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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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noch suchen, nicht verstanden. Wer durch eigene Forschungen zur Erkenntniss des Ursprungs und der Fortschritte der Freimaurerei gelangt ist, der kann zur Verschweigung seiner Entdeckungen durch keinen Eid verpflichtet werden." - Krause, I. 2, S. 348, bestätigt dieses mit den Worten: "Nie habe ich irgendwo ein Gelöbniss abgelegt, allgemein menschliche Wahrheiten zu verschweigen, und die Aussicht auf die Schmähungen und Verläumdungen der Unwissenheit und der Hehlsucht verpflichtet mich insbesondere, Gott und dem Gewissen allein zu gehorchen." - In dem gleichen Sinne mit Fessler und Krause hatte schon früher Kant, zerstreute Aufsätze, Frankfurt und Leipzig 1793, S.32, ganz unbedingt gelehrt, dass ein jeder Vertrag (und auch ein abgeforderter und gegebener Eid des Stillschweigens ist ein Vertrag) wodurch die freie Forschung und Aufklärung beschränkt und gehemmt werden solle, schlechterdings nichtig sei. Das maurerische Verbot des öffentlichen Forschens und Redens ist ganz gleichbedeutend mit dem allgemein getadelten und verworfenen Verbote der Brahmanen und der katholischen Priester, die heiligen Schriften, die Veden und die Bibel, zu lesen und zu erörtern; der Cudra, welcher dennoch die heilige Schriften liest, wird stumm werden1), die christlichen Maurer dagegen werden stumm zur Strafe ihres Nichtlesens.

Das Entscheidendste dürfte aber hier sein, dass unter den Verhältnissen der Gegenwart der strenge Eid der Verschwiegenheit nur eine arge und unverzeihliche Täuschung der Neueintretenden ist, indem dadurch in diesen nothwendig die Erwartung auf die erst mitzutheilenden heiligen Geheimnisse geweckt und von Grad zu Grad höher gespannt wird, bis sie am Ende ihrer maurerischen Laufbahn und angekommen im letzten und innersten Grade schmerzlich enttäuscht erfahren, das einzige wahre Geheimniss der heutigen Freimaurerei bestehe darin, kein Geheimniss zu besitzen. Diejenigen, welche

1) Dunker, Gesch. des Alterth., II. S. 83.

noch suchen, nicht verstanden. Wer durch eigene Forschungen zur Erkenntniss des Ursprungs und der Fortschritte der Freimaurerei gelangt ist, der kann zur Verschweigung seiner Entdeckungen durch keinen Eid verpflichtet werden.“ – Krause, I. 2, S. 348, bestätigt dieses mit den Worten: „Nie habe ich irgendwo ein Gelöbniss abgelegt, allgemein menschliche Wahrheiten zu verschweigen, und die Aussicht auf die Schmähungen und Verläumdungen der Unwissenheit und der Hehlsucht verpflichtet mich insbesondere, Gott und dem Gewissen allein zu gehorchen.“ – In dem gleichen Sinne mit Fessler und Krause hatte schon früher Kant, zerstreute Aufsätze, Frankfurt und Leipzig 1793, S.32, ganz unbedingt gelehrt, dass ein jeder Vertrag (und auch ein abgeforderter und gegebener Eid des Stillschweigens ist ein Vertrag) wodurch die freie Forschung und Aufklärung beschränkt und gehemmt werden solle, schlechterdings nichtig sei. Das maurerische Verbot des öffentlichen Forschens und Redens ist ganz gleichbedeutend mit dem allgemein getadelten und verworfenen Verbote der Brahmanen und der katholischen Priester, die heiligen Schriften, die Veden und die Bibel, zu lesen und zu erörtern; der Çudra, welcher dennoch die heilige Schriften liest, wird stumm werden1), die christlichen Maurer dagegen werden stumm zur Strafe ihres Nichtlesens.

Das Entscheidendste dürfte aber hier sein, dass unter den Verhältnissen der Gegenwart der strenge Eid der Verschwiegenheit nur eine arge und unverzeihliche Täuschung der Neueintretenden ist, indem dadurch in diesen nothwendig die Erwartung auf die erst mitzutheilenden heiligen Geheimnisse geweckt und von Grad zu Grad höher gespannt wird, bis sie am Ende ihrer maurerischen Laufbahn und angekommen im letzten und innersten Grade schmerzlich enttäuscht erfahren, das einzige wahre Geheimniss der heutigen Freimaurerei bestehe darin, kein Geheimniss zu besitzen. Diejenigen, welche

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/14>, abgerufen am 29.03.2024.