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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
testation wird hier, wie in dem vorhergehenden Fall, seine
Obligation eine unbeschränkte (Note g.).

Untersucht man die Wichtigkeit und den inneren Werth
dieser eigenthümlichen Bestimmungen, so ist es sogleich ein-
leuchtend, daß die Noxalklagen für uns völlig verschwun-
den sind; die Behandlung mehrerer gemeinschaftlich Han-
delnden, an sich nicht von großer Erheblichkeit, enthält
nichts Anstößiges; dagegen erfordert der beschränkte Über-
gang auf die Erben eine genauere Betrachtung. -- Von
einem allgemeineren Standpunkt aus angesehen, erscheinen
hierin die zweyseitigen und einseitigen Strafklagen in ihrem
innersten Wesen verschieden. Wenn ein Verbrecher Ge-
fängniß oder Leibesstrafe verwirkt hat, und vor der Be-
strafung stirbt, so wird Niemand daran denken, diese
Strafe an dem Erben vollziehen zu lassen; der Grund

Klagen prätorische seyen, die Ci-
vilklagen dieser Art sollen unbe-
schränkt gegen die Erben gehen,
der einzige Fall solcher Art aber
sey die condictio furtiva. Diese
Unterscheidung, wofür er überdem
einen befriedigenden inneren Erklä-
rungsgrund anzugeben vergeblich
versucht hat (S.37) wird unten durch
den Beweis widerlegt werden, daß
die condictio furtiva keine De-
lictsklage ist. (Beyl. XIV. Num.
XVII. XVIII.). Sie läßt sich
aber auch durch die a. L. Aqui-
liae
widerlegen. Zwar ist diese
durch die künstliche Schadensrech-
nung eine zweyseitige Strafklage
geworden. Allein wenn das von
Franke aufgestellte Princip richtig
wäre, würde dem Verlezten die un-
beschränkte Klage gegen den Erben
nicht versagt werden können, so-
bald er sich entschlösse, Das was
in der Klage die Strafnatur hat
aufzugeben, und nur die reine Ent-
schädigung (berechnet nach der Zeit
des begangenen Delicts) zu for-
dern, durch welche Forderung er
ja ganz in derselben Lage seyn
würde, wie (nach Franke's Mey-
nung) der Bestohlene in der con-
dictio furtiva.
Und doch soll je-
ner Beschädigte von dem Erben
durchaus nur dessen Bereicherung
abfordern können. Vgl. noch un-
ten § 212. g.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
teſtation wird hier, wie in dem vorhergehenden Fall, ſeine
Obligation eine unbeſchränkte (Note g.).

Unterſucht man die Wichtigkeit und den inneren Werth
dieſer eigenthümlichen Beſtimmungen, ſo iſt es ſogleich ein-
leuchtend, daß die Noxalklagen für uns völlig verſchwun-
den ſind; die Behandlung mehrerer gemeinſchaftlich Han-
delnden, an ſich nicht von großer Erheblichkeit, enthält
nichts Anſtößiges; dagegen erfordert der beſchränkte Über-
gang auf die Erben eine genauere Betrachtung. — Von
einem allgemeineren Standpunkt aus angeſehen, erſcheinen
hierin die zweyſeitigen und einſeitigen Strafklagen in ihrem
innerſten Weſen verſchieden. Wenn ein Verbrecher Ge-
fängniß oder Leibesſtrafe verwirkt hat, und vor der Be-
ſtrafung ſtirbt, ſo wird Niemand daran denken, dieſe
Strafe an dem Erben vollziehen zu laſſen; der Grund

Klagen prätoriſche ſeyen, die Ci-
vilklagen dieſer Art ſollen unbe-
ſchränkt gegen die Erben gehen,
der einzige Fall ſolcher Art aber
ſey die condictio furtiva. Dieſe
Unterſcheidung, wofür er überdem
einen befriedigenden inneren Erklä-
rungsgrund anzugeben vergeblich
verſucht hat (S.37) wird unten durch
den Beweis widerlegt werden, daß
die condictio furtiva keine De-
lictsklage iſt. (Beyl. XIV. Num.
XVII. XVIII.). Sie läßt ſich
aber auch durch die a. L. Aqui-
liae
widerlegen. Zwar iſt dieſe
durch die künſtliche Schadensrech-
nung eine zweyſeitige Strafklage
geworden. Allein wenn das von
Franke aufgeſtellte Princip richtig
wäre, würde dem Verlezten die un-
beſchränkte Klage gegen den Erben
nicht verſagt werden können, ſo-
bald er ſich entſchlöſſe, Das was
in der Klage die Strafnatur hat
aufzugeben, und nur die reine Ent-
ſchädigung (berechnet nach der Zeit
des begangenen Delicts) zu for-
dern, durch welche Forderung er
ja ganz in derſelben Lage ſeyn
würde, wie (nach Franke’s Mey-
nung) der Beſtohlene in der con-
dictio furtiva.
Und doch ſoll je-
ner Beſchädigte von dem Erben
durchaus nur deſſen Bereicherung
abfordern können. Vgl. noch un-
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[48/0062] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. teſtation wird hier, wie in dem vorhergehenden Fall, ſeine Obligation eine unbeſchränkte (Note g.). Unterſucht man die Wichtigkeit und den inneren Werth dieſer eigenthümlichen Beſtimmungen, ſo iſt es ſogleich ein- leuchtend, daß die Noxalklagen für uns völlig verſchwun- den ſind; die Behandlung mehrerer gemeinſchaftlich Han- delnden, an ſich nicht von großer Erheblichkeit, enthält nichts Anſtößiges; dagegen erfordert der beſchränkte Über- gang auf die Erben eine genauere Betrachtung. — Von einem allgemeineren Standpunkt aus angeſehen, erſcheinen hierin die zweyſeitigen und einſeitigen Strafklagen in ihrem innerſten Weſen verſchieden. Wenn ein Verbrecher Ge- fängniß oder Leibesſtrafe verwirkt hat, und vor der Be- ſtrafung ſtirbt, ſo wird Niemand daran denken, dieſe Strafe an dem Erben vollziehen zu laſſen; der Grund (h) (h) Klagen prätoriſche ſeyen, die Ci- vilklagen dieſer Art ſollen unbe- ſchränkt gegen die Erben gehen, der einzige Fall ſolcher Art aber ſey die condictio furtiva. Dieſe Unterſcheidung, wofür er überdem einen befriedigenden inneren Erklä- rungsgrund anzugeben vergeblich verſucht hat (S.37) wird unten durch den Beweis widerlegt werden, daß die condictio furtiva keine De- lictsklage iſt. (Beyl. XIV. Num. XVII. XVIII.). Sie läßt ſich aber auch durch die a. L. Aqui- liae widerlegen. Zwar iſt dieſe durch die künſtliche Schadensrech- nung eine zweyſeitige Strafklage geworden. Allein wenn das von Franke aufgeſtellte Princip richtig wäre, würde dem Verlezten die un- beſchränkte Klage gegen den Erben nicht verſagt werden können, ſo- bald er ſich entſchlöſſe, Das was in der Klage die Strafnatur hat aufzugeben, und nur die reine Ent- ſchädigung (berechnet nach der Zeit des begangenen Delicts) zu for- dern, durch welche Forderung er ja ganz in derſelben Lage ſeyn würde, wie (nach Franke’s Mey- nung) der Beſtohlene in der con- dictio furtiva. Und doch ſoll je- ner Beſchädigte von dem Erben durchaus nur deſſen Bereicherung abfordern können. Vgl. noch un- ten § 212. g.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/62>, abgerufen am 25.04.2024.