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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

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Gefechte zuschrieb, welches sieben Reuter, die in
seinem Bauche eingeschlossen seyn sollten, beständig
mit einander hielten, und eben so hat mancher
Gelehrte sein angestrengtes Grübeln, besonders
über solche Materien, welche die Phantasie leicht
zu Ausschweifungen reizen können, durch den
Verlust der Gesundheit seines Denkvermögens
büßen müssen. Gewöhnlich verrathen die Aeu-
ßerungen solcher Verrückten den Gegenstand, an
welchem ihr Verstand scheiterte.

Besonders gefährlich ist es, wenn man seine
Einbildungskraft an gewisse Bilder gewöhnt und
sie unaufhörlich damit beschäftigt. Diese machen
sich durch die Länge der Zeit so nothwendig, und
prägen sich so fest ein, daß man sie zuletzt für
Wirklichkeiten hält, und alle seine Wahrnehmun-
gen und Empfindungen durch dieselben verfälscht.

Swedenborgs Geisterseherey ist zu bekannt,
als daß ich hier noch eine Erzählung seiner er-
träumten Erscheinungen, von deren Falschheit
ihn nichts überzeugen konnte, beybringen dürfte.
Auch von Tasso erzählt Muratori, daß er ge-
glaubt habe, in Umgang mit einem guten Gei-
ste zu stehen, mit welchem er sich von himmlischen
Dingen unterhalten könne. Er zeigte überhaupt
öftere Spuren von Verrücktheit, und starb in
völligem Wahnsinn. Einst sagte er der Schwe-
ster der Herzogin von Ferrara Verse her, welche

sie

Gefechte zuſchrieb, welches ſieben Reuter, die in
ſeinem Bauche eingeſchloſſen ſeyn ſollten, beſtaͤndig
mit einander hielten, und eben ſo hat mancher
Gelehrte ſein angeſtrengtes Gruͤbeln, beſonders
uͤber ſolche Materien, welche die Phantaſie leicht
zu Ausſchweifungen reizen koͤnnen, durch den
Verluſt der Geſundheit ſeines Denkvermoͤgens
buͤßen muͤſſen. Gewoͤhnlich verrathen die Aeu-
ßerungen ſolcher Verruͤckten den Gegenſtand, an
welchem ihr Verſtand ſcheiterte.

Beſonders gefaͤhrlich iſt es, wenn man ſeine
Einbildungskraft an gewiſſe Bilder gewoͤhnt und
ſie unaufhoͤrlich damit beſchaͤftigt. Dieſe machen
ſich durch die Laͤnge der Zeit ſo nothwendig, und
praͤgen ſich ſo feſt ein, daß man ſie zuletzt fuͤr
Wirklichkeiten haͤlt, und alle ſeine Wahrnehmun-
gen und Empfindungen durch dieſelben verfaͤlſcht.

Swedenborgs Geiſterſeherey iſt zu bekannt,
als daß ich hier noch eine Erzaͤhlung ſeiner er-
traͤumten Erſcheinungen, von deren Falſchheit
ihn nichts uͤberzeugen konnte, beybringen duͤrfte.
Auch von Taſſo erzaͤhlt Muratori, daß er ge-
glaubt habe, in Umgang mit einem guten Gei-
ſte zu ſtehen, mit welchem er ſich von himmliſchen
Dingen unterhalten koͤnne. Er zeigte uͤberhaupt
oͤftere Spuren von Verruͤcktheit, und ſtarb in
voͤlligem Wahnſinn. Einſt ſagte er der Schwe-
ſter der Herzogin von Ferrara Verſe her, welche

ſie
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[184/0208] Gefechte zuſchrieb, welches ſieben Reuter, die in ſeinem Bauche eingeſchloſſen ſeyn ſollten, beſtaͤndig mit einander hielten, und eben ſo hat mancher Gelehrte ſein angeſtrengtes Gruͤbeln, beſonders uͤber ſolche Materien, welche die Phantaſie leicht zu Ausſchweifungen reizen koͤnnen, durch den Verluſt der Geſundheit ſeines Denkvermoͤgens buͤßen muͤſſen. Gewoͤhnlich verrathen die Aeu- ßerungen ſolcher Verruͤckten den Gegenſtand, an welchem ihr Verſtand ſcheiterte. Beſonders gefaͤhrlich iſt es, wenn man ſeine Einbildungskraft an gewiſſe Bilder gewoͤhnt und ſie unaufhoͤrlich damit beſchaͤftigt. Dieſe machen ſich durch die Laͤnge der Zeit ſo nothwendig, und praͤgen ſich ſo feſt ein, daß man ſie zuletzt fuͤr Wirklichkeiten haͤlt, und alle ſeine Wahrnehmun- gen und Empfindungen durch dieſelben verfaͤlſcht. Swedenborgs Geiſterſeherey iſt zu bekannt, als daß ich hier noch eine Erzaͤhlung ſeiner er- traͤumten Erſcheinungen, von deren Falſchheit ihn nichts uͤberzeugen konnte, beybringen duͤrfte. Auch von Taſſo erzaͤhlt Muratori, daß er ge- glaubt habe, in Umgang mit einem guten Gei- ſte zu ſtehen, mit welchem er ſich von himmliſchen Dingen unterhalten koͤnne. Er zeigte uͤberhaupt oͤftere Spuren von Verruͤcktheit, und ſtarb in voͤlligem Wahnſinn. Einſt ſagte er der Schwe- ſter der Herzogin von Ferrara Verſe her, welche ſie

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/208>, abgerufen am 29.03.2024.