Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

gen, weil nur sein schönstes Lied tönen und ge-
hört werden soll.

Schweig' o Chor der Nachtigallen
Mir nur lausche jedes Ohr.
Murmelbach! hör' auf zu wallen!
Winde laßt die Flügel fallen,
Rasselt nicht durch Laub und Rohr!
Halt' in jedem Elemente,
Halt' in Garten, Hayn und Flur,
Jeden Laut, der irgend nur
Meine Feier stören könnte,
Halt' den Odem an, Natur.

Der klagende Orpheus führt den Liebling
der römischen Muse zu der klagenden Nachtigall,
in den herrlichen Versen:

Wie voll Schmerz Philomel' in grünender
Pappelumschattung
Jhre verlohrenen Kinder betraurt, die ein grau-
samer Landmann
Spähend dem Nest entriß, die Federlosen; doch
jene
Weint in die Nacht und erneu't vielfältige Töne
des Jammers
Sitzend im Laub' und ringsum erfüllt Wehklage
die Gegend.
Qualis

gen, weil nur ſein ſchoͤnſtes Lied toͤnen und ge-
hoͤrt werden ſoll.

Schweig' o Chor der Nachtigallen
Mir nur lauſche jedes Ohr.
Murmelbach! hoͤr' auf zu wallen!
Winde laßt die Fluͤgel fallen,
Raſſelt nicht durch Laub und Rohr!
Halt' in jedem Elemente,
Halt' in Garten, Hayn und Flur,
Jeden Laut, der irgend nur
Meine Feier ſtoͤren koͤnnte,
Halt' den Odem an, Natur.

Der klagende Orpheus fuͤhrt den Liebling
der roͤmiſchen Muſe zu der klagenden Nachtigall,
in den herrlichen Verſen:

Wie voll Schmerz Philomel' in gruͤnender
Pappelumſchattung
Jhre verlohrenen Kinder betraurt, die ein grau-
ſamer Landmann
Spaͤhend dem Neſt entriß, die Federloſen; doch
jene
Weint in die Nacht und erneu't vielfaͤltige Toͤne
des Jammers
Sitzend im Laub' und ringsum erfuͤllt Wehklage
die Gegend.
Qualis
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0066" n="42"/>
gen, weil nur &#x017F;ein <hi rendition="#b">&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;tes</hi> Lied to&#x0364;nen und ge-<lb/>
ho&#x0364;rt werden &#x017F;oll.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <head>Schweig' o Chor der Nachtigallen</head><lb/>
            <l>Mir nur lau&#x017F;che jedes Ohr.</l><lb/>
            <l>Murmelbach! ho&#x0364;r' auf zu wallen!</l><lb/>
            <l>Winde laßt die Flu&#x0364;gel fallen,</l><lb/>
            <l>Ra&#x017F;&#x017F;elt nicht durch Laub und Rohr!</l><lb/>
            <l>Halt' in jedem Elemente,</l><lb/>
            <l>Halt' in Garten, Hayn und Flur,</l><lb/>
            <l>Jeden Laut, der irgend nur</l><lb/>
            <l>Meine Feier &#x017F;to&#x0364;ren ko&#x0364;nnte,</l><lb/>
            <l>Halt' den Odem an, Natur.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Der klagende Orpheus fu&#x0364;hrt den Liebling<lb/>
der ro&#x0364;mi&#x017F;chen Mu&#x017F;e zu der klagenden Nachtigall,<lb/>
in den herrlichen Ver&#x017F;en:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Wie voll Schmerz Philomel' in gru&#x0364;nender</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Pappelum&#x017F;chattung</hi> </l><lb/>
            <l>Jhre verlohrenen Kinder betraurt, die ein grau-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;amer Landmann</hi> </l><lb/>
            <l>Spa&#x0364;hend dem Ne&#x017F;t entriß, die Federlo&#x017F;en; doch</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">jene</hi> </l><lb/>
            <l>Weint in die Nacht und erneu't vielfa&#x0364;ltige To&#x0364;ne</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">des Jammers</hi> </l><lb/>
            <l>Sitzend im Laub' und ringsum erfu&#x0364;llt Wehklage</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">die Gegend.</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">Qualis</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0066] gen, weil nur ſein ſchoͤnſtes Lied toͤnen und ge- hoͤrt werden ſoll. Schweig' o Chor der Nachtigallen Mir nur lauſche jedes Ohr. Murmelbach! hoͤr' auf zu wallen! Winde laßt die Fluͤgel fallen, Raſſelt nicht durch Laub und Rohr! Halt' in jedem Elemente, Halt' in Garten, Hayn und Flur, Jeden Laut, der irgend nur Meine Feier ſtoͤren koͤnnte, Halt' den Odem an, Natur. Der klagende Orpheus fuͤhrt den Liebling der roͤmiſchen Muſe zu der klagenden Nachtigall, in den herrlichen Verſen: Wie voll Schmerz Philomel' in gruͤnender Pappelumſchattung Jhre verlohrenen Kinder betraurt, die ein grau- ſamer Landmann Spaͤhend dem Neſt entriß, die Federloſen; doch jene Weint in die Nacht und erneu't vielfaͤltige Toͤne des Jammers Sitzend im Laub' und ringsum erfuͤllt Wehklage die Gegend. Qualis

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/66
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/66>, abgerufen am 18.04.2024.