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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
Gajus dar (b), er war aber entschieden schon zur Zeit
des Cicero vorhanden, welcher ein Beyspiel dieser petito-
ria formula,
ganz mit Gajus übereinstimmend, anführt (c).
Dadurch war eine einzelne in rem actio in den Formular-
prozeß eingeführt, so daß man damals sagen konnte, in
rem actio
sey der individuelle Name der Eigenthumsklage,
in personam actio die generische Bezeichnung aller übrigen
Klagen überhaupt. Der in dieser Zeit so gebildete Sprach-
gebrauch hat sich, wie es zu geschehen pflegt, theilweise
noch in späterer Zeit erhalten, so daß nicht selten in rem
actio
als individueller Name von solchen Schriftstellern
gebraucht wird (d), die außerdem den Ausdruck als Be-

(b) Gajus IV. § 91 -- 95. Es
gab zweyerley Eigenthumsklagen
per formulas, und außerdem noch
die Sacramenti legis actio vor
den Centumvirn.
(c) Cicero in Verrem II. 12
"L. Octavius judex esto: Si
paret, fundum Capenatem, quo
de agitur, ex jure quiritium
P. Servilii esse, neque is fun-
dus Q. Catulo restituetur:
non
necesse erit L. Octavio judici
cogere P. Servilium Q. Catulo
fundum restituere, aut condem-
nare eum quem non oporteat?"

Offenbar wählt hier Cicero eine
hergebrachte, allgemein anerkannte
Klagformel, und was er daran
als schreyende Ungerechtigkeit her-
vorhebt, besteht nur darin, daß
nach dieser Fassung die Restitution
des Grundstücks an eine andere
Person, als den vorher bezeichne-
ten Eigenthümer geschehen müßte.
(d) So geschieht es von Ga-
jus (IV. 51. 91. 86. 87), Ulpian
(L. 1 § 1 de R. V. 6. 1), Pau-
lus (L. 23 pr. eod.). Eben so
in vielen Stellen des tit. Dig.
de R. V.
(6. 1.). -- Dagegen
darf nicht hieraus erklärt werden
L. 25 pr. de O. et A. (44. 7)
"In rem actio est per quam
rem nostram, quae ab alio
possidetur, petimus."
Denn da
diese Worte unmittelbar hinter der
Eintheilung der actiones in duo
genera
stehen (s. o. § 206), so ist
offenbar jener Satz nicht Defini-
tion der in rem actio, sondern
nur erläuterndes Beyspiel für den
aufgestellten generischen Begriff.
Auch würde ja sonst in diesen
Worten Ulpian selbst der confes-
soria
den Character einer in rem
actio
absprechen.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Gajus dar (b), er war aber entſchieden ſchon zur Zeit
des Cicero vorhanden, welcher ein Beyſpiel dieſer petito-
ria formula,
ganz mit Gajus übereinſtimmend, anführt (c).
Dadurch war eine einzelne in rem actio in den Formular-
prozeß eingeführt, ſo daß man damals ſagen konnte, in
rem actio
ſey der individuelle Name der Eigenthumsklage,
in personam actio die generiſche Bezeichnung aller übrigen
Klagen überhaupt. Der in dieſer Zeit ſo gebildete Sprach-
gebrauch hat ſich, wie es zu geſchehen pflegt, theilweiſe
noch in ſpäterer Zeit erhalten, ſo daß nicht ſelten in rem
actio
als individueller Name von ſolchen Schriftſtellern
gebraucht wird (d), die außerdem den Ausdruck als Be-

(b) Gajus IV. § 91 — 95. Es
gab zweyerley Eigenthumsklagen
per formulas, und außerdem noch
die Sacramenti legis actio vor
den Centumvirn.
(c) Cicero in Verrem II. 12
„L. Octavius judex esto: Si
paret, fundum Capenatem, quo
de agitur, ex jure quiritium
P. Servilii esse, neque is fun-
dus Q. Catulo restituetur:
non
necesse erit L. Octavio judici
cogere P. Servilium Q. Catulo
fundum restituere, aut condem-
nare eum quem non oporteat?”

Offenbar wählt hier Cicero eine
hergebrachte, allgemein anerkannte
Klagformel, und was er daran
als ſchreyende Ungerechtigkeit her-
vorhebt, beſteht nur darin, daß
nach dieſer Faſſung die Reſtitution
des Grundſtücks an eine andere
Perſon, als den vorher bezeichne-
ten Eigenthümer geſchehen müßte.
(d) So geſchieht es von Ga-
jus (IV. 51. 91. 86. 87), Ulpian
(L. 1 § 1 de R. V. 6. 1), Pau-
lus (L. 23 pr. eod.). Eben ſo
in vielen Stellen des tit. Dig.
de R. V.
(6. 1.). — Dagegen
darf nicht hieraus erklärt werden
L. 25 pr. de O. et A. (44. 7)
„In rem actio est per quam
rem nostram, quae ab alio
possidetur, petimus.”
Denn da
dieſe Worte unmittelbar hinter der
Eintheilung der actiones in duo
genera
ſtehen (ſ. o. § 206), ſo iſt
offenbar jener Satz nicht Defini-
tion der in rem actio, ſondern
nur erläuterndes Beyſpiel für den
aufgeſtellten generiſchen Begriff.
Auch würde ja ſonſt in dieſen
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soria
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actio
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[30/0044] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. Gajus dar (b), er war aber entſchieden ſchon zur Zeit des Cicero vorhanden, welcher ein Beyſpiel dieſer petito- ria formula, ganz mit Gajus übereinſtimmend, anführt (c). Dadurch war eine einzelne in rem actio in den Formular- prozeß eingeführt, ſo daß man damals ſagen konnte, in rem actio ſey der individuelle Name der Eigenthumsklage, in personam actio die generiſche Bezeichnung aller übrigen Klagen überhaupt. Der in dieſer Zeit ſo gebildete Sprach- gebrauch hat ſich, wie es zu geſchehen pflegt, theilweiſe noch in ſpäterer Zeit erhalten, ſo daß nicht ſelten in rem actio als individueller Name von ſolchen Schriftſtellern gebraucht wird (d), die außerdem den Ausdruck als Be- (b) Gajus IV. § 91 — 95. Es gab zweyerley Eigenthumsklagen per formulas, und außerdem noch die Sacramenti legis actio vor den Centumvirn. (c) Cicero in Verrem II. 12 „L. Octavius judex esto: Si paret, fundum Capenatem, quo de agitur, ex jure quiritium P. Servilii esse, neque is fun- dus Q. Catulo restituetur: non necesse erit L. Octavio judici cogere P. Servilium Q. Catulo fundum restituere, aut condem- nare eum quem non oporteat?” Offenbar wählt hier Cicero eine hergebrachte, allgemein anerkannte Klagformel, und was er daran als ſchreyende Ungerechtigkeit her- vorhebt, beſteht nur darin, daß nach dieſer Faſſung die Reſtitution des Grundſtücks an eine andere Perſon, als den vorher bezeichne- ten Eigenthümer geſchehen müßte. (d) So geſchieht es von Ga- jus (IV. 51. 91. 86. 87), Ulpian (L. 1 § 1 de R. V. 6. 1), Pau- lus (L. 23 pr. eod.). Eben ſo in vielen Stellen des tit. Dig. de R. V. (6. 1.). — Dagegen darf nicht hieraus erklärt werden L. 25 pr. de O. et A. (44. 7) „In rem actio est per quam rem nostram, quae ab alio possidetur, petimus.” Denn da dieſe Worte unmittelbar hinter der Eintheilung der actiones in duo genera ſtehen (ſ. o. § 206), ſo iſt offenbar jener Satz nicht Defini- tion der in rem actio, ſondern nur erläuterndes Beyſpiel für den aufgeſtellten generiſchen Begriff. Auch würde ja ſonſt in dieſen Worten Ulpian ſelbſt der confes- soria den Character einer in rem actio abſprechen.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/44>, abgerufen am 20.04.2024.