Die gießenden Zoten; bald sank der falsche Bo- den: sie schwammen Zum nahen Walde mit Schnauben, umklam- merten Tannen und Fichten Und huben sich träufelnd empor. Der Büsche versammelte Sänger Betrachteten traurig und stumm, vom dürren Arme der Linde, Das vormals glückliche Thal, allwo sie den fle- henden Jungen Jm Dornstrauch Speise vertheilt. Die früh ge- reisete Lerche, Sich aufwärts schwingend, beschaute die Was- serwüste von oben, Und kehrete wieder zurück. Es flossen Hecken und Hütten, Und Dächer und Scheuren umher. Aus Gie- beln und gleitenden Kähnen Versah der bekümmerte Hirt sich einer Sünd- fluth, die vormals Die Welt umrollte, daß Gemsen in schlagenden Wogen versanken.
Wenn Brutus die Geschichte des jungen Tar- quins und der edlen Lukretia den versammelten Quiritern erzählt; so fodern sie von ihm eine sim- ple, treue, wahrhafte Darstellung der Sache. Tarquin, ihr Quiritier, spricht er, hat Colla-
tinus
Die gießenden Zoten; bald ſank der falſche Bo- den: ſie ſchwammen Zum nahen Walde mit Schnauben, umklam- merten Tannen und Fichten Und huben ſich traͤufelnd empor. Der Buͤſche verſammelte Saͤnger Betrachteten traurig und ſtumm, vom duͤrren Arme der Linde, Das vormals gluͤckliche Thal, allwo ſie den fle- henden Jungen Jm Dornſtrauch Speiſe vertheilt. Die fruͤh ge- reiſete Lerche, Sich aufwaͤrts ſchwingend, beſchaute die Waſ- ſerwuͤſte von oben, Und kehrete wieder zuruͤck. Es floſſen Hecken und Huͤtten, Und Daͤcher und Scheuren umher. Aus Gie- beln und gleitenden Kaͤhnen Verſah der bekuͤmmerte Hirt ſich einer Suͤnd- fluth, die vormals Die Welt umrollte, daß Gemſen in ſchlagenden Wogen verſanken.
Wenn Brutus die Geſchichte des jungen Tar- quins und der edlen Lukretia den verſammelten Quiritern erzaͤhlt; ſo fodern ſie von ihm eine ſim- ple, treue, wahrhafte Darſtellung der Sache. Tarquin, ihr Quiritier, ſpricht er, hat Colla-
tinus
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><cit><quote><pbfacs="#f0149"n="125"/>
Die gießenden Zoten; bald ſank der falſche Bo-<lb/><hirendition="#et">den: ſie ſchwammen</hi><lb/>
Zum nahen Walde mit Schnauben, umklam-<lb/><hirendition="#et">merten Tannen und Fichten</hi><lb/>
Und huben ſich traͤufelnd empor. Der Buͤſche<lb/><hirendition="#et">verſammelte Saͤnger</hi><lb/>
Betrachteten traurig und ſtumm, vom duͤrren<lb/><hirendition="#et">Arme der Linde,</hi><lb/>
Das vormals gluͤckliche Thal, allwo ſie den fle-<lb/><hirendition="#et">henden Jungen</hi><lb/>
Jm Dornſtrauch Speiſe vertheilt. Die fruͤh ge-<lb/><hirendition="#et">reiſete Lerche,</hi><lb/>
Sich aufwaͤrts ſchwingend, beſchaute die Waſ-<lb/><hirendition="#et">ſerwuͤſte von oben,</hi><lb/>
Und kehrete wieder zuruͤck. Es floſſen Hecken<lb/><hirendition="#et">und Huͤtten,</hi><lb/>
Und Daͤcher und Scheuren umher. Aus Gie-<lb/><hirendition="#et">beln und gleitenden Kaͤhnen</hi><lb/>
Verſah der bekuͤmmerte Hirt ſich einer Suͤnd-<lb/><hirendition="#et">fluth, die vormals</hi><lb/>
Die Welt umrollte, daß Gemſen in ſchlagenden<lb/><hirendition="#et">Wogen verſanken.</hi></quote></cit><lb/><p>Wenn Brutus die Geſchichte des jungen Tar-<lb/>
quins und der edlen Lukretia den verſammelten<lb/>
Quiritern erzaͤhlt; ſo fodern ſie von ihm eine ſim-<lb/>
ple, treue, wahrhafte Darſtellung der Sache.<lb/>
Tarquin, ihr Quiritier, ſpricht er, hat Colla-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">tinus</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[125/0149]
Die gießenden Zoten; bald ſank der falſche Bo-
den: ſie ſchwammen
Zum nahen Walde mit Schnauben, umklam-
merten Tannen und Fichten
Und huben ſich traͤufelnd empor. Der Buͤſche
verſammelte Saͤnger
Betrachteten traurig und ſtumm, vom duͤrren
Arme der Linde,
Das vormals gluͤckliche Thal, allwo ſie den fle-
henden Jungen
Jm Dornſtrauch Speiſe vertheilt. Die fruͤh ge-
reiſete Lerche,
Sich aufwaͤrts ſchwingend, beſchaute die Waſ-
ſerwuͤſte von oben,
Und kehrete wieder zuruͤck. Es floſſen Hecken
und Huͤtten,
Und Daͤcher und Scheuren umher. Aus Gie-
beln und gleitenden Kaͤhnen
Verſah der bekuͤmmerte Hirt ſich einer Suͤnd-
fluth, die vormals
Die Welt umrollte, daß Gemſen in ſchlagenden
Wogen verſanken.
Wenn Brutus die Geſchichte des jungen Tar-
quins und der edlen Lukretia den verſammelten
Quiritern erzaͤhlt; ſo fodern ſie von ihm eine ſim-
ple, treue, wahrhafte Darſtellung der Sache.
Tarquin, ihr Quiritier, ſpricht er, hat Colla-
tinus
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/149>, abgerufen am 25.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.