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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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der Willensbestimmung. Wer leicht zu etwas
bestimmt werden könnte, wenn Veranlassung da-
zu vorkäme, dem eignet man einen Hang zu
etwas zu. Wer nicht nur leicht zu etwas be-
stimmt werden könnte; sondern schon wirklich be-
stimmt ist, hat Neigung dazu, und wer sich
heftig bestrebt, zum Genuß dessen zu gelangen,
was seine Neigung an sich zog, Begierde.

So könnte man demjenigen, den man aus
andern Beobachtungen als einen Gewinnsüchtigen,
oder einen solchen, der Hin- und Herbewegungen
des Herzens zwischen Furcht und Hofnung liebt,
kennen lernte, Hang zum Spiele beylegen; weil
er, wenn er gleich noch niemals gespielt hat, doch
leicht dazu bestimmt werden kann, da er seine
Rechnung dabey findet. Neigung zum Spiele
würde derjenige haben, welcher entweder selbst
schon mit Vergnügen gespielt hat, oder doch, durch
Andre mit der Beschaffenheit des Spiels bekannt
gemacht, gern einmal spielen möchte. Wer end-
lich keine Gelegenheit zum Spiel vorübergehn
läßt, ja selbst Gelegenheit dazu machen sucht,
und Weib und Kind, und Amt und Pflicht ver-
gessen kann, wenn das Spiel ihn reizt, der hat
Begierde zum Spiel.

Derjenige Zustand, in welchem die freye,
vernünftige Thätigkeitskraft der Seele den Rei-
zungen der Begierde unterliegt, und der Mensch

sich
U


der Willensbeſtimmung. Wer leicht zu etwas
beſtimmt werden koͤnnte, wenn Veranlaſſung da-
zu vorkaͤme, dem eignet man einen Hang zu
etwas zu. Wer nicht nur leicht zu etwas be-
ſtimmt werden koͤnnte; ſondern ſchon wirklich be-
ſtimmt iſt, hat Neigung dazu, und wer ſich
heftig beſtrebt, zum Genuß deſſen zu gelangen,
was ſeine Neigung an ſich zog, Begierde.

So koͤnnte man demjenigen, den man aus
andern Beobachtungen als einen Gewinnſuͤchtigen,
oder einen ſolchen, der Hin- und Herbewegungen
des Herzens zwiſchen Furcht und Hofnung liebt,
kennen lernte, Hang zum Spiele beylegen; weil
er, wenn er gleich noch niemals geſpielt hat, doch
leicht dazu beſtimmt werden kann, da er ſeine
Rechnung dabey findet. Neigung zum Spiele
wuͤrde derjenige haben, welcher entweder ſelbſt
ſchon mit Vergnuͤgen geſpielt hat, oder doch, durch
Andre mit der Beſchaffenheit des Spiels bekannt
gemacht, gern einmal ſpielen moͤchte. Wer end-
lich keine Gelegenheit zum Spiel voruͤbergehn
laͤßt, ja ſelbſt Gelegenheit dazu machen ſucht,
und Weib und Kind, und Amt und Pflicht ver-
geſſen kann, wenn das Spiel ihn reizt, der hat
Begierde zum Spiel.

Derjenige Zuſtand, in welchem die freye,
vernuͤnftige Thaͤtigkeitskraft der Seele den Rei-
zungen der Begierde unterliegt, und der Menſch

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[305/0021] der Willensbeſtimmung. Wer leicht zu etwas beſtimmt werden koͤnnte, wenn Veranlaſſung da- zu vorkaͤme, dem eignet man einen Hang zu etwas zu. Wer nicht nur leicht zu etwas be- ſtimmt werden koͤnnte; ſondern ſchon wirklich be- ſtimmt iſt, hat Neigung dazu, und wer ſich heftig beſtrebt, zum Genuß deſſen zu gelangen, was ſeine Neigung an ſich zog, Begierde. So koͤnnte man demjenigen, den man aus andern Beobachtungen als einen Gewinnſuͤchtigen, oder einen ſolchen, der Hin- und Herbewegungen des Herzens zwiſchen Furcht und Hofnung liebt, kennen lernte, Hang zum Spiele beylegen; weil er, wenn er gleich noch niemals geſpielt hat, doch leicht dazu beſtimmt werden kann, da er ſeine Rechnung dabey findet. Neigung zum Spiele wuͤrde derjenige haben, welcher entweder ſelbſt ſchon mit Vergnuͤgen geſpielt hat, oder doch, durch Andre mit der Beſchaffenheit des Spiels bekannt gemacht, gern einmal ſpielen moͤchte. Wer end- lich keine Gelegenheit zum Spiel voruͤbergehn laͤßt, ja ſelbſt Gelegenheit dazu machen ſucht, und Weib und Kind, und Amt und Pflicht ver- geſſen kann, wenn das Spiel ihn reizt, der hat Begierde zum Spiel. Derjenige Zuſtand, in welchem die freye, vernuͤnftige Thaͤtigkeitskraft der Seele den Rei- zungen der Begierde unterliegt, und der Menſch ſich U

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/21>, abgerufen am 28.03.2024.