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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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Sclave; denn er ist darin übler daran, als an-
dre Stolze, daß er nur in den Augen Andrer
lebt: und an sich selbst durchaus nicht genug
hat. --

Es giebt indeß eine Art von Eitlen, welche
mehr Selbstgenügsamkeit besitzen, ich meyne die
Pedanten. Diese müssen auch wohl mit sich
selber zufrieden seyn, weil das, worauf sie stolz
sind, Andern nicht nur keinen Werth zu haben,
sondern verächtlich und lächerlich zu seyn scheint.
Denn Pedanterey ist die auf geschmacklose und
veralterte Dinge gegründete, eigensinnige und
einseitige Eitelkeit. Dem Pedanten ist es so we-
nig, als andern Eiteln, um reellen Werth zu
thun. Was der Vernünftige nicht achtet, ist
ihm wichtig und unwichtig das, was vor der
Vernunft besteht. Jm gemeinen Leben ist die Pe-
danterey altfränkisches Wesen und Steifheit*)--

in
*) Sehr charakteristisch ist die Schilderung eines pe-
dantischen Dentisten in Schulz Schrift über Paris
und die Pariser, S. 369.
"Dieser Doktor hat sich das eine Ende von
der Bank einer Obsthändlerin gemiethet, wo er sei-
nen Apparat aufgepflanzt hat. Ein Kästchen, acht-
zehn Zoll lang und zehn Zoll breit, faßt alle seine
Pulver und Tinkturen, und in einem Futteral von
zerfressenem Chagrin, ruht sein Pelikan. Um das
Ganze hat er eine dreyfache Kette von ansehnlichen
Backen-

Sclave; denn er iſt darin uͤbler daran, als an-
dre Stolze, daß er nur in den Augen Andrer
lebt: und an ſich ſelbſt durchaus nicht genug
hat. —

Es giebt indeß eine Art von Eitlen, welche
mehr Selbſtgenuͤgſamkeit beſitzen, ich meyne die
Pedanten. Dieſe muͤſſen auch wohl mit ſich
ſelber zufrieden ſeyn, weil das, worauf ſie ſtolz
ſind, Andern nicht nur keinen Werth zu haben,
ſondern veraͤchtlich und laͤcherlich zu ſeyn ſcheint.
Denn Pedanterey iſt die auf geſchmackloſe und
veralterte Dinge gegruͤndete, eigenſinnige und
einſeitige Eitelkeit. Dem Pedanten iſt es ſo we-
nig, als andern Eiteln, um reellen Werth zu
thun. Was der Vernuͤnftige nicht achtet, iſt
ihm wichtig und unwichtig das, was vor der
Vernunft beſteht. Jm gemeinen Leben iſt die Pe-
danterey altfraͤnkiſches Weſen und Steifheit*)

in
*) Sehr charakteriſtiſch iſt die Schilderung eines pe-
dantiſchen Dentiſten in Schulz Schrift uͤber Paris
und die Pariſer, S. 369.
„Dieſer Doktor hat ſich das eine Ende von
der Bank einer Obſthaͤndlerin gemiethet, wo er ſei-
nen Apparat aufgepflanzt hat. Ein Kaͤſtchen, acht-
zehn Zoll lang und zehn Zoll breit, faßt alle ſeine
Pulver und Tinkturen, und in einem Futteral von
zerfreſſenem Chagrin, ruht ſein Pelikan. Um das
Ganze hat er eine dreyfache Kette von anſehnlichen
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[413/0129] Sclave; denn er iſt darin uͤbler daran, als an- dre Stolze, daß er nur in den Augen Andrer lebt: und an ſich ſelbſt durchaus nicht genug hat. — Es giebt indeß eine Art von Eitlen, welche mehr Selbſtgenuͤgſamkeit beſitzen, ich meyne die Pedanten. Dieſe muͤſſen auch wohl mit ſich ſelber zufrieden ſeyn, weil das, worauf ſie ſtolz ſind, Andern nicht nur keinen Werth zu haben, ſondern veraͤchtlich und laͤcherlich zu ſeyn ſcheint. Denn Pedanterey iſt die auf geſchmackloſe und veralterte Dinge gegruͤndete, eigenſinnige und einſeitige Eitelkeit. Dem Pedanten iſt es ſo we- nig, als andern Eiteln, um reellen Werth zu thun. Was der Vernuͤnftige nicht achtet, iſt ihm wichtig und unwichtig das, was vor der Vernunft beſteht. Jm gemeinen Leben iſt die Pe- danterey altfraͤnkiſches Weſen und Steifheit *)— in *) Sehr charakteriſtiſch iſt die Schilderung eines pe- dantiſchen Dentiſten in Schulz Schrift uͤber Paris und die Pariſer, S. 369. „Dieſer Doktor hat ſich das eine Ende von der Bank einer Obſthaͤndlerin gemiethet, wo er ſei- nen Apparat aufgepflanzt hat. Ein Kaͤſtchen, acht- zehn Zoll lang und zehn Zoll breit, faßt alle ſeine Pulver und Tinkturen, und in einem Futteral von zerfreſſenem Chagrin, ruht ſein Pelikan. Um das Ganze hat er eine dreyfache Kette von anſehnlichen Backen-

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/129>, abgerufen am 24.04.2024.