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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

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H. Es kann einer mit dem Wurm fischen,
der von einem König gegessen hat, und von dem
Fisch essen, der sich von diesem Wurm genährt
hat.
K. Was willst du damit sagen? --
H. Nichts weiter, als Euch zeigen, wie
ein König dazu kommen kann, durch die Gedär-
me eines Bettlers zu reisen.
K. Wo ist Pollonius?
H. Jm Himmel, schickt nur hin und laßt
nachsehn. Wenn ihn Euer Bote dort nicht fin-
det, so sucht ihn an dem andern Orte selbst.
Aber freylich, wenn Jhr ihn in diesem Monat
nicht findet, so werdet Jhr ihn riechen, wenn
Jhr die Treppe in die Gallerie hinauf geht.
K. Geht, sucht ihn da.
H. Er wird schon warten, bis ihr kommt.

Der Wahnwitzige muß nicht immer falsche
und schiefe Reflexionen machen; er kann öfters
auch, wie Hamlet beym Shakespear, sehr wahre
Verhältnisse der Dinge darstellen: denn seine
Phantasie führt ihm mancherley Bilder mit großer
Lebhaftigkeit vor, so daß es leicht ist, wenn die
Bilder zufällig richtig gezeichnet sind; daß auch
das, was der Wahnwitzige nach denselben redet,
richtige und wahre Verhältnisse und Beschaffen-
heiten ausdrückt.

Zu-
H. Es kann einer mit dem Wurm fiſchen,
der von einem Koͤnig gegeſſen hat, und von dem
Fiſch eſſen, der ſich von dieſem Wurm genaͤhrt
hat.
K. Was willſt du damit ſagen? —
H. Nichts weiter, als Euch zeigen, wie
ein Koͤnig dazu kommen kann, durch die Gedaͤr-
me eines Bettlers zu reiſen.
K. Wo iſt Pollonius?
H. Jm Himmel, ſchickt nur hin und laßt
nachſehn. Wenn ihn Euer Bote dort nicht fin-
det, ſo ſucht ihn an dem andern Orte ſelbſt.
Aber freylich, wenn Jhr ihn in dieſem Monat
nicht findet, ſo werdet Jhr ihn riechen, wenn
Jhr die Treppe in die Gallerie hinauf geht.
K. Geht, ſucht ihn da.
H. Er wird ſchon warten, bis ihr kommt.

Der Wahnwitzige muß nicht immer falſche
und ſchiefe Reflexionen machen; er kann oͤfters
auch, wie Hamlet beym Shakeſpear, ſehr wahre
Verhaͤltniſſe der Dinge darſtellen: denn ſeine
Phantaſie fuͤhrt ihm mancherley Bilder mit großer
Lebhaftigkeit vor, ſo daß es leicht iſt, wenn die
Bilder zufaͤllig richtig gezeichnet ſind; daß auch
das, was der Wahnwitzige nach denſelben redet,
richtige und wahre Verhaͤltniſſe und Beſchaffen-
heiten ausdruͤckt.

Zu-
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[178/0202] H. Es kann einer mit dem Wurm fiſchen, der von einem Koͤnig gegeſſen hat, und von dem Fiſch eſſen, der ſich von dieſem Wurm genaͤhrt hat. K. Was willſt du damit ſagen? — H. Nichts weiter, als Euch zeigen, wie ein Koͤnig dazu kommen kann, durch die Gedaͤr- me eines Bettlers zu reiſen. K. Wo iſt Pollonius? H. Jm Himmel, ſchickt nur hin und laßt nachſehn. Wenn ihn Euer Bote dort nicht fin- det, ſo ſucht ihn an dem andern Orte ſelbſt. Aber freylich, wenn Jhr ihn in dieſem Monat nicht findet, ſo werdet Jhr ihn riechen, wenn Jhr die Treppe in die Gallerie hinauf geht. K. Geht, ſucht ihn da. H. Er wird ſchon warten, bis ihr kommt. Der Wahnwitzige muß nicht immer falſche und ſchiefe Reflexionen machen; er kann oͤfters auch, wie Hamlet beym Shakeſpear, ſehr wahre Verhaͤltniſſe der Dinge darſtellen: denn ſeine Phantaſie fuͤhrt ihm mancherley Bilder mit großer Lebhaftigkeit vor, ſo daß es leicht iſt, wenn die Bilder zufaͤllig richtig gezeichnet ſind; daß auch das, was der Wahnwitzige nach denſelben redet, richtige und wahre Verhaͤltniſſe und Beſchaffen- heiten ausdruͤckt. Zu-

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/202>, abgerufen am 25.04.2024.