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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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§. 212. Pönalklagen. (Fortsetzung.)

Zwey einzelne Klagen verdienen hier noch eine beson-
dere Erwähnung, weil sie leicht mißverstanden werden
können. -- Die actio Legis Aquiliae geht zunächst auf
Entschädigung, erhält aber einen unbestimmten, blos mög-
lichen, Strafzusatz dadurch, daß dem Kläger gestattet
wird, für die Berechnung des Schadens irgend einen frü-
heren, ihm günstigen, Zeitpunkt innerhalb gewisser Zeit-
gränzen auszusuchen. Durch diese problematische, in den we-
nigsten Fällen wirksame, Straferhöhung ist die Behandlung
der Klage etwas schwankend geworden. Gegen die Erben
geht sie, wie eine mixta actio, auf die bloße Bereicherung (g).
In der Concurrenz mit anderen Klagen sind durch jene
zweydeutige Natur der Klage, theils unbestimmte Äußerun-
gen, theils verschiedene Meynungen der alten Juristen ent-
standen (h). Dagegen im Verhältniß zu mehreren Ver-
letzern wird sie entschieden als zweyseitige Strafklage, wie
die furti actio, behandelt, so daß jeder Tbeilnehmer das
Ganze zahlen soll, ohne durch die frühere Zahlung eines

(g) L. 23 § 8 ad L. Aquil.
(9. 2.). Daraus sind die unbe-
stimmten Stellen zu beschränken,
welche die Klage gegen den Er-
ben ganz zu versagen scheinen. L.
10 pr. comm. div.
(10. 3.), § 9
J. de L. Aquilia (4. 3.). In dieser
letzten Stelle wird die Amplifika-
tion hinzugesetzt: "quae transi-
tura fuisset, si ultra damnum
nunquam lis aestimaretur,"
wel-
ches mit der von allen alten Ju-
risten anerkannten Rechtsregel im
Widerspruch steht, und blos ein
unüberlegter Versuch der Compila-
toren zu seyn scheint, die Sache
von allen Seiten zu beleuchten.
Francke Beiträge S. 30. 41. 44.
nimmt aus dieser blos hypothe-
tischen Äußerung ein neues Argu-
ment für seine Meynung, nach wel-
cher die civilen Entschädigungs-
klagen aus Delicten unbeschränkt
gegen die Erben gehen sollen.
Vgl. aber oben § 211. h.
(h) S. u. § 233. 234.
§. 212. Pönalklagen. (Fortſetzung.)

Zwey einzelne Klagen verdienen hier noch eine beſon-
dere Erwähnung, weil ſie leicht mißverſtanden werden
können. — Die actio Legis Aquiliae geht zunächſt auf
Entſchädigung, erhält aber einen unbeſtimmten, blos mög-
lichen, Strafzuſatz dadurch, daß dem Kläger geſtattet
wird, für die Berechnung des Schadens irgend einen frü-
heren, ihm günſtigen, Zeitpunkt innerhalb gewiſſer Zeit-
gränzen auszuſuchen. Durch dieſe problematiſche, in den we-
nigſten Fällen wirkſame, Straferhöhung iſt die Behandlung
der Klage etwas ſchwankend geworden. Gegen die Erben
geht ſie, wie eine mixta actio, auf die bloße Bereicherung (g).
In der Concurrenz mit anderen Klagen ſind durch jene
zweydeutige Natur der Klage, theils unbeſtimmte Äußerun-
gen, theils verſchiedene Meynungen der alten Juriſten ent-
ſtanden (h). Dagegen im Verhältniß zu mehreren Ver-
letzern wird ſie entſchieden als zweyſeitige Strafklage, wie
die furti actio, behandelt, ſo daß jeder Tbeilnehmer das
Ganze zahlen ſoll, ohne durch die frühere Zahlung eines

(g) L. 23 § 8 ad L. Aquil.
(9. 2.). Daraus ſind die unbe-
ſtimmten Stellen zu beſchränken,
welche die Klage gegen den Er-
ben ganz zu verſagen ſcheinen. L.
10 pr. comm. div.
(10. 3.), § 9
J. de L. Aquilia (4. 3.). In dieſer
letzten Stelle wird die Amplifika-
tion hinzugeſetzt: „quae transi-
tura fuisset, si ultra damnum
nunquam lis aestimaretur,”
wel-
ches mit der von allen alten Ju-
riſten anerkannten Rechtsregel im
Widerſpruch ſteht, und blos ein
unüberlegter Verſuch der Compila-
toren zu ſeyn ſcheint, die Sache
von allen Seiten zu beleuchten.
Francke Beiträge S. 30. 41. 44.
nimmt aus dieſer blos hypothe-
tiſchen Äußerung ein neues Argu-
ment für ſeine Meynung, nach wel-
cher die civilen Entſchädigungs-
klagen aus Delicten unbeſchränkt
gegen die Erben gehen ſollen.
Vgl. aber oben § 211. h.
(h) S. u. § 233. 234.
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[57/0071] §. 212. Pönalklagen. (Fortſetzung.) Zwey einzelne Klagen verdienen hier noch eine beſon- dere Erwähnung, weil ſie leicht mißverſtanden werden können. — Die actio Legis Aquiliae geht zunächſt auf Entſchädigung, erhält aber einen unbeſtimmten, blos mög- lichen, Strafzuſatz dadurch, daß dem Kläger geſtattet wird, für die Berechnung des Schadens irgend einen frü- heren, ihm günſtigen, Zeitpunkt innerhalb gewiſſer Zeit- gränzen auszuſuchen. Durch dieſe problematiſche, in den we- nigſten Fällen wirkſame, Straferhöhung iſt die Behandlung der Klage etwas ſchwankend geworden. Gegen die Erben geht ſie, wie eine mixta actio, auf die bloße Bereicherung (g). In der Concurrenz mit anderen Klagen ſind durch jene zweydeutige Natur der Klage, theils unbeſtimmte Äußerun- gen, theils verſchiedene Meynungen der alten Juriſten ent- ſtanden (h). Dagegen im Verhältniß zu mehreren Ver- letzern wird ſie entſchieden als zweyſeitige Strafklage, wie die furti actio, behandelt, ſo daß jeder Tbeilnehmer das Ganze zahlen ſoll, ohne durch die frühere Zahlung eines (g) L. 23 § 8 ad L. Aquil. (9. 2.). Daraus ſind die unbe- ſtimmten Stellen zu beſchränken, welche die Klage gegen den Er- ben ganz zu verſagen ſcheinen. L. 10 pr. comm. div. (10. 3.), § 9 J. de L. Aquilia (4. 3.). In dieſer letzten Stelle wird die Amplifika- tion hinzugeſetzt: „quae transi- tura fuisset, si ultra damnum nunquam lis aestimaretur,” wel- ches mit der von allen alten Ju- riſten anerkannten Rechtsregel im Widerſpruch ſteht, und blos ein unüberlegter Verſuch der Compila- toren zu ſeyn ſcheint, die Sache von allen Seiten zu beleuchten. Francke Beiträge S. 30. 41. 44. nimmt aus dieſer blos hypothe- tiſchen Äußerung ein neues Argu- ment für ſeine Meynung, nach wel- cher die civilen Entſchädigungs- klagen aus Delicten unbeſchränkt gegen die Erben gehen ſollen. Vgl. aber oben § 211. h. (h) S. u. § 233. 234.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/71>, abgerufen am 28.03.2024.