Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

die wir oben mit dem Namen der Narren be-
nannten, sehr unglücklich sind: weil sie, wie ihre
übrigen Brüder nicht Verstand genug haben, ihre
Phantasie Lügen zu strafen.

Solch ein blödsinniger Narr war der gelehrte
Jesuit, Pater Sgambari. Er bildete sich ein,
daß er zum Kardinal kreirt wäre; und es war
unmöglich, ihn von diesem ihm so schmeichelhaften
Wahne zurückzuführen. Dem Pater Provinzial,
welcher in der Hofnung, ihn zu bessern, ihm ei-
ne gegründete und freundschaftliche Vorstellung
that, antwortete er in folgendem Dilemma:
"Entweder halten Sie mich für einen Narren
"oder nicht. Jm letzten Falle begehen Sie an
"mir ein großes Unrecht, daß Sie mit mir in ei-
"nem solchen Tone reden. Jm erstern Falle hal-
"te ich Sie mit Jhrer Erlaubniß für einen größern
"Narren, als mich selbst, weil Sie sich vorstellen,
"einen Narren durch bloßes Zureden wieder zu-
"recht bringen zu können." Diese einzige Thor-
heit abgerechnet war sein Verstand gesund und zu
wissenschaftlichen Untersuchungen aufgelegt. So
oft junge Studirende zu ihm kamen, um sich bey
ihm Zurechtweisung und Belehrung zu erbitten,
und ihre Bitte nur mit der Anrede Jhre Eminenz
anfingen, war er immer sehr umgänglich, und that
ihnen den ganzen Vorrath seiner Kenntnisse auf*).

Unter
*) Daselbst. 2. 9.
L 5

die wir oben mit dem Namen der Narren be-
nannten, ſehr ungluͤcklich ſind: weil ſie, wie ihre
uͤbrigen Bruͤder nicht Verſtand genug haben, ihre
Phantaſie Luͤgen zu ſtrafen.

Solch ein bloͤdſinniger Narr war der gelehrte
Jeſuit, Pater Sgambari. Er bildete ſich ein,
daß er zum Kardinal kreirt waͤre; und es war
unmoͤglich, ihn von dieſem ihm ſo ſchmeichelhaften
Wahne zuruͤckzufuͤhren. Dem Pater Provinzial,
welcher in der Hofnung, ihn zu beſſern, ihm ei-
ne gegruͤndete und freundſchaftliche Vorſtellung
that, antwortete er in folgendem Dilemma:
„Entweder halten Sie mich fuͤr einen Narren
„oder nicht. Jm letzten Falle begehen Sie an
„mir ein großes Unrecht, daß Sie mit mir in ei-
„nem ſolchen Tone reden. Jm erſtern Falle hal-
„te ich Sie mit Jhrer Erlaubniß fuͤr einen groͤßern
„Narren, als mich ſelbſt, weil Sie ſich vorſtellen,
„einen Narren durch bloßes Zureden wieder zu-
„recht bringen zu koͤnnen.„ Dieſe einzige Thor-
heit abgerechnet war ſein Verſtand geſund und zu
wiſſenſchaftlichen Unterſuchungen aufgelegt. So
oft junge Studirende zu ihm kamen, um ſich bey
ihm Zurechtweiſung und Belehrung zu erbitten,
und ihre Bitte nur mit der Anrede Jhre Eminenz
anfingen, war er immer ſehr umgaͤnglich, und that
ihnen den ganzen Vorrath ſeiner Kenntniſſe auf*).

Unter
*) Daſelbſt. 2. 9.
L 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0193" n="169"/>
die wir oben mit dem Namen der <hi rendition="#b">Narren</hi> be-<lb/>
nannten, &#x017F;ehr unglu&#x0364;cklich &#x017F;ind: weil &#x017F;ie, wie ihre<lb/>
u&#x0364;brigen Bru&#x0364;der nicht Ver&#x017F;tand genug haben, ihre<lb/>
Phanta&#x017F;ie Lu&#x0364;gen zu &#x017F;trafen.</p><lb/>
          <p>Solch ein blo&#x0364;d&#x017F;inniger Narr war der gelehrte<lb/>
Je&#x017F;uit, Pater Sgambari. Er bildete &#x017F;ich ein,<lb/>
daß er zum Kardinal kreirt wa&#x0364;re; und es war<lb/>
unmo&#x0364;glich, ihn von die&#x017F;em ihm &#x017F;o &#x017F;chmeichelhaften<lb/>
Wahne zuru&#x0364;ckzufu&#x0364;hren. Dem Pater Provinzial,<lb/>
welcher in der Hofnung, ihn zu be&#x017F;&#x017F;ern, ihm ei-<lb/>
ne gegru&#x0364;ndete und freund&#x017F;chaftliche Vor&#x017F;tellung<lb/>
that, antwortete er in folgendem Dilemma:<lb/>
&#x201E;Entweder halten Sie mich fu&#x0364;r einen Narren<lb/>
&#x201E;oder nicht. Jm letzten Falle begehen Sie an<lb/>
&#x201E;mir ein großes Unrecht, daß Sie mit mir in ei-<lb/>
&#x201E;nem &#x017F;olchen Tone reden. Jm er&#x017F;tern Falle hal-<lb/>
&#x201E;te ich Sie mit Jhrer Erlaubniß fu&#x0364;r einen gro&#x0364;ßern<lb/>
&#x201E;Narren, als mich &#x017F;elb&#x017F;t, weil Sie &#x017F;ich vor&#x017F;tellen,<lb/>
&#x201E;einen Narren durch bloßes Zureden wieder zu-<lb/>
&#x201E;recht bringen zu ko&#x0364;nnen.&#x201E; Die&#x017F;e einzige Thor-<lb/>
heit abgerechnet war &#x017F;ein Ver&#x017F;tand ge&#x017F;und und zu<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Unter&#x017F;uchungen aufgelegt. So<lb/>
oft junge Studirende zu ihm kamen, um &#x017F;ich bey<lb/>
ihm Zurechtwei&#x017F;ung und Belehrung zu erbitten,<lb/>
und ihre Bitte nur mit der Anrede Jhre Eminenz<lb/>
anfingen, war er immer &#x017F;ehr umga&#x0364;nglich, und that<lb/>
ihnen den ganzen Vorrath &#x017F;einer Kenntni&#x017F;&#x017F;e auf<note place="foot" n="*)">Da&#x017F;elb&#x017F;t. 2. 9.</note>.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">L 5</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Unter</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0193] die wir oben mit dem Namen der Narren be- nannten, ſehr ungluͤcklich ſind: weil ſie, wie ihre uͤbrigen Bruͤder nicht Verſtand genug haben, ihre Phantaſie Luͤgen zu ſtrafen. Solch ein bloͤdſinniger Narr war der gelehrte Jeſuit, Pater Sgambari. Er bildete ſich ein, daß er zum Kardinal kreirt waͤre; und es war unmoͤglich, ihn von dieſem ihm ſo ſchmeichelhaften Wahne zuruͤckzufuͤhren. Dem Pater Provinzial, welcher in der Hofnung, ihn zu beſſern, ihm ei- ne gegruͤndete und freundſchaftliche Vorſtellung that, antwortete er in folgendem Dilemma: „Entweder halten Sie mich fuͤr einen Narren „oder nicht. Jm letzten Falle begehen Sie an „mir ein großes Unrecht, daß Sie mit mir in ei- „nem ſolchen Tone reden. Jm erſtern Falle hal- „te ich Sie mit Jhrer Erlaubniß fuͤr einen groͤßern „Narren, als mich ſelbſt, weil Sie ſich vorſtellen, „einen Narren durch bloßes Zureden wieder zu- „recht bringen zu koͤnnen.„ Dieſe einzige Thor- heit abgerechnet war ſein Verſtand geſund und zu wiſſenſchaftlichen Unterſuchungen aufgelegt. So oft junge Studirende zu ihm kamen, um ſich bey ihm Zurechtweiſung und Belehrung zu erbitten, und ihre Bitte nur mit der Anrede Jhre Eminenz anfingen, war er immer ſehr umgaͤnglich, und that ihnen den ganzen Vorrath ſeiner Kenntniſſe auf *). Unter *) Daſelbſt. 2. 9. L 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/193
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/193>, abgerufen am 16.04.2024.