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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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§. 211. Pönalklagen. (Fortsetzung.)
es gewesen, die Verbindlichkeit des Erben, gleich jeder an-
deren Schuld, ohne Einschränkung gelten zu lassen, wie
es den Quellen des canonischen Rechts allerdings gemäß
ist. Neuere Deutsche Schriftsteller haben die Gültigkeit
der angeführten Vorschrift des canonischen Rechts aus
zwey nicht erheblichen, Gründen bestritten. Erstlich weil
die Päbste blos verordnen, daß geistliche Zwangsmittel zu
dem erwähnten Zweck angewendet werden sollten, welches
von einer Rechtsvorschrift verschieden sey. Allein diese
geistlichen Mittel waren diejenigen, worüber der Pabst in
allen Ländern am Unmittelbarsten verfügen konnte, und
die Vorschrift ihrer Anwendung ist daher, hier wie ander-
wärts, nur als Anerkennung eines Rechtssatzes im Allge-
meinen zu betrachten. -- Zweytens wird in jenen Stellen
unter andern auch das Seelenheil des Verstorbenen als
Grund für den Zwang gegen den Erben geltend gemacht,
weshalb man fürchtete, durch die Beobachtung jener Vor-
schrift möchte die Lehre vom Fegfeuer anerkannt, und da-
durch die reine evangelische Lehre gefährdet werden. Allein
die Anerkennung des Rechtssatzes selbst ist für uns das
allein Wichtige, und diese wird nicht verändert, man mag
einen unterstützenden dogmatischen Beweggrund hinzu thun
oder weg nehmen. -- So ist also die durch die Praxis
modificirte Vorschrift des canonischen Rechts als das un-

berufen sich meist nur auf eine ohne weitere Gründe behauptete
aequitas.

§. 211. Pönalklagen. (Fortſetzung.)
es geweſen, die Verbindlichkeit des Erben, gleich jeder an-
deren Schuld, ohne Einſchränkung gelten zu laſſen, wie
es den Quellen des canoniſchen Rechts allerdings gemäß
iſt. Neuere Deutſche Schriftſteller haben die Gültigkeit
der angeführten Vorſchrift des canoniſchen Rechts aus
zwey nicht erheblichen, Gründen beſtritten. Erſtlich weil
die Päbſte blos verordnen, daß geiſtliche Zwangsmittel zu
dem erwähnten Zweck angewendet werden ſollten, welches
von einer Rechtsvorſchrift verſchieden ſey. Allein dieſe
geiſtlichen Mittel waren diejenigen, worüber der Pabſt in
allen Ländern am Unmittelbarſten verfügen konnte, und
die Vorſchrift ihrer Anwendung iſt daher, hier wie ander-
wärts, nur als Anerkennung eines Rechtsſatzes im Allge-
meinen zu betrachten. — Zweytens wird in jenen Stellen
unter andern auch das Seelenheil des Verſtorbenen als
Grund für den Zwang gegen den Erben geltend gemacht,
weshalb man fürchtete, durch die Beobachtung jener Vor-
ſchrift möchte die Lehre vom Fegfeuer anerkannt, und da-
durch die reine evangeliſche Lehre gefährdet werden. Allein
die Anerkennung des Rechtsſatzes ſelbſt iſt für uns das
allein Wichtige, und dieſe wird nicht verändert, man mag
einen unterſtützenden dogmatiſchen Beweggrund hinzu thun
oder weg nehmen. — So iſt alſo die durch die Praxis
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[53/0067] §. 211. Pönalklagen. (Fortſetzung.) es geweſen, die Verbindlichkeit des Erben, gleich jeder an- deren Schuld, ohne Einſchränkung gelten zu laſſen, wie es den Quellen des canoniſchen Rechts allerdings gemäß iſt. Neuere Deutſche Schriftſteller haben die Gültigkeit der angeführten Vorſchrift des canoniſchen Rechts aus zwey nicht erheblichen, Gründen beſtritten. Erſtlich weil die Päbſte blos verordnen, daß geiſtliche Zwangsmittel zu dem erwähnten Zweck angewendet werden ſollten, welches von einer Rechtsvorſchrift verſchieden ſey. Allein dieſe geiſtlichen Mittel waren diejenigen, worüber der Pabſt in allen Ländern am Unmittelbarſten verfügen konnte, und die Vorſchrift ihrer Anwendung iſt daher, hier wie ander- wärts, nur als Anerkennung eines Rechtsſatzes im Allge- meinen zu betrachten. — Zweytens wird in jenen Stellen unter andern auch das Seelenheil des Verſtorbenen als Grund für den Zwang gegen den Erben geltend gemacht, weshalb man fürchtete, durch die Beobachtung jener Vor- ſchrift möchte die Lehre vom Fegfeuer anerkannt, und da- durch die reine evangeliſche Lehre gefährdet werden. Allein die Anerkennung des Rechtsſatzes ſelbſt iſt für uns das allein Wichtige, und dieſe wird nicht verändert, man mag einen unterſtützenden dogmatiſchen Beweggrund hinzu thun oder weg nehmen. — So iſt alſo die durch die Praxis modificirte Vorſchrift des canoniſchen Rechts als das un- (o) (o) berufen ſich meiſt nur auf eine ohne weitere Gründe behauptete aequitas.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/67>, abgerufen am 25.04.2024.