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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
Überlegung würde sich Dinus gesagt haben, daß nun der
Ausdruck zu allgemein sey, indem er z. B. die Verjährung
der Darlehensklage ausschließe. Indem man aus der Stelle
einen bestimmten und ausschließenden Sprachgebrauch des
canonischen Rechts beweisen will, setzt man jene sorgfäl-
tige Überlegung, die Abwägung jedes Wortes, voraus;
aber jeder Unbefangene wird einräumen, daß durch diese
Voraussetzung dem Dinus eine ganz übertriebene Ehre er-
wiesen wird. Vollends wenn man diese Stelle dazu ge-
brauchen will, um daraus einen constanten, durch alle Zei-
ten durchgehenden, Sprachgebrauch des canonischen Rechts
zu begründen, wie es geschehen muß, wenn daraus die
älteren Decretalen von Alexander III. und Innocenz III. er-
klärt werden sollen, so ist dieses Verfahren völlig verwerf-
lich. Wir nehmen für die drey Rechtsbücher von Justi-
nian eine gewisse Solidarität an, und nicht ohne Grund,
obgleich auch hier nicht ohne Einschränkung, und mehr für
den Inhalt der Rechtssätze, als für den Sprachgebrauch (u);
aber für die der Zeit nach weit aus einander liegenden
Quellen des canonischen Rechts würde eine ähnliche An-
nahme ganz bodenlos seyn.

Für die zweyte Meynung sind eigenthümliche Gründe
nicht vorgebracht worden. Ihr Vertheidiger sucht eigent-
lich nur die vierte Meynung zu bekämpfen, und in diesem
Bestreben trifft er mit den Vertheidigern der dritten zu-

(u) Vgl. oben B. 1 § 43.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Überlegung würde ſich Dinus geſagt haben, daß nun der
Ausdruck zu allgemein ſey, indem er z. B. die Verjährung
der Darlehensklage ausſchließe. Indem man aus der Stelle
einen beſtimmten und ausſchließenden Sprachgebrauch des
canoniſchen Rechts beweiſen will, ſetzt man jene ſorgfäl-
tige Überlegung, die Abwägung jedes Wortes, voraus;
aber jeder Unbefangene wird einräumen, daß durch dieſe
Vorausſetzung dem Dinus eine ganz übertriebene Ehre er-
wieſen wird. Vollends wenn man dieſe Stelle dazu ge-
brauchen will, um daraus einen conſtanten, durch alle Zei-
ten durchgehenden, Sprachgebrauch des canoniſchen Rechts
zu begründen, wie es geſchehen muß, wenn daraus die
älteren Decretalen von Alexander III. und Innocenz III. er-
klärt werden ſollen, ſo iſt dieſes Verfahren völlig verwerf-
lich. Wir nehmen für die drey Rechtsbücher von Juſti-
nian eine gewiſſe Solidarität an, und nicht ohne Grund,
obgleich auch hier nicht ohne Einſchränkung, und mehr für
den Inhalt der Rechtsſätze, als für den Sprachgebrauch (u);
aber für die der Zeit nach weit aus einander liegenden
Quellen des canoniſchen Rechts würde eine ähnliche An-
nahme ganz bodenlos ſeyn.

Für die zweyte Meynung ſind eigenthümliche Gründe
nicht vorgebracht worden. Ihr Vertheidiger ſucht eigent-
lich nur die vierte Meynung zu bekämpfen, und in dieſem
Beſtreben trifft er mit den Vertheidigern der dritten zu-

(u) Vgl. oben B. 1 § 43.
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[334/0348] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. Überlegung würde ſich Dinus geſagt haben, daß nun der Ausdruck zu allgemein ſey, indem er z. B. die Verjährung der Darlehensklage ausſchließe. Indem man aus der Stelle einen beſtimmten und ausſchließenden Sprachgebrauch des canoniſchen Rechts beweiſen will, ſetzt man jene ſorgfäl- tige Überlegung, die Abwägung jedes Wortes, voraus; aber jeder Unbefangene wird einräumen, daß durch dieſe Vorausſetzung dem Dinus eine ganz übertriebene Ehre er- wieſen wird. Vollends wenn man dieſe Stelle dazu ge- brauchen will, um daraus einen conſtanten, durch alle Zei- ten durchgehenden, Sprachgebrauch des canoniſchen Rechts zu begründen, wie es geſchehen muß, wenn daraus die älteren Decretalen von Alexander III. und Innocenz III. er- klärt werden ſollen, ſo iſt dieſes Verfahren völlig verwerf- lich. Wir nehmen für die drey Rechtsbücher von Juſti- nian eine gewiſſe Solidarität an, und nicht ohne Grund, obgleich auch hier nicht ohne Einſchränkung, und mehr für den Inhalt der Rechtsſätze, als für den Sprachgebrauch (u); aber für die der Zeit nach weit aus einander liegenden Quellen des canoniſchen Rechts würde eine ähnliche An- nahme ganz bodenlos ſeyn. Für die zweyte Meynung ſind eigenthümliche Gründe nicht vorgebracht worden. Ihr Vertheidiger ſucht eigent- lich nur die vierte Meynung zu bekämpfen, und in dieſem Beſtreben trifft er mit den Vertheidigern der dritten zu- (u) Vgl. oben B. 1 § 43.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/348>, abgerufen am 19.04.2024.