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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

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schneidende Taglöhner unterläßt auch im Schlafe
nicht seinen Arm zum Sägen zu bewegen*).

Wer im Traume denjenigen, mit welchem er
sich am Tage zankte, gewahr wird, wiederholt
oft mit Hand und Mund die Bewegungen, wel-
che er beym Zank machte, und wer eine fürch-
terliche Gestalt erblickt, welche ihn zu ergreifen
droht, schreyt, um Hülfe zu rufen, oder droht
in der Furcht mit Mienen und Händen, um sie
zurückzuschrecken.

Jst nun der Schlaf in den Gliedern, welche
der schreckende Affekt zur Thätigkeit auffordert,
doch zu stark und zu schwer, als daß dieselben ge-
regt werden könnten, dann entsteht die unbeschreib-
liche Angst und Beklommenheit, welche man öf-
ters im Schlafe empfindet, wenn man um Hülfe
schreyen, fliehen, sich loßwinden will und nicht
kann.

Was insbesondere noch das Sprechen im
Schlafe betrifft, welches man auf mancherley

Weise
*) Diejenigen Bewegungen, welche die geringste Anstren-
gung, und besonders keine Aufrichtung des ganzen
Körpers erfordern, werden am ersten erfolgen. Denn
der Schlaf macht immer den Körper schwer und
träge, wenn er gleich einigen Gliedmaßen mehr
Leichtigkeit und Regsamkeit läßt. So wird man
z. B. wohl öfters im Schlafe Holz sägen sehn; aber
nicht Holz hacken.

ſchneidende Tagloͤhner unterlaͤßt auch im Schlafe
nicht ſeinen Arm zum Saͤgen zu bewegen*).

Wer im Traume denjenigen, mit welchem er
ſich am Tage zankte, gewahr wird, wiederholt
oft mit Hand und Mund die Bewegungen, wel-
che er beym Zank machte, und wer eine fuͤrch-
terliche Geſtalt erblickt, welche ihn zu ergreifen
droht, ſchreyt, um Huͤlfe zu rufen, oder droht
in der Furcht mit Mienen und Haͤnden, um ſie
zuruͤckzuſchrecken.

Jſt nun der Schlaf in den Gliedern, welche
der ſchreckende Affekt zur Thaͤtigkeit auffordert,
doch zu ſtark und zu ſchwer, als daß dieſelben ge-
regt werden koͤnnten, dann entſteht die unbeſchreib-
liche Angſt und Beklommenheit, welche man oͤf-
ters im Schlafe empfindet, wenn man um Huͤlfe
ſchreyen, fliehen, ſich loßwinden will und nicht
kann.

Was insbeſondere noch das Sprechen im
Schlafe betrifft, welches man auf mancherley

Weiſe
*) Diejenigen Bewegungen, welche die geringſte Anſtren-
gung, und beſonders keine Aufrichtung des ganzen
Koͤrpers erfordern, werden am erſten erfolgen. Denn
der Schlaf macht immer den Koͤrper ſchwer und
traͤge, wenn er gleich einigen Gliedmaßen mehr
Leichtigkeit und Regſamkeit laͤßt. So wird man
z. B. wohl oͤfters im Schlafe Holz ſaͤgen ſehn; aber
nicht Holz hacken.
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[100/0124] ſchneidende Tagloͤhner unterlaͤßt auch im Schlafe nicht ſeinen Arm zum Saͤgen zu bewegen *). Wer im Traume denjenigen, mit welchem er ſich am Tage zankte, gewahr wird, wiederholt oft mit Hand und Mund die Bewegungen, wel- che er beym Zank machte, und wer eine fuͤrch- terliche Geſtalt erblickt, welche ihn zu ergreifen droht, ſchreyt, um Huͤlfe zu rufen, oder droht in der Furcht mit Mienen und Haͤnden, um ſie zuruͤckzuſchrecken. Jſt nun der Schlaf in den Gliedern, welche der ſchreckende Affekt zur Thaͤtigkeit auffordert, doch zu ſtark und zu ſchwer, als daß dieſelben ge- regt werden koͤnnten, dann entſteht die unbeſchreib- liche Angſt und Beklommenheit, welche man oͤf- ters im Schlafe empfindet, wenn man um Huͤlfe ſchreyen, fliehen, ſich loßwinden will und nicht kann. Was insbeſondere noch das Sprechen im Schlafe betrifft, welches man auf mancherley Weiſe *) Diejenigen Bewegungen, welche die geringſte Anſtren- gung, und beſonders keine Aufrichtung des ganzen Koͤrpers erfordern, werden am erſten erfolgen. Denn der Schlaf macht immer den Koͤrper ſchwer und traͤge, wenn er gleich einigen Gliedmaßen mehr Leichtigkeit und Regſamkeit laͤßt. So wird man z. B. wohl oͤfters im Schlafe Holz ſaͤgen ſehn; aber nicht Holz hacken.

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/124>, abgerufen am 18.04.2024.