Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Herz ist der Jnbegriff und die Quelle
der Gefühle, Neigungen und Leidenschaften, oder
mit einem Wort, der Gemüthsbewegungen des
Menschen, und schließt die Fähigkeit, seinen
eignen Zustand zu fühlen
und das Vermögen
sich für
oder wider etwas zu bestimmen, in
sich. Jene ist die Bewegerin von diesem; denn
je nachdem ich von etwas mit Lust oder Unlust
afficirt werde oder afficirt zu werden glaube, be-
stimme ich mich entweder für oder wider dasselbe
(begehre -- verabscheue). Das Gesetz, nach
welchem die Gefühlsfähigkeit bewegt wird, ist:

Alles, was irgend eine Beziehung auf mei-
nen Zustand mir vorstellt, afficirt mich
--
und um so stärker, je gegenwärtiger und wichti-
ger diese Beziehung vorgestellt wird. -- Das
allgemeine Gesetz, nach welchem das Begeh-
rungsvermögen
wirkt, ist:

Die Seele bestimmt sich für das (begehrt),
wovon sie Lust erwartet, oder wovon sie glaubt,
daß es ihren Zustand gut erhalte oder besser
mache.

Die Seele bestimmt sich wider das (ver-
abscheut), wovon sie glaubt, daß es ihr Un-
lust bringe,
oder ihren Zustand schlechter mache.

Was nun zuerst die Gefühlsfähigkeit betrift,
so wird man um so leichter afficirt werden, je
schneller man etwas in Verbindung mit seinem

eignen

Das Herz iſt der Jnbegriff und die Quelle
der Gefuͤhle, Neigungen und Leidenſchaften, oder
mit einem Wort, der Gemuͤthsbewegungen des
Menſchen, und ſchließt die Faͤhigkeit, ſeinen
eignen Zuſtand zu fuͤhlen
und das Vermoͤgen
ſich fuͤr
oder wider etwas zu beſtimmen, in
ſich. Jene iſt die Bewegerin von dieſem; denn
je nachdem ich von etwas mit Luſt oder Unluſt
afficirt werde oder afficirt zu werden glaube, be-
ſtimme ich mich entweder fuͤr oder wider daſſelbe
(begehre — verabſcheue). Das Geſetz, nach
welchem die Gefuͤhlsfaͤhigkeit bewegt wird, iſt:

Alles, was irgend eine Beziehung auf mei-
nen Zuſtand mir vorſtellt, afficirt mich

und um ſo ſtaͤrker, je gegenwaͤrtiger und wichti-
ger dieſe Beziehung vorgeſtellt wird. — Das
allgemeine Geſetz, nach welchem das Begeh-
rungsvermoͤgen
wirkt, iſt:

Die Seele beſtimmt ſich fuͤr das (begehrt),
wovon ſie Luſt erwartet, oder wovon ſie glaubt,
daß es ihren Zuſtand gut erhalte oder beſſer
mache.

Die Seele beſtimmt ſich wider das (ver-
abſcheut), wovon ſie glaubt, daß es ihr Un-
luſt bringe,
oder ihren Zuſtand ſchlechter mache.

Was nun zuerſt die Gefuͤhlsfaͤhigkeit betrift,
ſo wird man um ſo leichter afficirt werden, je
ſchneller man etwas in Verbindung mit ſeinem

eignen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0014" n="298"/>
        <p>Das <hi rendition="#b">Herz</hi> i&#x017F;t der Jnbegriff und die Quelle<lb/>
der Gefu&#x0364;hle, Neigungen und Leiden&#x017F;chaften, oder<lb/>
mit einem Wort, der <hi rendition="#b">Gemu&#x0364;thsbewegungen</hi> des<lb/>
Men&#x017F;chen, und &#x017F;chließt die <hi rendition="#b">Fa&#x0364;higkeit, &#x017F;einen<lb/>
eignen Zu&#x017F;tand zu fu&#x0364;hlen</hi> und das <hi rendition="#b">Vermo&#x0364;gen<lb/>
&#x017F;ich fu&#x0364;r</hi> oder <hi rendition="#b">wider etwas zu be&#x017F;timmen</hi>, in<lb/>
&#x017F;ich. Jene i&#x017F;t die Bewegerin von die&#x017F;em; denn<lb/>
je nachdem ich von etwas mit Lu&#x017F;t oder Unlu&#x017F;t<lb/>
afficirt werde oder afficirt zu werden glaube, be-<lb/>
&#x017F;timme ich mich entweder <hi rendition="#b">fu&#x0364;r</hi> oder <hi rendition="#b">wider</hi> da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
(begehre &#x2014; verab&#x017F;cheue). Das Ge&#x017F;etz, nach<lb/>
welchem die <hi rendition="#b">Gefu&#x0364;hlsfa&#x0364;higkeit</hi> bewegt wird, i&#x017F;t:</p><lb/>
        <p><hi rendition="#b">Alles, was irgend eine Beziehung auf mei-<lb/>
nen Zu&#x017F;tand mir vor&#x017F;tellt, afficirt mich</hi> &#x2014;<lb/>
und um &#x017F;o &#x017F;ta&#x0364;rker, je gegenwa&#x0364;rtiger und wichti-<lb/>
ger die&#x017F;e Beziehung vorge&#x017F;tellt wird. &#x2014; Das<lb/>
allgemeine Ge&#x017F;etz, nach welchem das <hi rendition="#b">Begeh-<lb/>
rungsvermo&#x0364;gen</hi> wirkt, i&#x017F;t:</p><lb/>
        <p><hi rendition="#b">Die Seele be&#x017F;timmt &#x017F;ich fu&#x0364;r das</hi> (begehrt),<lb/><hi rendition="#b">wovon &#x017F;ie Lu&#x017F;t erwartet</hi>, oder wovon &#x017F;ie glaubt,<lb/>
daß es ihren Zu&#x017F;tand gut erhalte oder be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
mache.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#b">Die Seele be&#x017F;timmt &#x017F;ich wider das</hi> (ver-<lb/>
ab&#x017F;cheut), <hi rendition="#b">wovon &#x017F;ie glaubt, daß es ihr Un-<lb/>
lu&#x017F;t bringe,</hi> oder ihren Zu&#x017F;tand &#x017F;chlechter mache.</p><lb/>
        <p>Was nun zuer&#x017F;t die Gefu&#x0364;hlsfa&#x0364;higkeit betrift,<lb/>
&#x017F;o wird man um &#x017F;o <hi rendition="#b">leichter</hi> afficirt werden, je<lb/><hi rendition="#b">&#x017F;chneller</hi> man etwas in Verbindung mit &#x017F;einem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">eignen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0014] Das Herz iſt der Jnbegriff und die Quelle der Gefuͤhle, Neigungen und Leidenſchaften, oder mit einem Wort, der Gemuͤthsbewegungen des Menſchen, und ſchließt die Faͤhigkeit, ſeinen eignen Zuſtand zu fuͤhlen und das Vermoͤgen ſich fuͤr oder wider etwas zu beſtimmen, in ſich. Jene iſt die Bewegerin von dieſem; denn je nachdem ich von etwas mit Luſt oder Unluſt afficirt werde oder afficirt zu werden glaube, be- ſtimme ich mich entweder fuͤr oder wider daſſelbe (begehre — verabſcheue). Das Geſetz, nach welchem die Gefuͤhlsfaͤhigkeit bewegt wird, iſt: Alles, was irgend eine Beziehung auf mei- nen Zuſtand mir vorſtellt, afficirt mich — und um ſo ſtaͤrker, je gegenwaͤrtiger und wichti- ger dieſe Beziehung vorgeſtellt wird. — Das allgemeine Geſetz, nach welchem das Begeh- rungsvermoͤgen wirkt, iſt: Die Seele beſtimmt ſich fuͤr das (begehrt), wovon ſie Luſt erwartet, oder wovon ſie glaubt, daß es ihren Zuſtand gut erhalte oder beſſer mache. Die Seele beſtimmt ſich wider das (ver- abſcheut), wovon ſie glaubt, daß es ihr Un- luſt bringe, oder ihren Zuſtand ſchlechter mache. Was nun zuerſt die Gefuͤhlsfaͤhigkeit betrift, ſo wird man um ſo leichter afficirt werden, je ſchneller man etwas in Verbindung mit ſeinem eignen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/14
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/14>, abgerufen am 29.03.2024.