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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

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er von daher in dieses Haus zurückgekommen
war.

Beym Erwachen zieht es ihm eben so, als
beym Einschlafen in der Stirne und den Augen,
daß er dieselben runzelt und zusammenzieht. Dar-
auf kömmt er zu sich selbst, schämet und entschul-
diget sich gegen die Anwesenden. Jm Paroxismus
ist er ganz unempfindlich, man mag ihn stechen,
kneipen, raufen, stoßen, oder auch bey seinem
Namen rufen. Er riecht die allerflüchtigsten
Spiritus nicht, sieht nicht, wenn man ihm gleich
die Augenlieder von einander zerrt, hat auch nicht
gehört, als eine Pistole einst ganz nahe an ihm
losgeschossen ward.

Der allerseltsamste Auftritt, von welchem
aber der vorhin angeführte Arzt nicht Augenzeuge
gewesen zu seyn scheint, ist folgender.

An eben dem Tage, wo er nach Weimar ge-
ritten war, besuchte er dort, und zwar nach über-
standnem Paroxismus, also völlig wachend, einen
Mann, welchem Doktor Müller in seinem Be-
richt den Namen Sempronius giebt. Mit die-
sem unterhielt er sich ungefehr eine Stunde lang,
wo er aufs neue in den Schlaf fiel, und auf fol-
gende Art, alles, was den Tag über mit ihm
vorgegangen war, wiederholte.

Zuerst ermahnte er sowohl sich als seine Frau
zum Aufstehen, alsdann betete er, forderte seiner

Frau

er von daher in dieſes Haus zuruͤckgekommen
war.

Beym Erwachen zieht es ihm eben ſo, als
beym Einſchlafen in der Stirne und den Augen,
daß er dieſelben runzelt und zuſammenzieht. Dar-
auf koͤmmt er zu ſich ſelbſt, ſchaͤmet und entſchul-
diget ſich gegen die Anweſenden. Jm Paroxiſmus
iſt er ganz unempfindlich, man mag ihn ſtechen,
kneipen, raufen, ſtoßen, oder auch bey ſeinem
Namen rufen. Er riecht die allerfluͤchtigſten
Spiritus nicht, ſieht nicht, wenn man ihm gleich
die Augenlieder von einander zerrt, hat auch nicht
gehoͤrt, als eine Piſtole einſt ganz nahe an ihm
losgeſchoſſen ward.

Der allerſeltſamſte Auftritt, von welchem
aber der vorhin angefuͤhrte Arzt nicht Augenzeuge
geweſen zu ſeyn ſcheint, iſt folgender.

An eben dem Tage, wo er nach Weimar ge-
ritten war, beſuchte er dort, und zwar nach uͤber-
ſtandnem Paroxiſmus, alſo voͤllig wachend, einen
Mann, welchem Doktor Muͤller in ſeinem Be-
richt den Namen Sempronius giebt. Mit die-
ſem unterhielt er ſich ungefehr eine Stunde lang,
wo er aufs neue in den Schlaf fiel, und auf fol-
gende Art, alles, was den Tag uͤber mit ihm
vorgegangen war, wiederholte.

Zuerſt ermahnte er ſowohl ſich als ſeine Frau
zum Aufſtehen, alsdann betete er, forderte ſeiner

Frau
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[114/0138] er von daher in dieſes Haus zuruͤckgekommen war. Beym Erwachen zieht es ihm eben ſo, als beym Einſchlafen in der Stirne und den Augen, daß er dieſelben runzelt und zuſammenzieht. Dar- auf koͤmmt er zu ſich ſelbſt, ſchaͤmet und entſchul- diget ſich gegen die Anweſenden. Jm Paroxiſmus iſt er ganz unempfindlich, man mag ihn ſtechen, kneipen, raufen, ſtoßen, oder auch bey ſeinem Namen rufen. Er riecht die allerfluͤchtigſten Spiritus nicht, ſieht nicht, wenn man ihm gleich die Augenlieder von einander zerrt, hat auch nicht gehoͤrt, als eine Piſtole einſt ganz nahe an ihm losgeſchoſſen ward. Der allerſeltſamſte Auftritt, von welchem aber der vorhin angefuͤhrte Arzt nicht Augenzeuge geweſen zu ſeyn ſcheint, iſt folgender. An eben dem Tage, wo er nach Weimar ge- ritten war, beſuchte er dort, und zwar nach uͤber- ſtandnem Paroxiſmus, alſo voͤllig wachend, einen Mann, welchem Doktor Muͤller in ſeinem Be- richt den Namen Sempronius giebt. Mit die- ſem unterhielt er ſich ungefehr eine Stunde lang, wo er aufs neue in den Schlaf fiel, und auf fol- gende Art, alles, was den Tag uͤber mit ihm vorgegangen war, wiederholte. Zuerſt ermahnte er ſowohl ſich als ſeine Frau zum Aufſtehen, alsdann betete er, forderte ſeiner Frau

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/138>, abgerufen am 29.03.2024.