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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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Jedes Geräusch erschreckt ihn, und wenn auch
nichts rauscht, gaukelt seine Phantasie ihm doch
ein Getöse vor, und setzt ihn in Schrecken. Keine
Sentenz ist in seiner Vorstellung wahrer, als die,
welche zur Sparsamkeit auffordert. Als Valer
beym Moliere zum Harpagon sagt*): Il faut
que la frugalite regne dans les repas qu'on
donne & que suivant le dire d'une Ancien:
Il faut manger pour vivre & non pas vivre,
pour manger,
antwortete dieser sehr erfreut: Ah
que cela est bien dit! Aproche, que je t'em-
brasse pour ce mot. Voila la plus belle sen-
tence, que j'aie entendue de ma vie. -- --
Souviens-roi de m'ecrire ces mots. Je les
veux faire graver en lettres d'or sur la chemi-
nee de ma salle
**). Kein Gedanke ist ihm
fürchterlicher, als der an den Tod; denn er hat

keine
*) Mäßigkeit herrsche bey unserm Tische, und wie ein
alter Weiser sagt, man esse, um zu leben, und lebe
nicht, um zu essen. --
Ach, wie schön ist dies gesagt! Komm, daß
ich dich umarme, für diese Worte. Dies ist der
schönste Ausspruch den ich je gehört habe. -- Ver-
giß nicht, mir diese Worte aufzuschreiben. Mit
goldnen Buchstaben will ich sie in die Kaminwand
meines Saales eingraben lassen.
**) l'Avare, Acte 3. Scene 1.
Hh 2

Jedes Geraͤuſch erſchreckt ihn, und wenn auch
nichts rauſcht, gaukelt ſeine Phantaſie ihm doch
ein Getoͤſe vor, und ſetzt ihn in Schrecken. Keine
Sentenz iſt in ſeiner Vorſtellung wahrer, als die,
welche zur Sparſamkeit auffordert. Als Valer
beym Moliere zum Harpagon ſagt*): Il faut
que la frugalité regne dans les repas qu'on
donne & que ſuivant le dire d'une Ancien:
Il faut manger pour vivre & non pas vivre,
pour manger,
antwortete dieſer ſehr erfreut: Ah
que cela eſt bien dit! Aproche, que je t'em-
braſſe pour ce mot. Voila la plus belle ſen-
tence, que j'aie entendue de ma vie. — —
Souviens-roi de m'ecrire ces mots. Je les
veux faire graver en lettres d'or ſur la chemi-
née de ma ſalle
**). Kein Gedanke iſt ihm
fuͤrchterlicher, als der an den Tod; denn er hat

keine
*) Maͤßigkeit herrſche bey unſerm Tiſche, und wie ein
alter Weiſer ſagt, man eſſe, um zu leben, und lebe
nicht, um zu eſſen. —
Ach, wie ſchoͤn iſt dies geſagt! Komm, daß
ich dich umarme, fuͤr dieſe Worte. Dies iſt der
ſchoͤnſte Ausſpruch den ich je gehoͤrt habe. — Ver-
giß nicht, mir dieſe Worte aufzuſchreiben. Mit
goldnen Buchſtaben will ich ſie in die Kaminwand
meines Saales eingraben laſſen.
**) l'Avare, Acte 3. Scene 1.
Hh 2
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[483/0199] Jedes Geraͤuſch erſchreckt ihn, und wenn auch nichts rauſcht, gaukelt ſeine Phantaſie ihm doch ein Getoͤſe vor, und ſetzt ihn in Schrecken. Keine Sentenz iſt in ſeiner Vorſtellung wahrer, als die, welche zur Sparſamkeit auffordert. Als Valer beym Moliere zum Harpagon ſagt *): Il faut que la frugalité regne dans les repas qu'on donne & que ſuivant le dire d'une Ancien: Il faut manger pour vivre & non pas vivre, pour manger, antwortete dieſer ſehr erfreut: Ah que cela eſt bien dit! Aproche, que je t'em- braſſe pour ce mot. Voila la plus belle ſen- tence, que j'aie entendue de ma vie. — — Souviens-roi de m'ecrire ces mots. Je les veux faire graver en lettres d'or ſur la chemi- née de ma ſalle **). Kein Gedanke iſt ihm fuͤrchterlicher, als der an den Tod; denn er hat keine *) Maͤßigkeit herrſche bey unſerm Tiſche, und wie ein alter Weiſer ſagt, man eſſe, um zu leben, und lebe nicht, um zu eſſen. — Ach, wie ſchoͤn iſt dies geſagt! Komm, daß ich dich umarme, fuͤr dieſe Worte. Dies iſt der ſchoͤnſte Ausſpruch den ich je gehoͤrt habe. — Ver- giß nicht, mir dieſe Worte aufzuſchreiben. Mit goldnen Buchſtaben will ich ſie in die Kaminwand meines Saales eingraben laſſen. **) l'Avare, Acte 3. Scene 1. Hh 2

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/199>, abgerufen am 28.03.2024.