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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
nischen Gesetzes, und muß daher als willkührlich verworfen
werden (u). Noch weniger Grund hat es, wenn Manche,
bey den ursprünglich vierzigjährigen Klagen, nunmehr funf-
zig Jahre annehmen wollen (v). Gegen beide abweichende
Meynungen spricht, außer der uneingeschränkten Vor-
schrift des Gesetzes, noch folgende allgemeinere Betrach-
tung. Wenn die angestellte Klage hinterher liegen blieb,
so ist die Lage des Klägers eine ganz andere als die,
worin er sich vor Anfang des Rechtsstreits befand, so daß
die Gründe, welche ursprünglich bald kürzere, bald längere
Verjährungsfristen veranlaßten, nun nicht mehr eingreifen.
Die nunmehr ganz veränderte Lage des Klägers erhellt
besonders aus der Betrachtung, daß es jetzt gar nicht
mehr ermittelt werden kann, wie viel bey der Verzögerung
der Sache dem Kläger, wie viel dem Beklagten oder dem
Richter zur Last fällt. Hierin aber stehen alle Klagen ein-
ander gleich, sie mögen ursprünglich eine kurze oder eine
lange Verjährungsfrist gehabt haben, und es ist daher
auch kein Grund vorhanden, unter diesen neuen Verhält-
nissen bey manchen Klagen eine größere Strenge, als bey
anderen, gegen den Kläger eintreten zu lassen.

Dagegen darf in folgenden Fällen der Zeitraum von
Vierzig Jahren nicht zur Anwendung gebracht werden:

I. Nach der rechtskräftigen Verurtheilung. Zwar hat
es auf den ersten Blick vielen Schein, daß die Lage des

(u) Thibaut Verjährung S.
120. Göschen I. S. 447. Van-
gerow
I. S. 181.
(v) Dieser Meynung widerspricht
auch Unterholzner I. S. 446.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
niſchen Geſetzes, und muß daher als willkührlich verworfen
werden (u). Noch weniger Grund hat es, wenn Manche,
bey den urſprünglich vierzigjährigen Klagen, nunmehr funf-
zig Jahre annehmen wollen (v). Gegen beide abweichende
Meynungen ſpricht, außer der uneingeſchränkten Vor-
ſchrift des Geſetzes, noch folgende allgemeinere Betrach-
tung. Wenn die angeſtellte Klage hinterher liegen blieb,
ſo iſt die Lage des Klägers eine ganz andere als die,
worin er ſich vor Anfang des Rechtsſtreits befand, ſo daß
die Gründe, welche urſprünglich bald kürzere, bald längere
Verjährungsfriſten veranlaßten, nun nicht mehr eingreifen.
Die nunmehr ganz veränderte Lage des Klägers erhellt
beſonders aus der Betrachtung, daß es jetzt gar nicht
mehr ermittelt werden kann, wie viel bey der Verzögerung
der Sache dem Kläger, wie viel dem Beklagten oder dem
Richter zur Laſt fällt. Hierin aber ſtehen alle Klagen ein-
ander gleich, ſie mögen urſprünglich eine kurze oder eine
lange Verjährungsfriſt gehabt haben, und es iſt daher
auch kein Grund vorhanden, unter dieſen neuen Verhält-
niſſen bey manchen Klagen eine größere Strenge, als bey
anderen, gegen den Kläger eintreten zu laſſen.

Dagegen darf in folgenden Fällen der Zeitraum von
Vierzig Jahren nicht zur Anwendung gebracht werden:

I. Nach der rechtskräftigen Verurtheilung. Zwar hat
es auf den erſten Blick vielen Schein, daß die Lage des

(u) Thibaut Verjährung S.
120. Göſchen I. S. 447. Van-
gerow
I. S. 181.
(v) Dieſer Meynung widerſpricht
auch Unterholzner I. S. 446.
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[324/0338] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. niſchen Geſetzes, und muß daher als willkührlich verworfen werden (u). Noch weniger Grund hat es, wenn Manche, bey den urſprünglich vierzigjährigen Klagen, nunmehr funf- zig Jahre annehmen wollen (v). Gegen beide abweichende Meynungen ſpricht, außer der uneingeſchränkten Vor- ſchrift des Geſetzes, noch folgende allgemeinere Betrach- tung. Wenn die angeſtellte Klage hinterher liegen blieb, ſo iſt die Lage des Klägers eine ganz andere als die, worin er ſich vor Anfang des Rechtsſtreits befand, ſo daß die Gründe, welche urſprünglich bald kürzere, bald längere Verjährungsfriſten veranlaßten, nun nicht mehr eingreifen. Die nunmehr ganz veränderte Lage des Klägers erhellt beſonders aus der Betrachtung, daß es jetzt gar nicht mehr ermittelt werden kann, wie viel bey der Verzögerung der Sache dem Kläger, wie viel dem Beklagten oder dem Richter zur Laſt fällt. Hierin aber ſtehen alle Klagen ein- ander gleich, ſie mögen urſprünglich eine kurze oder eine lange Verjährungsfriſt gehabt haben, und es iſt daher auch kein Grund vorhanden, unter dieſen neuen Verhält- niſſen bey manchen Klagen eine größere Strenge, als bey anderen, gegen den Kläger eintreten zu laſſen. Dagegen darf in folgenden Fällen der Zeitraum von Vierzig Jahren nicht zur Anwendung gebracht werden: I. Nach der rechtskräftigen Verurtheilung. Zwar hat es auf den erſten Blick vielen Schein, daß die Lage des (u) Thibaut Verjährung S. 120. Göſchen I. S. 447. Van- gerow I. S. 181. (v) Dieſer Meynung widerſpricht auch Unterholzner I. S. 446.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/338>, abgerufen am 29.03.2024.