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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

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Von unsichtbarer Macht wird schnell aus
seinem Arm
Jm Wirbelwind die Nymphe fortgerissen,
Und in die Fluth des nahen Stroms geschmis-
sen.

Nun empfindet der Ritter die Angst, die
Höllenpein, die sich beym Träumen einstellt, wenn
man, um ein großes Gut zu retten, um Hülfe
schreyen, sich loßreißen will, und nicht kann;
welche der Dichter der Natur so wahr schildert:

Er hört ihr ängstlich Schreyn, will nach
-- o Höllenpein,
Und kann nicht! Steht entseelt vor Schrecken
Als wie ein Bild auf einem Leichenstein.
Vergebens strebt er, keucht, und ficht mit
Arm und Bein,
Er glaubt in Eis bis an den Hals zu stecken,
Sieht aus den Wellen sie die Arme bittend
strecken,
Und kann nicht schreyn, nicht, wie der Liebe Wuth
Jhn spornt, zu ihr sich stürzen in die Fluth.

Der treue und erfahrne Gefährte des Rit-
ters, Scherasmin genannt, bemüht sich seinen
Herrn, der selbst wachend seinen Traum noch für
mehr als Traum hielt, wenigstens davon zu über-
zeugen, daß der Strom, der Wirbelwind,
die Schrauben an Hand und Fuß,
welche

der
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Von unſichtbarer Macht wird ſchnell aus
ſeinem Arm
Jm Wirbelwind die Nymphe fortgeriſſen,
Und in die Fluth des nahen Stroms geſchmiſ-
ſen.

Nun empfindet der Ritter die Angſt, die
Hoͤllenpein, die ſich beym Traͤumen einſtellt, wenn
man, um ein großes Gut zu retten, um Huͤlfe
ſchreyen, ſich loßreißen will, und nicht kann;
welche der Dichter der Natur ſo wahr ſchildert:

Er hoͤrt ihr aͤngſtlich Schreyn, will nach
— o Hoͤllenpein,
Und kann nicht! Steht entſeelt vor Schrecken
Als wie ein Bild auf einem Leichenſtein.
Vergebens ſtrebt er, keucht, und ficht mit
Arm und Bein,
Er glaubt in Eis bis an den Hals zu ſtecken,
Sieht aus den Wellen ſie die Arme bittend
ſtrecken,
Und kann nicht ſchreyn, nicht, wie der Liebe Wuth
Jhn ſpornt, zu ihr ſich ſtuͤrzen in die Fluth.

Der treue und erfahrne Gefaͤhrte des Rit-
ters, Scherasmin genannt, bemuͤht ſich ſeinen
Herrn, der ſelbſt wachend ſeinen Traum noch fuͤr
mehr als Traum hielt, wenigſtens davon zu uͤber-
zeugen, daß der Strom, der Wirbelwind,
die Schrauben an Hand und Fuß,
welche

der
F 3
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[85/0109] Von unſichtbarer Macht wird ſchnell aus ſeinem Arm Jm Wirbelwind die Nymphe fortgeriſſen, Und in die Fluth des nahen Stroms geſchmiſ- ſen. Nun empfindet der Ritter die Angſt, die Hoͤllenpein, die ſich beym Traͤumen einſtellt, wenn man, um ein großes Gut zu retten, um Huͤlfe ſchreyen, ſich loßreißen will, und nicht kann; welche der Dichter der Natur ſo wahr ſchildert: Er hoͤrt ihr aͤngſtlich Schreyn, will nach — o Hoͤllenpein, Und kann nicht! Steht entſeelt vor Schrecken Als wie ein Bild auf einem Leichenſtein. Vergebens ſtrebt er, keucht, und ficht mit Arm und Bein, Er glaubt in Eis bis an den Hals zu ſtecken, Sieht aus den Wellen ſie die Arme bittend ſtrecken, Und kann nicht ſchreyn, nicht, wie der Liebe Wuth Jhn ſpornt, zu ihr ſich ſtuͤrzen in die Fluth. Der treue und erfahrne Gefaͤhrte des Rit- ters, Scherasmin genannt, bemuͤht ſich ſeinen Herrn, der ſelbſt wachend ſeinen Traum noch fuͤr mehr als Traum hielt, wenigſtens davon zu uͤber- zeugen, daß der Strom, der Wirbelwind, die Schrauben an Hand und Fuß, welche der F 3

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/109>, abgerufen am 29.03.2024.