Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 244. Klagverjährung. Bedingungen. Bona fides.
Usucapion erforderte bona fides für den Anfang des Be-
sitzes, nicht für dessen Fortsetzung. Der Klagverjährung
an sich war dieses Erforderniß fremd, indem nur auf die
Versäumniß des Klägers gesehen wurde. Nur die longi
temporis praescriptio
schloß sich in ihren Bedingungen
ganz an die Usucapion an, so daß auch die bona fides
dazu gerechnet werden mußte. Wenn später Justinian
auch für den dreyßigjährigen Besitz bona fides forderte (b),
so geschah dieses nur, insofern hier der Besitzer auf die
Vortheile der Ersitzung Anspruch machen, also über die
Klagverjährung hinaus gehen wollte; für diese letzte lag
darin gar keine Neuerung. -- Auch die longi temporis
praescriptio
ist als ein selbstständiges Rechtsinstitut aus
dem Justinianischen Recht verschwunden, und so kann man
sagen, daß im neuesten Römischen Recht die bona fides als
Bedingung der Klagverjährung gar nicht mehr vorkommt.

Dieser Zustand des Rechts hat sich bis zu Ende des
zwölften Jahrhunderts unverändert erhalten, und Gratian
stellt ihn, um die Mitte desselben, so dar, wie wir ihn in
den Quellen des Römischen Rechts finden (c).

Wichtige Neuerungen aber wurden eingeführt durch
zwey Decretalen, deren wahrer Sinn von jeher in hohem
Grade bestritten gewesen ist, und deren Text hierher ge-
setzt werden soll, soweit er zur Feststellung dieser Lehre
nöthig ist (d):


(b) L. 8 § 1 C. de praescr.
XXX.
(7. 39.).
(c) c. 15. C. 16. q. 3.
(d) Ausführlicher handelt von
beiden Stellen Möllenthiel a.
a. O., und Unterholzner I. § 92.

§. 244. Klagverjährung. Bedingungen. Bona fides.
Uſucapion erforderte bona fides für den Anfang des Be-
ſitzes, nicht für deſſen Fortſetzung. Der Klagverjährung
an ſich war dieſes Erforderniß fremd, indem nur auf die
Verſäumniß des Klägers geſehen wurde. Nur die longi
temporis praescriptio
ſchloß ſich in ihren Bedingungen
ganz an die Uſucapion an, ſo daß auch die bona fides
dazu gerechnet werden mußte. Wenn ſpäter Juſtinian
auch für den dreyßigjährigen Beſitz bona fides forderte (b),
ſo geſchah dieſes nur, inſofern hier der Beſitzer auf die
Vortheile der Erſitzung Anſpruch machen, alſo über die
Klagverjährung hinaus gehen wollte; für dieſe letzte lag
darin gar keine Neuerung. — Auch die longi temporis
praescriptio
iſt als ein ſelbſtſtändiges Rechtsinſtitut aus
dem Juſtinianiſchen Recht verſchwunden, und ſo kann man
ſagen, daß im neueſten Römiſchen Recht die bona fides als
Bedingung der Klagverjährung gar nicht mehr vorkommt.

Dieſer Zuſtand des Rechts hat ſich bis zu Ende des
zwölften Jahrhunderts unverändert erhalten, und Gratian
ſtellt ihn, um die Mitte deſſelben, ſo dar, wie wir ihn in
den Quellen des Römiſchen Rechts finden (c).

Wichtige Neuerungen aber wurden eingeführt durch
zwey Decretalen, deren wahrer Sinn von jeher in hohem
Grade beſtritten geweſen iſt, und deren Text hierher ge-
ſetzt werden ſoll, ſoweit er zur Feſtſtellung dieſer Lehre
nöthig iſt (d):


(b) L. 8 § 1 C. de praescr.
XXX.
(7. 39.).
(c) c. 15. C. 16. q. 3.
(d) Ausführlicher handelt von
beiden Stellen Möllenthiel a.
a. O., und Unterholzner I. § 92.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0341" n="327"/><fw place="top" type="header">§. 244. Klagverjährung. Bedingungen. <hi rendition="#aq">Bona fides.</hi></fw><lb/>
U&#x017F;ucapion erforderte <hi rendition="#aq">bona fides</hi> für den Anfang des Be-<lb/>
&#x017F;itzes, nicht für de&#x017F;&#x017F;en Fort&#x017F;etzung. Der Klagverjährung<lb/>
an &#x017F;ich war die&#x017F;es Erforderniß fremd, indem nur auf die<lb/>
Ver&#x017F;äumniß des Klägers ge&#x017F;ehen wurde. Nur die <hi rendition="#aq">longi<lb/>
temporis praescriptio</hi> &#x017F;chloß &#x017F;ich in ihren Bedingungen<lb/>
ganz an die U&#x017F;ucapion an, &#x017F;o daß auch die <hi rendition="#aq">bona fides</hi><lb/>
dazu gerechnet werden mußte. Wenn &#x017F;päter Ju&#x017F;tinian<lb/>
auch für den dreyßigjährigen Be&#x017F;itz <hi rendition="#aq">bona fides</hi> forderte <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 8 § 1 <hi rendition="#i">C. de praescr.</hi><lb/>
XXX.</hi> (7. 39.).</note>,<lb/>
&#x017F;o ge&#x017F;chah die&#x017F;es nur, in&#x017F;ofern hier der Be&#x017F;itzer auf die<lb/>
Vortheile der Er&#x017F;itzung An&#x017F;pruch machen, al&#x017F;o über die<lb/>
Klagverjährung hinaus gehen wollte; für die&#x017F;e letzte lag<lb/>
darin gar keine Neuerung. &#x2014; Auch die <hi rendition="#aq">longi temporis<lb/>
praescriptio</hi> i&#x017F;t als ein &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tändiges Rechtsin&#x017F;titut aus<lb/>
dem Ju&#x017F;tiniani&#x017F;chen Recht ver&#x017F;chwunden, und &#x017F;o kann man<lb/>
&#x017F;agen, daß im neue&#x017F;ten Römi&#x017F;chen Recht die <hi rendition="#aq">bona fides</hi> als<lb/>
Bedingung der Klagverjährung gar nicht mehr vorkommt.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;er Zu&#x017F;tand des Rechts hat &#x017F;ich bis zu Ende des<lb/>
zwölften Jahrhunderts unverändert erhalten, und Gratian<lb/>
&#x017F;tellt ihn, um die Mitte de&#x017F;&#x017F;elben, &#x017F;o dar, wie wir ihn in<lb/>
den Quellen des Römi&#x017F;chen Rechts finden <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq">c. 15. C. 16. q.</hi> 3.</note>.</p><lb/>
            <p>Wichtige Neuerungen aber wurden eingeführt durch<lb/>
zwey Decretalen, deren wahrer Sinn von jeher in hohem<lb/>
Grade be&#x017F;tritten gewe&#x017F;en i&#x017F;t, und deren Text hierher ge-<lb/>
&#x017F;etzt werden &#x017F;oll, &#x017F;oweit er zur Fe&#x017F;t&#x017F;tellung die&#x017F;er Lehre<lb/>
nöthig i&#x017F;t <note place="foot" n="(d)">Ausführlicher handelt von<lb/>
beiden Stellen <hi rendition="#g">Möllenthiel</hi> a.<lb/>
a. O., und <hi rendition="#g">Unterholzner</hi> <hi rendition="#aq">I.</hi> § 92.</note>:</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[327/0341] §. 244. Klagverjährung. Bedingungen. Bona fides. Uſucapion erforderte bona fides für den Anfang des Be- ſitzes, nicht für deſſen Fortſetzung. Der Klagverjährung an ſich war dieſes Erforderniß fremd, indem nur auf die Verſäumniß des Klägers geſehen wurde. Nur die longi temporis praescriptio ſchloß ſich in ihren Bedingungen ganz an die Uſucapion an, ſo daß auch die bona fides dazu gerechnet werden mußte. Wenn ſpäter Juſtinian auch für den dreyßigjährigen Beſitz bona fides forderte (b), ſo geſchah dieſes nur, inſofern hier der Beſitzer auf die Vortheile der Erſitzung Anſpruch machen, alſo über die Klagverjährung hinaus gehen wollte; für dieſe letzte lag darin gar keine Neuerung. — Auch die longi temporis praescriptio iſt als ein ſelbſtſtändiges Rechtsinſtitut aus dem Juſtinianiſchen Recht verſchwunden, und ſo kann man ſagen, daß im neueſten Römiſchen Recht die bona fides als Bedingung der Klagverjährung gar nicht mehr vorkommt. Dieſer Zuſtand des Rechts hat ſich bis zu Ende des zwölften Jahrhunderts unverändert erhalten, und Gratian ſtellt ihn, um die Mitte deſſelben, ſo dar, wie wir ihn in den Quellen des Römiſchen Rechts finden (c). Wichtige Neuerungen aber wurden eingeführt durch zwey Decretalen, deren wahrer Sinn von jeher in hohem Grade beſtritten geweſen iſt, und deren Text hierher ge- ſetzt werden ſoll, ſoweit er zur Feſtſtellung dieſer Lehre nöthig iſt (d): (b) L. 8 § 1 C. de praescr. XXX. (7. 39.). (c) c. 15. C. 16. q. 3. (d) Ausführlicher handelt von beiden Stellen Möllenthiel a. a. O., und Unterholzner I. § 92.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/341
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/341>, abgerufen am 23.04.2024.