Sachgedächtniß zeigt, da können, ja müssen auch Verstandesvollkommenheiten sich finden, wie man aus den oben angegebnen Kennzeichen desselben leicht begreifen wird.
Soll irgend etwas im Gedächtniß behalten werden, so ist nothwendig, daß man auf dassel- be seine Aufmerksamkeit richte, durch welche Hand- lung der Seele ein Gegenstand unter die übrigen Vorstellungen aufgenommen wird. Was man nur obenhin hörte, worüber man leicht hinweg- glitt, wobey man zerstreut war, das vergißt man sehr bald wieder. Aber was einem wichtig, merk- würdig, interessant war, und also die ganze Auf- merksamkeit der Seele auf sich hinlenkte, das prägt sich tief ins Gedächtniß.
Um das, was behalten ist, wieder zum Be- wußtseyn zu bringen, muß eine Vorstellung ge- weckt werden, welche jenem ähnlich oder auf ir- gend eine Weise mit ihm verbunden war. Diese führt alsdann jene nach dem Gesetz der Jdeenasso- ciation aus dem Gedächtniß hervor. Je mehr und vorzüglich je frappantere ähnliche Vorstellun- gen man also mit dem, was man sich zurückzurufen wünscht, verknüpft, desto leichter wird das Zu- rückrufen werden. Daher wird es dem Knaben leichter Worte einer fremden Sprache zu lernen, wenn ihm mit denselben zugleich das Bild der Sache, die durch jene bezeichnet ist, vorgelegt
wird.
Sachgedaͤchtniß zeigt, da koͤnnen, ja muͤſſen auch Verſtandesvollkommenheiten ſich finden, wie man aus den oben angegebnen Kennzeichen deſſelben leicht begreifen wird.
Soll irgend etwas im Gedaͤchtniß behalten werden, ſo iſt nothwendig, daß man auf daſſel- be ſeine Aufmerkſamkeit richte, durch welche Hand- lung der Seele ein Gegenſtand unter die uͤbrigen Vorſtellungen aufgenommen wird. Was man nur obenhin hoͤrte, woruͤber man leicht hinweg- glitt, wobey man zerſtreut war, das vergißt man ſehr bald wieder. Aber was einem wichtig, merk- wuͤrdig, intereſſant war, und alſo die ganze Auf- merkſamkeit der Seele auf ſich hinlenkte, das praͤgt ſich tief ins Gedaͤchtniß.
Um das, was behalten iſt, wieder zum Be- wußtſeyn zu bringen, muß eine Vorſtellung ge- weckt werden, welche jenem aͤhnlich oder auf ir- gend eine Weiſe mit ihm verbunden war. Dieſe fuͤhrt alsdann jene nach dem Geſetz der Jdeenaſſo- ciation aus dem Gedaͤchtniß hervor. Je mehr und vorzuͤglich je frappantere aͤhnliche Vorſtellun- gen man alſo mit dem, was man ſich zuruͤckzurufen wuͤnſcht, verknuͤpft, deſto leichter wird das Zu- ruͤckrufen werden. Daher wird es dem Knaben leichter Worte einer fremden Sprache zu lernen, wenn ihm mit denſelben zugleich das Bild der Sache, die durch jene bezeichnet iſt, vorgelegt
wird.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0156"n="132"/>
Sachgedaͤchtniß zeigt, da koͤnnen, ja muͤſſen auch<lb/>
Verſtandesvollkommenheiten ſich finden, wie man<lb/>
aus den oben angegebnen Kennzeichen deſſelben<lb/>
leicht begreifen wird.</p><lb/><p>Soll irgend etwas im Gedaͤchtniß behalten<lb/>
werden, ſo iſt nothwendig, daß man auf daſſel-<lb/>
be ſeine Aufmerkſamkeit richte, durch welche Hand-<lb/>
lung der Seele ein Gegenſtand unter die uͤbrigen<lb/>
Vorſtellungen aufgenommen wird. Was man<lb/>
nur obenhin hoͤrte, woruͤber man leicht hinweg-<lb/>
glitt, wobey man zerſtreut war, das vergißt man<lb/>ſehr bald wieder. Aber was einem wichtig, merk-<lb/>
wuͤrdig, intereſſant war, und alſo die ganze Auf-<lb/>
merkſamkeit der Seele auf ſich hinlenkte, das praͤgt<lb/>ſich tief ins Gedaͤchtniß.</p><lb/><p>Um das, was behalten iſt, wieder zum Be-<lb/>
wußtſeyn zu bringen, muß eine Vorſtellung ge-<lb/>
weckt werden, welche jenem aͤhnlich oder auf ir-<lb/>
gend eine Weiſe mit ihm verbunden war. Dieſe<lb/>
fuͤhrt alsdann jene nach dem Geſetz der Jdeenaſſo-<lb/>
ciation aus dem Gedaͤchtniß hervor. Je mehr<lb/>
und vorzuͤglich je frappantere aͤhnliche Vorſtellun-<lb/>
gen man alſo mit dem, was man ſich zuruͤckzurufen<lb/>
wuͤnſcht, verknuͤpft, deſto leichter wird das Zu-<lb/>
ruͤckrufen werden. Daher wird es dem Knaben<lb/>
leichter Worte einer fremden Sprache zu lernen,<lb/>
wenn ihm mit denſelben zugleich das Bild der<lb/>
Sache, die durch jene bezeichnet iſt, vorgelegt<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wird.</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[132/0156]
Sachgedaͤchtniß zeigt, da koͤnnen, ja muͤſſen auch
Verſtandesvollkommenheiten ſich finden, wie man
aus den oben angegebnen Kennzeichen deſſelben
leicht begreifen wird.
Soll irgend etwas im Gedaͤchtniß behalten
werden, ſo iſt nothwendig, daß man auf daſſel-
be ſeine Aufmerkſamkeit richte, durch welche Hand-
lung der Seele ein Gegenſtand unter die uͤbrigen
Vorſtellungen aufgenommen wird. Was man
nur obenhin hoͤrte, woruͤber man leicht hinweg-
glitt, wobey man zerſtreut war, das vergißt man
ſehr bald wieder. Aber was einem wichtig, merk-
wuͤrdig, intereſſant war, und alſo die ganze Auf-
merkſamkeit der Seele auf ſich hinlenkte, das praͤgt
ſich tief ins Gedaͤchtniß.
Um das, was behalten iſt, wieder zum Be-
wußtſeyn zu bringen, muß eine Vorſtellung ge-
weckt werden, welche jenem aͤhnlich oder auf ir-
gend eine Weiſe mit ihm verbunden war. Dieſe
fuͤhrt alsdann jene nach dem Geſetz der Jdeenaſſo-
ciation aus dem Gedaͤchtniß hervor. Je mehr
und vorzuͤglich je frappantere aͤhnliche Vorſtellun-
gen man alſo mit dem, was man ſich zuruͤckzurufen
wuͤnſcht, verknuͤpft, deſto leichter wird das Zu-
ruͤckrufen werden. Daher wird es dem Knaben
leichter Worte einer fremden Sprache zu lernen,
wenn ihm mit denſelben zugleich das Bild der
Sache, die durch jene bezeichnet iſt, vorgelegt
wird.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/156>, abgerufen am 25.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.