Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

es fände im Schlafe statt -- reicht über den
Schlaf hinaus: der Schlafende kann sich nicht
selbst beobachten, und ein andrer seine Vorstellun-
gen noch weniger wahrnehmen. Hernach aber
setzt diese Behauptung voraus, daß die Seele auch
ohne den Körper thätig seyn könne, welches mir
doch nicht bewiesen werden zu können scheint;*)

wenn
*) Jch folgte, wie auch in meiner angeführten Ab-
handlung bemerkt ist, in der Behauptung, daß die
Seele im Schlafe Vorstellungen, ja klarere Vorstel-
lungen, als im Wachen habe, Herrn Kant, welcher
sich in seinen Träumen eines Geistersehers erläutert
durch Träume der Metaphysik, darüber also er-
klärt. S. 49. Anmerk. "Gewisse Philosophen glau-
ben, sich ohne den mindesten besorglichen Einspruch
auf den Zustand des festen Schlafes berufen zu kön-
nen, wenn sie die Wirklichkeit dunkler Vorstellun-
gen beweisen wollen; da sich doch nichts weiter hie-
von mit Sicherheit sagen läßt, als daß wir uns im
Wachen keiner von denjenigen erinnern, die wir im
festen Schlaf etwa mochten gehabt haben, und dar-
aus nur so viel folgt, daß sie beym Erwachen nicht
klar vorgestellt worden, nicht aber, daß sie auch
damals, als wir schliefen, dunkel waren. Jch
vermuthe vielmehr, daß dieselben klarer und aus-
gebreiteter seyn mögen, als selbst die klaresten im
Wachen; weil dieses bey der völligen Ruhe äußerer
Sinne von einem so thätigen Wesen, als die Seele
ist,

es faͤnde im Schlafe ſtatt — reicht uͤber den
Schlaf hinaus: der Schlafende kann ſich nicht
ſelbſt beobachten, und ein andrer ſeine Vorſtellun-
gen noch weniger wahrnehmen. Hernach aber
ſetzt dieſe Behauptung voraus, daß die Seele auch
ohne den Koͤrper thaͤtig ſeyn koͤnne, welches mir
doch nicht bewieſen werden zu koͤnnen ſcheint;*)

wenn
*) Jch folgte, wie auch in meiner angefuͤhrten Ab-
handlung bemerkt iſt, in der Behauptung, daß die
Seele im Schlafe Vorſtellungen, ja klarere Vorſtel-
lungen, als im Wachen habe, Herrn Kant, welcher
ſich in ſeinen Traͤumen eines Geiſterſehers erlaͤutert
durch Traͤume der Metaphyſik, daruͤber alſo er-
klaͤrt. S. 49. Anmerk. „Gewiſſe Philoſophen glau-
ben, ſich ohne den mindeſten beſorglichen Einſpruch
auf den Zuſtand des feſten Schlafes berufen zu koͤn-
nen, wenn ſie die Wirklichkeit dunkler Vorſtellun-
gen beweiſen wollen; da ſich doch nichts weiter hie-
von mit Sicherheit ſagen laͤßt, als daß wir uns im
Wachen keiner von denjenigen erinnern, die wir im
feſten Schlaf etwa mochten gehabt haben, und dar-
aus nur ſo viel folgt, daß ſie beym Erwachen nicht
klar vorgeſtellt worden, nicht aber, daß ſie auch
damals, als wir ſchliefen, dunkel waren. Jch
vermuthe vielmehr, daß dieſelben klarer und aus-
gebreiteter ſeyn moͤgen, als ſelbſt die klareſten im
Wachen; weil dieſes bey der voͤlligen Ruhe aͤußerer
Sinne von einem ſo thaͤtigen Weſen, als die Seele
iſt,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0088" n="64"/>
es fa&#x0364;nde im Schlafe &#x017F;tatt &#x2014; reicht u&#x0364;ber den<lb/>
Schlaf hinaus: der Schlafende kann &#x017F;ich nicht<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t beobachten, und ein andrer &#x017F;eine Vor&#x017F;tellun-<lb/>
gen noch weniger wahrnehmen. Hernach aber<lb/>
&#x017F;etzt die&#x017F;e Behauptung voraus, daß die Seele auch<lb/>
ohne den Ko&#x0364;rper tha&#x0364;tig &#x017F;eyn ko&#x0364;nne, welches mir<lb/>
doch nicht bewie&#x017F;en werden zu ko&#x0364;nnen &#x017F;cheint;<note xml:id="seg2pn_5_1" next="#seg2pn_5_2" place="foot" n="*)">Jch folgte, wie auch in meiner angefu&#x0364;hrten Ab-<lb/>
handlung bemerkt i&#x017F;t, in der Behauptung, daß die<lb/>
Seele im Schlafe Vor&#x017F;tellungen, ja klarere Vor&#x017F;tel-<lb/>
lungen, als im Wachen habe, Herrn Kant, welcher<lb/>
&#x017F;ich in &#x017F;einen Tra&#x0364;umen eines Gei&#x017F;ter&#x017F;ehers erla&#x0364;utert<lb/>
durch Tra&#x0364;ume der Metaphy&#x017F;ik, daru&#x0364;ber al&#x017F;o er-<lb/>
kla&#x0364;rt. S. 49. Anmerk. &#x201E;Gewi&#x017F;&#x017F;e Philo&#x017F;ophen glau-<lb/>
ben, &#x017F;ich ohne den minde&#x017F;ten be&#x017F;orglichen Ein&#x017F;pruch<lb/>
auf den Zu&#x017F;tand des fe&#x017F;ten Schlafes berufen zu ko&#x0364;n-<lb/>
nen, wenn &#x017F;ie die Wirklichkeit dunkler Vor&#x017F;tellun-<lb/>
gen bewei&#x017F;en wollen; da &#x017F;ich doch nichts weiter hie-<lb/>
von mit Sicherheit &#x017F;agen la&#x0364;ßt, als daß wir uns im<lb/>
Wachen keiner von denjenigen erinnern, die wir im<lb/>
fe&#x017F;ten Schlaf etwa mochten gehabt haben, und dar-<lb/>
aus nur &#x017F;o viel folgt, daß &#x017F;ie beym Erwachen nicht<lb/>
klar vorge&#x017F;tellt worden, nicht aber, daß &#x017F;ie auch<lb/>
damals, als wir &#x017F;chliefen, dunkel waren. Jch<lb/>
vermuthe vielmehr, daß die&#x017F;elben klarer und aus-<lb/>
gebreiteter &#x017F;eyn mo&#x0364;gen, als &#x017F;elb&#x017F;t die klare&#x017F;ten im<lb/>
Wachen; weil die&#x017F;es bey der vo&#x0364;lligen Ruhe a&#x0364;ußerer<lb/>
Sinne von einem &#x017F;o tha&#x0364;tigen We&#x017F;en, als die Seele<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">i&#x017F;t,</fw></note><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wenn</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0088] es faͤnde im Schlafe ſtatt — reicht uͤber den Schlaf hinaus: der Schlafende kann ſich nicht ſelbſt beobachten, und ein andrer ſeine Vorſtellun- gen noch weniger wahrnehmen. Hernach aber ſetzt dieſe Behauptung voraus, daß die Seele auch ohne den Koͤrper thaͤtig ſeyn koͤnne, welches mir doch nicht bewieſen werden zu koͤnnen ſcheint; *) wenn *) Jch folgte, wie auch in meiner angefuͤhrten Ab- handlung bemerkt iſt, in der Behauptung, daß die Seele im Schlafe Vorſtellungen, ja klarere Vorſtel- lungen, als im Wachen habe, Herrn Kant, welcher ſich in ſeinen Traͤumen eines Geiſterſehers erlaͤutert durch Traͤume der Metaphyſik, daruͤber alſo er- klaͤrt. S. 49. Anmerk. „Gewiſſe Philoſophen glau- ben, ſich ohne den mindeſten beſorglichen Einſpruch auf den Zuſtand des feſten Schlafes berufen zu koͤn- nen, wenn ſie die Wirklichkeit dunkler Vorſtellun- gen beweiſen wollen; da ſich doch nichts weiter hie- von mit Sicherheit ſagen laͤßt, als daß wir uns im Wachen keiner von denjenigen erinnern, die wir im feſten Schlaf etwa mochten gehabt haben, und dar- aus nur ſo viel folgt, daß ſie beym Erwachen nicht klar vorgeſtellt worden, nicht aber, daß ſie auch damals, als wir ſchliefen, dunkel waren. Jch vermuthe vielmehr, daß dieſelben klarer und aus- gebreiteter ſeyn moͤgen, als ſelbſt die klareſten im Wachen; weil dieſes bey der voͤlligen Ruhe aͤußerer Sinne von einem ſo thaͤtigen Weſen, als die Seele iſt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/88
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/88>, abgerufen am 19.04.2024.