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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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Thron in das ewige Licht und Leben emporgetragen werden. Die Bösen und Schwarzen dagegen werden in die Finsterniss, in die dunkle Unterwelt, in das im Innern der Erde brennende ewige Feuer, in die Hölle verstossen, um dort bestraft und gereinigt zu werden. Himmel und Hölle werden dabei nur im gesteigerten Masse mit den Freuden und Leiden ausgestattet, welche jedes Volk in seinem Lande und auf seiner Bildungsstufe kennt, liebt und fürchtet; Himmel und Hölle sind nur das vergrösserte Spiegelbild des jedesmaligen irdischen Lebens. Die guten und die bösen Thaten schliessen aber an und für sich den Lohn und die Bestrafung, den Himmel und die Hölle in sich; es gibt blos eine Fortdauer, ein Fortleben und damit dauert und lebet Jedem sein Himmel und seine Hölle; der Mensch ist durch seine Thaten sein eigener Richter, Belohner und Bestrafer, und was er hier geworden ist und gesäet hat, wird er jenseits sein und ernten. Der kindliche und dichterische Sinn der ersten Menschheit fasste diesen scharfen Gedanken nicht; obwohl der Zendavesta sagt: "Ihr Lohn wird in ihren Thaten liegen" und Moses: "Dann wird Jeder erhalten, was seine Thaten werth sind." Er löste die Frucht von dem Baume, das Gericht und Urtheil von der That und lässt die That durch einen göttlichen Todtenrichter nach dem Absterben des Menschen bei seiner Ankunft in dem Jenseit oder auf dem Wege dahin gerichtet werden. Das Sterben des Menschen ist nunmehr seine Abberufung und sein Erscheinen vor dem ewigen Richter, vor dem himmlischen Gerichte, um den Lohn und die Strafe seiner Thaten zu hören und zu empfangen; dem letzten Gerichte kann Niemand entgehen, wohin er sich auch wenden und flüchten möge; unerbittlich sind die Todtengötter, weil, was lebt, auch sterben muss, und dieses Schicksal, das Weltgesetz Zeus selbst nicht ändern kann und darf, - die Allmacht der Götter eine gesetzliche ist.

Das sogenannte Zendvolk scheint nach einzelnen Andeutungen des Vendidad angenommen zu haben, dass vor dem Uebergange der Seele in das andere Leben über sie Gericht gehalten, ihre guten und bösen Thaten zur Fällung des entscheidenden Richterspruches gegen einander

Thron in das ewige Licht und Leben emporgetragen werden. Die Bösen und Schwarzen dagegen werden in die Finsterniss, in die dunkle Unterwelt, in das im Innern der Erde brennende ewige Feuer, in die Hölle verstossen, um dort bestraft und gereinigt zu werden. Himmel und Hölle werden dabei nur im gesteigerten Masse mit den Freuden und Leiden ausgestattet, welche jedes Volk in seinem Lande und auf seiner Bildungsstufe kennt, liebt und fürchtet; Himmel und Hölle sind nur das vergrösserte Spiegelbild des jedesmaligen irdischen Lebens. Die guten und die bösen Thaten schliessen aber an und für sich den Lohn und die Bestrafung, den Himmel und die Hölle in sich; es gibt blos eine Fortdauer, ein Fortleben und damit dauert und lebet Jedem sein Himmel und seine Hölle; der Mensch ist durch seine Thaten sein eigener Richter, Belohner und Bestrafer, und was er hier geworden ist und gesäet hat, wird er jenseits sein und ernten. Der kindliche und dichterische Sinn der ersten Menschheit fasste diesen scharfen Gedanken nicht; obwohl der Zendavesta sagt: „Ihr Lohn wird in ihren Thaten liegen“ und Moses: „Dann wird Jeder erhalten, was seine Thaten werth sind.“ Er löste die Frucht von dem Baume, das Gericht und Urtheil von der That und lässt die That durch einen göttlichen Todtenrichter nach dem Absterben des Menschen bei seiner Ankunft in dem Jenseit oder auf dem Wege dahin gerichtet werden. Das Sterben des Menschen ist nunmehr seine Abberufung und sein Erscheinen vor dem ewigen Richter, vor dem himmlischen Gerichte, um den Lohn und die Strafe seiner Thaten zu hören und zu empfangen; dem letzten Gerichte kann Niemand entgehen, wohin er sich auch wenden und flüchten möge; unerbittlich sind die Todtengötter, weil, was lebt, auch sterben muss, und dieses Schicksal, das Weltgesetz Zeus selbst nicht ändern kann und darf, – die Allmacht der Götter eine gesetzliche ist.

Das sogenannte Zendvolk scheint nach einzelnen Andeutungen des Vendidad angenommen zu haben, dass vor dem Uebergange der Seele in das andere Leben über sie Gericht gehalten, ihre guten und bösen Thaten zur Fällung des entscheidenden Richterspruches gegen einander

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Thron in das ewige Licht und Leben emporgetragen werden. Die Bösen und Schwarzen dagegen werden in die Finsterniss, in die dunkle Unterwelt, in das im Innern der Erde brennende ewige Feuer, in die Hölle verstossen, um dort bestraft und gereinigt zu werden. Himmel und Hölle werden dabei nur im gesteigerten Masse mit den Freuden und Leiden ausgestattet, welche jedes Volk in seinem Lande und auf seiner Bildungsstufe kennt, liebt und fürchtet; Himmel und Hölle sind nur das vergrösserte Spiegelbild des jedesmaligen irdischen Lebens. Die guten und die bösen Thaten schliessen aber an und für sich den Lohn und die Bestrafung, den Himmel und die Hölle in sich; es gibt blos eine Fortdauer, ein Fortleben und damit dauert und lebet Jedem sein Himmel und seine Hölle; der Mensch ist durch seine Thaten sein eigener Richter, Belohner und Bestrafer, und was er hier geworden ist und gesäet hat, wird er jenseits sein und ernten. Der kindliche und dichterische Sinn der ersten Menschheit fasste diesen scharfen Gedanken nicht; obwohl der Zendavesta sagt: &#x201E;Ihr Lohn wird in ihren Thaten liegen&#x201C; und Moses: &#x201E;Dann wird Jeder erhalten, was seine Thaten werth sind.&#x201C; Er löste die Frucht von dem Baume, das Gericht und Urtheil von der That und lässt die That durch einen göttlichen Todtenrichter nach dem Absterben des Menschen bei seiner Ankunft in dem Jenseit oder auf dem Wege dahin gerichtet werden. Das Sterben des Menschen ist nunmehr seine Abberufung und sein Erscheinen vor dem ewigen Richter, vor dem himmlischen Gerichte, um den Lohn und die Strafe seiner Thaten zu hören und zu empfangen; dem letzten Gerichte kann Niemand entgehen, wohin er sich auch wenden und flüchten möge; <hi rendition="#g">unerbittlich</hi> sind die Todtengötter, weil, was lebt, auch sterben muss, und dieses Schicksal, das Weltgesetz Zeus selbst nicht ändern kann und darf, &#x2013; die Allmacht der Götter eine <hi rendition="#g">gesetzliche</hi> ist.</p>
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[13/0033] Thron in das ewige Licht und Leben emporgetragen werden. Die Bösen und Schwarzen dagegen werden in die Finsterniss, in die dunkle Unterwelt, in das im Innern der Erde brennende ewige Feuer, in die Hölle verstossen, um dort bestraft und gereinigt zu werden. Himmel und Hölle werden dabei nur im gesteigerten Masse mit den Freuden und Leiden ausgestattet, welche jedes Volk in seinem Lande und auf seiner Bildungsstufe kennt, liebt und fürchtet; Himmel und Hölle sind nur das vergrösserte Spiegelbild des jedesmaligen irdischen Lebens. Die guten und die bösen Thaten schliessen aber an und für sich den Lohn und die Bestrafung, den Himmel und die Hölle in sich; es gibt blos eine Fortdauer, ein Fortleben und damit dauert und lebet Jedem sein Himmel und seine Hölle; der Mensch ist durch seine Thaten sein eigener Richter, Belohner und Bestrafer, und was er hier geworden ist und gesäet hat, wird er jenseits sein und ernten. Der kindliche und dichterische Sinn der ersten Menschheit fasste diesen scharfen Gedanken nicht; obwohl der Zendavesta sagt: „Ihr Lohn wird in ihren Thaten liegen“ und Moses: „Dann wird Jeder erhalten, was seine Thaten werth sind.“ Er löste die Frucht von dem Baume, das Gericht und Urtheil von der That und lässt die That durch einen göttlichen Todtenrichter nach dem Absterben des Menschen bei seiner Ankunft in dem Jenseit oder auf dem Wege dahin gerichtet werden. Das Sterben des Menschen ist nunmehr seine Abberufung und sein Erscheinen vor dem ewigen Richter, vor dem himmlischen Gerichte, um den Lohn und die Strafe seiner Thaten zu hören und zu empfangen; dem letzten Gerichte kann Niemand entgehen, wohin er sich auch wenden und flüchten möge; unerbittlich sind die Todtengötter, weil, was lebt, auch sterben muss, und dieses Schicksal, das Weltgesetz Zeus selbst nicht ändern kann und darf, – die Allmacht der Götter eine gesetzliche ist. Das sogenannte Zendvolk scheint nach einzelnen Andeutungen des Vendidad angenommen zu haben, dass vor dem Uebergange der Seele in das andere Leben über sie Gericht gehalten, ihre guten und bösen Thaten zur Fällung des entscheidenden Richterspruches gegen einander

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/33>, abgerufen am 28.03.2024.