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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

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H. Schon so lange? -- O, wenn das
ist, so mag der Teufel schwarz gehen; ich will
einen Zobelpelz anlegen. O! Himmel, schon
zwey Monate todt seyn, und noch nicht verges-
sen! So kann man doch hoffen, daß eines gro-
ßen Mannes Andenken ein halbes Jahr länger
leben wird, als er selbst; aber, auf meine Ehre!
in dem Fall muß er wenigstens Kirchen gebaut
haben, sonst muß er sichs gefallen lassen, daß
man nicht mehr an ihn denkt, als an das Ste-
ckenpferd, dessen Grabschrift ist: "Au weh! das
ist beklagenswerth! Man denkt nicht mehr ans
Steckenpferd!
"*)

Nur im Wahnwitz konnte der große Hamlet
an eben diese Ophelia also schreiben:

"An den himmlischen Abgott meiner Seelen,
die reizerfüllteste Ophelia.

Diese Zeilen an ihren unvergleichlichen wei-
ßen Busen.

Zweifle an des Feuers Hitze,
Zweifle an der Sonne Licht,
Zweifle ob die Wahrheit lüge,
Schönste! nur an deinem Siege
Und an meiner Liebe nicht.

"O theure Ophelia, ich bin böse über diese
"Verse; ich verstehe die Kunst nicht, meine
"Seufzer abzumessen; aber daß ich Dich aufs
"beste
*) Shakespears Hamlet. 3ter Aufzug, 2ter Auftritt.

H. Schon ſo lange? — O, wenn das
iſt, ſo mag der Teufel ſchwarz gehen; ich will
einen Zobelpelz anlegen. O! Himmel, ſchon
zwey Monate todt ſeyn, und noch nicht vergeſ-
ſen! So kann man doch hoffen, daß eines gro-
ßen Mannes Andenken ein halbes Jahr laͤnger
leben wird, als er ſelbſt; aber, auf meine Ehre!
in dem Fall muß er wenigſtens Kirchen gebaut
haben, ſonſt muß er ſichs gefallen laſſen, daß
man nicht mehr an ihn denkt, als an das Ste-
ckenpferd, deſſen Grabſchrift iſt: „Au weh! das
iſt beklagenswerth! Man denkt nicht mehr ans
Steckenpferd!
*)

Nur im Wahnwitz konnte der große Hamlet
an eben dieſe Ophelia alſo ſchreiben:

„An den himmliſchen Abgott meiner Seelen,
die reizerfuͤllteſte Ophelia.

Dieſe Zeilen an ihren unvergleichlichen wei-
ßen Buſen.

Zweifle an des Feuers Hitze,
Zweifle an der Sonne Licht,
Zweifle ob die Wahrheit luͤge,
Schoͤnſte! nur an deinem Siege
Und an meiner Liebe nicht.

„O theure Ophelia, ich bin boͤſe uͤber dieſe
„Verſe; ich verſtehe die Kunſt nicht, meine
„Seufzer abzumeſſen; aber daß ich Dich aufs
„beſte
*) Shakeſpears Hamlet. 3ter Aufzug, 2ter Auftritt.
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[176/0200] H. Schon ſo lange? — O, wenn das iſt, ſo mag der Teufel ſchwarz gehen; ich will einen Zobelpelz anlegen. O! Himmel, ſchon zwey Monate todt ſeyn, und noch nicht vergeſ- ſen! So kann man doch hoffen, daß eines gro- ßen Mannes Andenken ein halbes Jahr laͤnger leben wird, als er ſelbſt; aber, auf meine Ehre! in dem Fall muß er wenigſtens Kirchen gebaut haben, ſonſt muß er ſichs gefallen laſſen, daß man nicht mehr an ihn denkt, als an das Ste- ckenpferd, deſſen Grabſchrift iſt: „Au weh! das iſt beklagenswerth! Man denkt nicht mehr ans Steckenpferd! „ *) Nur im Wahnwitz konnte der große Hamlet an eben dieſe Ophelia alſo ſchreiben: „An den himmliſchen Abgott meiner Seelen, die reizerfuͤllteſte Ophelia. Dieſe Zeilen an ihren unvergleichlichen wei- ßen Buſen. Zweifle an des Feuers Hitze, Zweifle an der Sonne Licht, Zweifle ob die Wahrheit luͤge, Schoͤnſte! nur an deinem Siege Und an meiner Liebe nicht. „O theure Ophelia, ich bin boͤſe uͤber dieſe „Verſe; ich verſtehe die Kunſt nicht, meine „Seufzer abzumeſſen; aber daß ich Dich aufs „beſte *) Shakeſpears Hamlet. 3ter Aufzug, 2ter Auftritt.

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/200>, abgerufen am 24.04.2024.