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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

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Sachgedächtniß zeigt, da können, ja müssen auch
Verstandesvollkommenheiten sich finden, wie man
aus den oben angegebnen Kennzeichen desselben
leicht begreifen wird.

Soll irgend etwas im Gedächtniß behalten
werden, so ist nothwendig, daß man auf dassel-
be seine Aufmerksamkeit richte, durch welche Hand-
lung der Seele ein Gegenstand unter die übrigen
Vorstellungen aufgenommen wird. Was man
nur obenhin hörte, worüber man leicht hinweg-
glitt, wobey man zerstreut war, das vergißt man
sehr bald wieder. Aber was einem wichtig, merk-
würdig, interessant war, und also die ganze Auf-
merksamkeit der Seele auf sich hinlenkte, das prägt
sich tief ins Gedächtniß.

Um das, was behalten ist, wieder zum Be-
wußtseyn zu bringen, muß eine Vorstellung ge-
weckt werden, welche jenem ähnlich oder auf ir-
gend eine Weise mit ihm verbunden war. Diese
führt alsdann jene nach dem Gesetz der Jdeenasso-
ciation aus dem Gedächtniß hervor. Je mehr
und vorzüglich je frappantere ähnliche Vorstellun-
gen man also mit dem, was man sich zurückzurufen
wünscht, verknüpft, desto leichter wird das Zu-
rückrufen werden. Daher wird es dem Knaben
leichter Worte einer fremden Sprache zu lernen,
wenn ihm mit denselben zugleich das Bild der
Sache, die durch jene bezeichnet ist, vorgelegt

wird.

Sachgedaͤchtniß zeigt, da koͤnnen, ja muͤſſen auch
Verſtandesvollkommenheiten ſich finden, wie man
aus den oben angegebnen Kennzeichen deſſelben
leicht begreifen wird.

Soll irgend etwas im Gedaͤchtniß behalten
werden, ſo iſt nothwendig, daß man auf daſſel-
be ſeine Aufmerkſamkeit richte, durch welche Hand-
lung der Seele ein Gegenſtand unter die uͤbrigen
Vorſtellungen aufgenommen wird. Was man
nur obenhin hoͤrte, woruͤber man leicht hinweg-
glitt, wobey man zerſtreut war, das vergißt man
ſehr bald wieder. Aber was einem wichtig, merk-
wuͤrdig, intereſſant war, und alſo die ganze Auf-
merkſamkeit der Seele auf ſich hinlenkte, das praͤgt
ſich tief ins Gedaͤchtniß.

Um das, was behalten iſt, wieder zum Be-
wußtſeyn zu bringen, muß eine Vorſtellung ge-
weckt werden, welche jenem aͤhnlich oder auf ir-
gend eine Weiſe mit ihm verbunden war. Dieſe
fuͤhrt alsdann jene nach dem Geſetz der Jdeenaſſo-
ciation aus dem Gedaͤchtniß hervor. Je mehr
und vorzuͤglich je frappantere aͤhnliche Vorſtellun-
gen man alſo mit dem, was man ſich zuruͤckzurufen
wuͤnſcht, verknuͤpft, deſto leichter wird das Zu-
ruͤckrufen werden. Daher wird es dem Knaben
leichter Worte einer fremden Sprache zu lernen,
wenn ihm mit denſelben zugleich das Bild der
Sache, die durch jene bezeichnet iſt, vorgelegt

wird.
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[132/0156] Sachgedaͤchtniß zeigt, da koͤnnen, ja muͤſſen auch Verſtandesvollkommenheiten ſich finden, wie man aus den oben angegebnen Kennzeichen deſſelben leicht begreifen wird. Soll irgend etwas im Gedaͤchtniß behalten werden, ſo iſt nothwendig, daß man auf daſſel- be ſeine Aufmerkſamkeit richte, durch welche Hand- lung der Seele ein Gegenſtand unter die uͤbrigen Vorſtellungen aufgenommen wird. Was man nur obenhin hoͤrte, woruͤber man leicht hinweg- glitt, wobey man zerſtreut war, das vergißt man ſehr bald wieder. Aber was einem wichtig, merk- wuͤrdig, intereſſant war, und alſo die ganze Auf- merkſamkeit der Seele auf ſich hinlenkte, das praͤgt ſich tief ins Gedaͤchtniß. Um das, was behalten iſt, wieder zum Be- wußtſeyn zu bringen, muß eine Vorſtellung ge- weckt werden, welche jenem aͤhnlich oder auf ir- gend eine Weiſe mit ihm verbunden war. Dieſe fuͤhrt alsdann jene nach dem Geſetz der Jdeenaſſo- ciation aus dem Gedaͤchtniß hervor. Je mehr und vorzuͤglich je frappantere aͤhnliche Vorſtellun- gen man alſo mit dem, was man ſich zuruͤckzurufen wuͤnſcht, verknuͤpft, deſto leichter wird das Zu- ruͤckrufen werden. Daher wird es dem Knaben leichter Worte einer fremden Sprache zu lernen, wenn ihm mit denſelben zugleich das Bild der Sache, die durch jene bezeichnet iſt, vorgelegt wird.

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/156>, abgerufen am 25.04.2024.