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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Ideen zu einer Kriminalpsychologie. Halle, 1792.

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tersuchung zu führen; und Menschenfreundlich-
keit
, um dem Geängsteten Muth einzuflössen,
ihn seinen menschlichen Richter erkennen zu
lassen, und den Lohn der Menschlichkeit,
Vertrauen, aus dem Herzen des Armen, den
sie erquickt, zu erheben. -- O, mein Freund,
welcher Richter im Bewusstseyn dieser Tu-
genden seine Berufspflicht erfüllt, der kann
sich sein saures Geschäfft aus sich selbst er-
leichtern; der kann, selbst am Abend des
Tages, an welchem er ein Bluturtheil aus-
sprechen musste, mit ruhigem Gewissen sein
Haupt niederlegen -- und die Thräne des
Mitleids weinen. --

Ich kann mich von der Betrachtung die-
ser für den Mann, der über Menschen rich-
ten soll, so wichtigen Tugenden nicht tren-
nen, ohne wenigstens einen Weg, auf wel-
chem sich das Herz mit diesen edlen Töch-
tern der Menschlichkeit vertraut machen
kann, empfohlen zu haben: häufigen Um-

gang

terſuchung zu führen; und Menſchenfreundlich-
keit
, um dem Geängſteten Muth einzuflöſsen,
ihn ſeinen menſchlichen Richter erkennen zu
laſſen, und den Lohn der Menſchlichkeit,
Vertrauen, aus dem Herzen des Armen, den
ſie erquickt, zu erheben. — O, mein Freund,
welcher Richter im Bewuſstſeyn dieſer Tu-
genden ſeine Berufspflicht erfüllt, der kann
ſich ſein ſaures Geſchäfft aus ſich ſelbſt er-
leichtern; der kann, ſelbſt am Abend des
Tages, an welchem er ein Bluturtheil aus-
ſprechen muſste, mit ruhigem Gewiſſen ſein
Haupt niederlegen — und die Thräne des
Mitleids weinen. —

Ich kann mich von der Betrachtung die-
ſer für den Mann, der über Menſchen rich-
ten ſoll, ſo wichtigen Tugenden nicht tren-
nen, ohne wenigſtens einen Weg, auf wel-
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kann, empfohlen zu haben: häufigen Um-

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[29/0031] terſuchung zu führen; und Menſchenfreundlich- keit, um dem Geängſteten Muth einzuflöſsen, ihn ſeinen menſchlichen Richter erkennen zu laſſen, und den Lohn der Menſchlichkeit, Vertrauen, aus dem Herzen des Armen, den ſie erquickt, zu erheben. — O, mein Freund, welcher Richter im Bewuſstſeyn dieſer Tu- genden ſeine Berufspflicht erfüllt, der kann ſich ſein ſaures Geſchäfft aus ſich ſelbſt er- leichtern; der kann, ſelbſt am Abend des Tages, an welchem er ein Bluturtheil aus- ſprechen muſste, mit ruhigem Gewiſſen ſein Haupt niederlegen — und die Thräne des Mitleids weinen. — Ich kann mich von der Betrachtung die- ſer für den Mann, der über Menſchen rich- ten ſoll, ſo wichtigen Tugenden nicht tren- nen, ohne wenigſtens einen Weg, auf wel- chem ſich das Herz mit dieſen edlen Töch- tern der Menſchlichkeit vertraut machen kann, empfohlen zu haben: häufigen Um- gang

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Ideen zu einer Kriminalpsychologie. Halle, 1792, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_crimipsyche_1792/31>, abgerufen am 25.04.2024.