sie that und litte und aufopferte, ist
größer, als alles. -- Mich, sagt Amande,
die eine Krone, einen Vater, und alles, was
reizen kann, für ihren Ritter verließ,

Mich kostet's nichts von allem mich zu
scheiden,
Was ich besaß; mein Herz und Deine Lieb'
ersetzt
Mir alles; und, so tief das Glück herab mich
setzt,
Bleibst Du mir nur, so werd' ich keine neiden,
Die sich durch Gold und Purpur glücklich
schätzt.
Nur,

rung man wolle, und er wird mit Freuden die
Forderung erfuͤllen, wenn es nur fuͤr die Liebe
gilt. Zweymal will Horaz fuͤr ſeine Lydia ſter-
ben, und Pylades der Freund ſeines Oreſtes
ſeyn, wenn auch die Goͤtter ihn haſſen, die Men-
ſchen ihn fliehen. Es iſt ein goͤttliches Schau-
ſpiel, ſagt Seneca, wenn der Mann mit dem
Ungluͤck kaͤmpft: es iſt das goͤttlichſte Schau-
ſpiel, wenn die Großmuth der Liebenden wettey-
fert, Damon fuͤr den Pythias, dieſer fuͤr jenen
ſich aufopfern will, und Jonathan einem Thro-
ne mit Freuden entſagt, um ſeines Davids
Freundſchaft zu genießen. — Gering, nichts
achtet dieſe Großmuth der Liebe, das, was ſie
fuͤr den Geliebten that, litte, aufopferte: denn
das, wofuͤr ſie that und litte und aufopferte, iſt
groͤßer, als alles. — Mich, ſagt Amande,
die eine Krone, einen Vater, und alles, was
reizen kann, fuͤr ihren Ritter verließ,

Mich koſtet's nichts von allem mich zu
ſcheiden,
Was ich beſaß; mein Herz und Deine Lieb'
erſetzt
Mir alles; und, ſo tief das Gluͤck herab mich
ſetzt,
Bleibſt Du mir nur, ſo werd' ich keine neiden,
Die ſich durch Gold und Purpur gluͤcklich
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Nur,
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[539/0255] rung man wolle, und er wird mit Freuden die Forderung erfuͤllen, wenn es nur fuͤr die Liebe gilt. Zweymal will Horaz fuͤr ſeine Lydia ſter- ben, und Pylades der Freund ſeines Oreſtes ſeyn, wenn auch die Goͤtter ihn haſſen, die Men- ſchen ihn fliehen. Es iſt ein goͤttliches Schau- ſpiel, ſagt Seneca, wenn der Mann mit dem Ungluͤck kaͤmpft: es iſt das goͤttlichſte Schau- ſpiel, wenn die Großmuth der Liebenden wettey- fert, Damon fuͤr den Pythias, dieſer fuͤr jenen ſich aufopfern will, und Jonathan einem Thro- ne mit Freuden entſagt, um ſeines Davids Freundſchaft zu genießen. — Gering, nichts achtet dieſe Großmuth der Liebe, das, was ſie fuͤr den Geliebten that, litte, aufopferte: denn das, wofuͤr ſie that und litte und aufopferte, iſt groͤßer, als alles. — Mich, ſagt Amande, die eine Krone, einen Vater, und alles, was reizen kann, fuͤr ihren Ritter verließ, Mich koſtet's nichts von allem mich zu ſcheiden, Was ich beſaß; mein Herz und Deine Lieb' erſetzt Mir alles; und, ſo tief das Gluͤck herab mich ſetzt, Bleibſt Du mir nur, ſo werd' ich keine neiden, Die ſich durch Gold und Purpur gluͤcklich ſchaͤtzt. Nur,

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/255>, abgerufen am 29.03.2024.