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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Ideen zu einer Kriminalpsychologie. Halle, 1792.

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gang mit guten Menschen. Jeder, dem es
um sich und seine Veredlung zu thun ist, nutzt
diesen, als eins der wirksamsten Mittel zur
Erreichung seines Zwecks: vorzüglich wich-
tig aber ist er für den Mann, dessen Ideal ich
Ihnen entwerfen soll. Denn wer hat wol
mehr dafür zu sorgen, dass er sich den Glau-
ben an die Menschheit und die darauf ge-
gründeten Tugenden erhalte, als der Richter,
den seine Berufsgeschäffte, seine Acten, seine
Schriften, fast immer nur die Seite der
Menschheit zeigen, die von Schwächen und
Fehlern entstellt ist? So wie das Bild eines
einzelnen Menschen von denjenigen Handlun-
gen in unsre Seele gezeichnet wird, welche
wir am häufigsten von ihm üben sehen; so
wird auch das Bild der Menschheit überhaupt
von den Eigenschaften der Menschen copirt,
an deren Daseyn ihre Aeusserungen am häu-
figsten erinnern -- und es schleicht sich da-
her bey dem wiederholten Anblick der

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gang mit guten Menſchen. Jeder, dem es
um ſich und ſeine Veredlung zu thun iſt, nutzt
dieſen, als eins der wirkſamſten Mittel zur
Erreichung ſeines Zwecks: vorzüglich wich-
tig aber iſt er für den Mann, deſſen Ideal ich
Ihnen entwerfen ſoll. Denn wer hat wol
mehr dafür zu ſorgen, daſs er ſich den Glau-
ben an die Menſchheit und die darauf ge-
gründeten Tugenden erhalte, als der Richter,
den ſeine Berufsgeſchäffte, ſeine Acten, ſeine
Schriften, faſt immer nur die Seite der
Menſchheit zeigen, die von Schwächen und
Fehlern entſtellt iſt? So wie das Bild eines
einzelnen Menſchen von denjenigen Handlun-
gen in unſre Seele gezeichnet wird, welche
wir am häufigſten von ihm üben ſehen; ſo
wird auch das Bild der Menſchheit überhaupt
von den Eigenſchaften der Menſchen copirt,
an deren Daſeyn ihre Aeuſserungen am häu-
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[30/0032] gang mit guten Menſchen. Jeder, dem es um ſich und ſeine Veredlung zu thun iſt, nutzt dieſen, als eins der wirkſamſten Mittel zur Erreichung ſeines Zwecks: vorzüglich wich- tig aber iſt er für den Mann, deſſen Ideal ich Ihnen entwerfen ſoll. Denn wer hat wol mehr dafür zu ſorgen, daſs er ſich den Glau- ben an die Menſchheit und die darauf ge- gründeten Tugenden erhalte, als der Richter, den ſeine Berufsgeſchäffte, ſeine Acten, ſeine Schriften, faſt immer nur die Seite der Menſchheit zeigen, die von Schwächen und Fehlern entſtellt iſt? So wie das Bild eines einzelnen Menſchen von denjenigen Handlun- gen in unſre Seele gezeichnet wird, welche wir am häufigſten von ihm üben ſehen; ſo wird auch das Bild der Menſchheit überhaupt von den Eigenſchaften der Menſchen copirt, an deren Daſeyn ihre Aeuſserungen am häu- figſten erinnern — und es ſchleicht ſich da- her bey dem wiederholten Anblick der ſtrei-

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Ideen zu einer Kriminalpsychologie. Halle, 1792, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_crimipsyche_1792/32>, abgerufen am 28.03.2024.