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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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§. 215. Directae, utiles actiones. Certa, incerta formula.
nischen Recht der Ausdruck fictitia actio ganz verschwun-
den ist, während die Benennung der utiles actiones noch
überall vorkommt. Diese hat nun für das Justinianische
Recht, und für uns, nur noch eine geschichtliche Bedeu-
tung; sie bringt uns in Erinnerung, daß eine so benannte
Klage aus der allmäligen Erweiterung eines früher be-
schränkteren Rechtsinstituts hervorgegangen ist.

Es ist jedoch kaum zn bezweifeln, daß auch schon im
älteren Prozeß diese Erweiterung einer schon bestehenden
Klage auf neue Fälle nicht immer als eigentliche Fiction
in der Formel ausgedrückt wurde (i). Daher hatte man
schon damals neben den utiles actiones, die als Fictionen
in der Formel ausgedrückt wurden, auch solche, denen der
Name blos in dem materiellen Sinn eines auf neue Fälle
erweiterten Rechtsinstituts beygelegt wurde. Insbesondere
läßt sich annehmen, daß blos bey alten Civilklagen die
Erweiterung durch eine Fiction in der Formel ausgedrückt
wurde (k), anstatt daß bey den prätorischen Klagen die
Natur der utilis actio in der Fassung der Formel nicht
zur Anschauung kam (l).


(i) Mühlenbruch Cession
S. 150 der dritten Ausgabe.
(k) Die von Gajus wörtlich
angeführten Fälle fingirter einzel-
ner Klagen beziehen sich sämtlich
auf alte Civilklagen, die dadurch
ausgedehnt werden sollten.
(l) Dahin würde also gehören
die utilis Serviana actio. L. 1
§ 2 de pign. (20. 1), L. 1 pr.
quib. m. pign.
(20. 6.). Eben so
das utile interdictum uti pos-
sidetis, unde vi, quod legato-
rum. Vatic. Fragm.
§ 90. Von
dem zulezt genannten Inter-
dict ist in der angeführten Stelle
die formula aufbewahrt, und aus
dieser erhält die hier aufgestellte
Ansicht eine unmittelbare Bestäti-
gung, da in derselben der Ausdruck

§. 215. Directae, utiles actiones. Certa, incerta formula.
niſchen Recht der Ausdruck fictitia actio ganz verſchwun-
den iſt, während die Benennung der utiles actiones noch
überall vorkommt. Dieſe hat nun für das Juſtinianiſche
Recht, und für uns, nur noch eine geſchichtliche Bedeu-
tung; ſie bringt uns in Erinnerung, daß eine ſo benannte
Klage aus der allmäligen Erweiterung eines früher be-
ſchränkteren Rechtsinſtituts hervorgegangen iſt.

Es iſt jedoch kaum zn bezweifeln, daß auch ſchon im
älteren Prozeß dieſe Erweiterung einer ſchon beſtehenden
Klage auf neue Fälle nicht immer als eigentliche Fiction
in der Formel ausgedrückt wurde (i). Daher hatte man
ſchon damals neben den utiles actiones, die als Fictionen
in der Formel ausgedrückt wurden, auch ſolche, denen der
Name blos in dem materiellen Sinn eines auf neue Fälle
erweiterten Rechtsinſtituts beygelegt wurde. Insbeſondere
läßt ſich annehmen, daß blos bey alten Civilklagen die
Erweiterung durch eine Fiction in der Formel ausgedrückt
wurde (k), anſtatt daß bey den prätoriſchen Klagen die
Natur der utilis actio in der Faſſung der Formel nicht
zur Anſchauung kam (l).


(i) Mühlenbruch Ceſſion
S. 150 der dritten Ausgabe.
(k) Die von Gajus wörtlich
angeführten Fälle fingirter einzel-
ner Klagen beziehen ſich ſämtlich
auf alte Civilklagen, die dadurch
ausgedehnt werden ſollten.
(l) Dahin würde alſo gehören
die utilis Serviana actio. L. 1
§ 2 de pign. (20. 1), L. 1 pr.
quib. m. pign.
(20. 6.). Eben ſo
das utile interdictum uti pos-
sidetis, unde vi, quod legato-
rum. Vatic. Fragm.
§ 90. Von
dem zulezt genannten Inter-
dict iſt in der angeführten Stelle
die formula aufbewahrt, und aus
dieſer erhält die hier aufgeſtellte
Anſicht eine unmittelbare Beſtäti-
gung, da in derſelben der Ausdruck
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[73/0087] §. 215. Directae, utiles actiones. Certa, incerta formula. niſchen Recht der Ausdruck fictitia actio ganz verſchwun- den iſt, während die Benennung der utiles actiones noch überall vorkommt. Dieſe hat nun für das Juſtinianiſche Recht, und für uns, nur noch eine geſchichtliche Bedeu- tung; ſie bringt uns in Erinnerung, daß eine ſo benannte Klage aus der allmäligen Erweiterung eines früher be- ſchränkteren Rechtsinſtituts hervorgegangen iſt. Es iſt jedoch kaum zn bezweifeln, daß auch ſchon im älteren Prozeß dieſe Erweiterung einer ſchon beſtehenden Klage auf neue Fälle nicht immer als eigentliche Fiction in der Formel ausgedrückt wurde (i). Daher hatte man ſchon damals neben den utiles actiones, die als Fictionen in der Formel ausgedrückt wurden, auch ſolche, denen der Name blos in dem materiellen Sinn eines auf neue Fälle erweiterten Rechtsinſtituts beygelegt wurde. Insbeſondere läßt ſich annehmen, daß blos bey alten Civilklagen die Erweiterung durch eine Fiction in der Formel ausgedrückt wurde (k), anſtatt daß bey den prätoriſchen Klagen die Natur der utilis actio in der Faſſung der Formel nicht zur Anſchauung kam (l). (i) Mühlenbruch Ceſſion S. 150 der dritten Ausgabe. (k) Die von Gajus wörtlich angeführten Fälle fingirter einzel- ner Klagen beziehen ſich ſämtlich auf alte Civilklagen, die dadurch ausgedehnt werden ſollten. (l) Dahin würde alſo gehören die utilis Serviana actio. L. 1 § 2 de pign. (20. 1), L. 1 pr. quib. m. pign. (20. 6.). Eben ſo das utile interdictum uti pos- sidetis, unde vi, quod legato- rum. Vatic. Fragm. § 90. Von dem zulezt genannten Inter- dict iſt in der angeführten Stelle die formula aufbewahrt, und aus dieſer erhält die hier aufgeſtellte Anſicht eine unmittelbare Beſtäti- gung, da in derſelben der Ausdruck

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/87>, abgerufen am 28.03.2024.