wird. Daher machten sich die Alten, wie der Küchenphilosoph Catius in Horazens Satyren, wenn sie etwas nicht vergessen wollten, sinnli- che Merkmale an der Wand oder einem andern Orte, damit bey Erblickung dieser auch jene wie- der ins Gedächtniß zurückgerufen würden.
Bey dem Zeichengedächtniß verhilft vorzüg- lich die Ordnung zum leichtern Behalten und Erinnern. -- daher manche Personen, z. B. Dienstboten, denen von ihrer Herrschaft Com- plimentsbestellungen, die sie nicht verstehen, ge- macht werden, wenn sie das Unglück haben, her- auszukommen, wie man es nennt, von vorne wieder anfangen müssen; weil es ihnen schlechter- dings unmöglich ist, das Aufgetragne anders, als in den Worten und der Folge, wie es ihnen ge- geben ist, wiederzugeben.
Oft ist man bey aller Anstrengung nicht ver- mögend sich einer ins Gedächtniß niedergelegten Vorstellung deutlich wieder bewußt zu werden, wenn man auch sehr viele Merkmale hat, an wel- chen man sie festhalten wollte; so lange nemlich noch dasjenige fehlt, an welches wir die zu be- haltende Vorstellung zunächst angeschlossen hatten. Es schwebt mir auf der Zunge, sagt man als- dann, aber ich kann es nicht herausbringen. Je heftiger und eifriger man in diesem Fall ist, die
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wird. Daher machten ſich die Alten, wie der Kuͤchenphiloſoph Catius in Horazens Satyren, wenn ſie etwas nicht vergeſſen wollten, ſinnli- che Merkmale an der Wand oder einem andern Orte, damit bey Erblickung dieſer auch jene wie- der ins Gedaͤchtniß zuruͤckgerufen wuͤrden.
Bey dem Zeichengedaͤchtniß verhilft vorzuͤg- lich die Ordnung zum leichtern Behalten und Erinnern. — daher manche Perſonen, z. B. Dienſtboten, denen von ihrer Herrſchaft Com- plimentsbeſtellungen, die ſie nicht verſtehen, ge- macht werden, wenn ſie das Ungluͤck haben, her- auszukommen, wie man es nennt, von vorne wieder anfangen muͤſſen; weil es ihnen ſchlechter- dings unmoͤglich iſt, das Aufgetragne anders, als in den Worten und der Folge, wie es ihnen ge- geben iſt, wiederzugeben.
Oft iſt man bey aller Anſtrengung nicht ver- moͤgend ſich einer ins Gedaͤchtniß niedergelegten Vorſtellung deutlich wieder bewußt zu werden, wenn man auch ſehr viele Merkmale hat, an wel- chen man ſie feſthalten wollte; ſo lange nemlich noch dasjenige fehlt, an welches wir die zu be- haltende Vorſtellung zunaͤchſt angeſchloſſen hatten. Es ſchwebt mir auf der Zunge, ſagt man als- dann, aber ich kann es nicht herausbringen. Je heftiger und eifriger man in dieſem Fall iſt, die
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wird. Daher machten ſich die Alten, wie der
Kuͤchenphiloſoph Catius in Horazens Satyren,
wenn ſie etwas nicht vergeſſen wollten, ſinnli-
che Merkmale an der Wand oder einem andern
Orte, damit bey Erblickung dieſer auch jene wie-
der ins Gedaͤchtniß zuruͤckgerufen wuͤrden.
Bey dem Zeichengedaͤchtniß verhilft vorzuͤg-
lich die Ordnung zum leichtern Behalten und
Erinnern. — daher manche Perſonen, z. B.
Dienſtboten, denen von ihrer Herrſchaft Com-
plimentsbeſtellungen, die ſie nicht verſtehen, ge-
macht werden, wenn ſie das Ungluͤck haben, her-
auszukommen, wie man es nennt, von vorne
wieder anfangen muͤſſen; weil es ihnen ſchlechter-
dings unmoͤglich iſt, das Aufgetragne anders, als
in den Worten und der Folge, wie es ihnen ge-
geben iſt, wiederzugeben.
Oft iſt man bey aller Anſtrengung nicht ver-
moͤgend ſich einer ins Gedaͤchtniß niedergelegten
Vorſtellung deutlich wieder bewußt zu werden,
wenn man auch ſehr viele Merkmale hat, an wel-
chen man ſie feſthalten wollte; ſo lange nemlich
noch dasjenige fehlt, an welches wir die zu be-
haltende Vorſtellung zunaͤchſt angeſchloſſen hatten.
Es ſchwebt mir auf der Zunge, ſagt man als-
dann, aber ich kann es nicht herausbringen. Je
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/157>, abgerufen am 18.04.2024.
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