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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

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sind, eine ihren Kräften angemeßne Arbeit vorneh-
men, als durch die Muße und hie und da auch
durch ihre Vorbilder verführt, sich mit Dingen be-
fassen, welche ihren Kräften nicht angemessen sind,
und dabey oft in Gefahr sind, das beste, was
sie [haben], einzubüßen.

Neben dem Organisten erblickte ich eine andre
Mannsperson, welche viel von glatten Herrn sprach,
und ihr etwas zu geben bat. Als wir ihn frag-
ten, was er denn haben wollte, gab er uns eine
Antwort, die mich wieder in die düstre Stimmung
warf, aus welcher ich eben durch den Organisten
etwas gehoben war. Was mochte der Mensch
in dem menschlichen Theil seines Lebens vorgenom-
men haben! -- was itzt! -- --

Gottlob! nun kamen wir vor dem letzten Kä-
ficht, der einen ruhigen Mann einzuschließen
schien. Allein er war es nicht; denn als er uns
erblickte, fing er mit gewaltiger Stimme an:
Gloria in excelsis Domino etc., sprach den
Segen und machte das Kreuz dazu. Er soll ei-
ner der fürchterlichsten seyn, wenn er im Paro-
xismus ist, und seine Stärke die Kraft vieler Män-
ner zusammen überwältigen.

Jndem erblickte ich die geöfnete Thür: eilig
ging ich durch dieselbe, und hörte noch lange Zeit
die Töne der rege gewordnen in den Gängen schal-
len. Wir kamen ins Freye; länger hätte ich es

auch

ſind, eine ihren Kraͤften angemeßne Arbeit vorneh-
men, als durch die Muße und hie und da auch
durch ihre Vorbilder verfuͤhrt, ſich mit Dingen be-
faſſen, welche ihren Kraͤften nicht angemeſſen ſind,
und dabey oft in Gefahr ſind, das beſte, was
ſie [haben], einzubuͤßen.

Neben dem Organiſten erblickte ich eine andre
Mannsperſon, welche viel von glatten Herrn ſprach,
und ihr etwas zu geben bat. Als wir ihn frag-
ten, was er denn haben wollte, gab er uns eine
Antwort, die mich wieder in die duͤſtre Stimmung
warf, aus welcher ich eben durch den Organiſten
etwas gehoben war. Was mochte der Menſch
in dem menſchlichen Theil ſeines Lebens vorgenom-
men haben! — was itzt! — —

Gottlob! nun kamen wir vor dem letzten Kaͤ-
ficht, der einen ruhigen Mann einzuſchließen
ſchien. Allein er war es nicht; denn als er uns
erblickte, fing er mit gewaltiger Stimme an:
Gloria in excelſis Domino etc., ſprach den
Segen und machte das Kreuz dazu. Er ſoll ei-
ner der fuͤrchterlichſten ſeyn, wenn er im Paro-
xiſmus iſt, und ſeine Staͤrke die Kraft vieler Maͤn-
ner zuſammen uͤberwaͤltigen.

Jndem erblickte ich die geoͤfnete Thuͤr: eilig
ging ich durch dieſelbe, und hoͤrte noch lange Zeit
die Toͤne der rege gewordnen in den Gaͤngen ſchal-
len. Wir kamen ins Freye; laͤnger haͤtte ich es

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[226/0250] ſind, eine ihren Kraͤften angemeßne Arbeit vorneh- men, als durch die Muße und hie und da auch durch ihre Vorbilder verfuͤhrt, ſich mit Dingen be- faſſen, welche ihren Kraͤften nicht angemeſſen ſind, und dabey oft in Gefahr ſind, das beſte, was ſie haben, einzubuͤßen. Neben dem Organiſten erblickte ich eine andre Mannsperſon, welche viel von glatten Herrn ſprach, und ihr etwas zu geben bat. Als wir ihn frag- ten, was er denn haben wollte, gab er uns eine Antwort, die mich wieder in die duͤſtre Stimmung warf, aus welcher ich eben durch den Organiſten etwas gehoben war. Was mochte der Menſch in dem menſchlichen Theil ſeines Lebens vorgenom- men haben! — was itzt! — — Gottlob! nun kamen wir vor dem letzten Kaͤ- ficht, der einen ruhigen Mann einzuſchließen ſchien. Allein er war es nicht; denn als er uns erblickte, fing er mit gewaltiger Stimme an: Gloria in excelſis Domino etc., ſprach den Segen und machte das Kreuz dazu. Er ſoll ei- ner der fuͤrchterlichſten ſeyn, wenn er im Paro- xiſmus iſt, und ſeine Staͤrke die Kraft vieler Maͤn- ner zuſammen uͤberwaͤltigen. Jndem erblickte ich die geoͤfnete Thuͤr: eilig ging ich durch dieſelbe, und hoͤrte noch lange Zeit die Toͤne der rege gewordnen in den Gaͤngen ſchal- len. Wir kamen ins Freye; laͤnger haͤtte ich es auch

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/250>, abgerufen am 29.03.2024.