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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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von seiner Thorheit abzuführen ist schwer, weil
er außer sich, und seines Gleichen, alle für Tho-
ren hält, und sie als Thoren bedauert.

Wenn die Meynung, welche man von sich
und seinem Werth hat, sich auf wahre Voll-
kommenheit
gründet, so ist der daraus entsprin-
gende Stolz wohl von den geschilderten Arten zu
unterscheiden, und deswegen solider Stolz zu
nennen. Soliden Stolz hat derjenige, welcher
sich wahrer, innerer Vorzüge, Vollkommenheiten
des Geistes und Herzens bewußt ist.

Seines innern Werths sich bewußt, ver-
langt dem edlen Stolz nicht nach den Beyfallsbe-
zeugungen der Menge, und wenn gleich niemand
ihn ehrte, er ehrt sich selbst und ist sich allein genug.
Aeußerer Flitter reizt ihn nicht; er will nicht
scheinen, sondern seyn. Er ist still und in sich
gezogen gegen den Unbekannten oder Unwürdigen,
aber wo er einen Mann findet, der ihm an
Werth und Würde gleicht, da öfnet er sich
ganz -- mit dem knüpft sein Herz den engsten,
festesten Bund. -- Er verschwendet seine Kraft
nicht an kleinen Gegenständen; aber wenn ihn et-
was Großes, Hohes, Aufopferung Forderndes
ruft, dann regt sich sein Eyfer und seine That-
kraft. Er hat Muth; denn er fühlt sich: kämpft
sich, ohne zu ermüden, durch Gefahren und
Schwierigkeiten, die kleine Seelen scheuen, hin-

durch;
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von ſeiner Thorheit abzufuͤhren iſt ſchwer, weil
er außer ſich, und ſeines Gleichen, alle fuͤr Tho-
ren haͤlt, und ſie als Thoren bedauert.

Wenn die Meynung, welche man von ſich
und ſeinem Werth hat, ſich auf wahre Voll-
kommenheit
gruͤndet, ſo iſt der daraus entſprin-
gende Stolz wohl von den geſchilderten Arten zu
unterſcheiden, und deswegen ſolider Stolz zu
nennen. Soliden Stolz hat derjenige, welcher
ſich wahrer, innerer Vorzuͤge, Vollkommenheiten
des Geiſtes und Herzens bewußt iſt.

Seines innern Werths ſich bewußt, ver-
langt dem edlen Stolz nicht nach den Beyfallsbe-
zeugungen der Menge, und wenn gleich niemand
ihn ehrte, er ehrt ſich ſelbſt und iſt ſich allein genug.
Aeußerer Flitter reizt ihn nicht; er will nicht
ſcheinen, ſondern ſeyn. Er iſt ſtill und in ſich
gezogen gegen den Unbekannten oder Unwuͤrdigen,
aber wo er einen Mann findet, der ihm an
Werth und Wuͤrde gleicht, da oͤfnet er ſich
ganz — mit dem knuͤpft ſein Herz den engſten,
feſteſten Bund. — Er verſchwendet ſeine Kraft
nicht an kleinen Gegenſtaͤnden; aber wenn ihn et-
was Großes, Hohes, Aufopferung Forderndes
ruft, dann regt ſich ſein Eyfer und ſeine That-
kraft. Er hat Muth; denn er fuͤhlt ſich: kaͤmpft
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Schwierigkeiten, die kleine Seelen ſcheuen, hin-

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[417/0133] von ſeiner Thorheit abzufuͤhren iſt ſchwer, weil er außer ſich, und ſeines Gleichen, alle fuͤr Tho- ren haͤlt, und ſie als Thoren bedauert. Wenn die Meynung, welche man von ſich und ſeinem Werth hat, ſich auf wahre Voll- kommenheit gruͤndet, ſo iſt der daraus entſprin- gende Stolz wohl von den geſchilderten Arten zu unterſcheiden, und deswegen ſolider Stolz zu nennen. Soliden Stolz hat derjenige, welcher ſich wahrer, innerer Vorzuͤge, Vollkommenheiten des Geiſtes und Herzens bewußt iſt. Seines innern Werths ſich bewußt, ver- langt dem edlen Stolz nicht nach den Beyfallsbe- zeugungen der Menge, und wenn gleich niemand ihn ehrte, er ehrt ſich ſelbſt und iſt ſich allein genug. Aeußerer Flitter reizt ihn nicht; er will nicht ſcheinen, ſondern ſeyn. Er iſt ſtill und in ſich gezogen gegen den Unbekannten oder Unwuͤrdigen, aber wo er einen Mann findet, der ihm an Werth und Wuͤrde gleicht, da oͤfnet er ſich ganz — mit dem knuͤpft ſein Herz den engſten, feſteſten Bund. — Er verſchwendet ſeine Kraft nicht an kleinen Gegenſtaͤnden; aber wenn ihn et- was Großes, Hohes, Aufopferung Forderndes ruft, dann regt ſich ſein Eyfer und ſeine That- kraft. Er hat Muth; denn er fuͤhlt ſich: kaͤmpft ſich, ohne zu ermuͤden, durch Gefahren und Schwierigkeiten, die kleine Seelen ſcheuen, hin- durch; Dd

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/133>, abgerufen am 28.03.2024.