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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
bey zinstragenden Schulden sollen die 30 Jahre für die
Klage aus dem contractus (d. h. auf die Kapitalschuld)
anfangen, wenn zuerst eine Zinszahlung ausbleibt.

Die aufgestellte Regel bedarf jedoch noch folgender
näheren Bestimmungen. Sie ist nur wahr für den Fall
eines auf ganz unbestimmte Kündigung gegebenen Darle-
hens, wie es sich da, wo über das Ende gar Nichts ge-
sagt ist, ohnehin von selbst versteht. Ist dagegen eine
Kündigungsfrist ausbedungen, z. B. von Drey Monaten,
so fängt die Verjährung der Schuldklage erst Drey Mo-
nate nach dem nicht eingehaltenen Zinstermin an, weil
selbst im Fall einer ausdrücklichen, in jenem Zeitpunkt aus-
gesprochenen Kündigung, erst nach Drey Monaten geklagt
werden konnte. -- Ist für das ganze Darlehen ein bestimm-
ter Zeitraum, z. B. von Zehen Jahren, ausbedungen, so
fängt die Verjährung erst am Ende der Zehen Jahre an,
selbst wenn früher Zinsen ausgeblieben sind, weil vor je-
nem Zeitpunkt in keinem Fall das Kapital eingeklagt wer-
den konnte. Es kann aber auch in diesem Fall die Ver-
jährung einen späteren Anfang haben. Ist nämlich der
Schuldner nach Ablauf der Zehen Jahre im Besitz des
Geldes geblieben und hat fernere Zinsen gezahlt, so liegt
darin eine stillschweigende Erneuerung des Darlehens, nun
aber auf unbestimmte Kündigung. -- Es kann geschehen,
daß weder die geleistete, noch die ausgebliebene Zinszah-
lung bewiesen werden kann, ja daß vielleicht beide Theile
über diese Thatsache selbst ungewiß sind, z. B. wenn nach

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
bey zinstragenden Schulden ſollen die 30 Jahre für die
Klage aus dem contractus (d. h. auf die Kapitalſchuld)
anfangen, wenn zuerſt eine Zinszahlung ausbleibt.

Die aufgeſtellte Regel bedarf jedoch noch folgender
näheren Beſtimmungen. Sie iſt nur wahr für den Fall
eines auf ganz unbeſtimmte Kündigung gegebenen Darle-
hens, wie es ſich da, wo über das Ende gar Nichts ge-
ſagt iſt, ohnehin von ſelbſt verſteht. Iſt dagegen eine
Kündigungsfriſt ausbedungen, z. B. von Drey Monaten,
ſo fängt die Verjährung der Schuldklage erſt Drey Mo-
nate nach dem nicht eingehaltenen Zinstermin an, weil
ſelbſt im Fall einer ausdrücklichen, in jenem Zeitpunkt aus-
geſprochenen Kündigung, erſt nach Drey Monaten geklagt
werden konnte. — Iſt für das ganze Darlehen ein beſtimm-
ter Zeitraum, z. B. von Zehen Jahren, ausbedungen, ſo
fängt die Verjährung erſt am Ende der Zehen Jahre an,
ſelbſt wenn früher Zinſen ausgeblieben ſind, weil vor je-
nem Zeitpunkt in keinem Fall das Kapital eingeklagt wer-
den konnte. Es kann aber auch in dieſem Fall die Ver-
jährung einen ſpäteren Anfang haben. Iſt nämlich der
Schuldner nach Ablauf der Zehen Jahre im Beſitz des
Geldes geblieben und hat fernere Zinſen gezahlt, ſo liegt
darin eine ſtillſchweigende Erneuerung des Darlehens, nun
aber auf unbeſtimmte Kündigung. — Es kann geſchehen,
daß weder die geleiſtete, noch die ausgebliebene Zinszah-
lung bewieſen werden kann, ja daß vielleicht beide Theile
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[308/0322] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. bey zinstragenden Schulden ſollen die 30 Jahre für die Klage aus dem contractus (d. h. auf die Kapitalſchuld) anfangen, wenn zuerſt eine Zinszahlung ausbleibt. Die aufgeſtellte Regel bedarf jedoch noch folgender näheren Beſtimmungen. Sie iſt nur wahr für den Fall eines auf ganz unbeſtimmte Kündigung gegebenen Darle- hens, wie es ſich da, wo über das Ende gar Nichts ge- ſagt iſt, ohnehin von ſelbſt verſteht. Iſt dagegen eine Kündigungsfriſt ausbedungen, z. B. von Drey Monaten, ſo fängt die Verjährung der Schuldklage erſt Drey Mo- nate nach dem nicht eingehaltenen Zinstermin an, weil ſelbſt im Fall einer ausdrücklichen, in jenem Zeitpunkt aus- geſprochenen Kündigung, erſt nach Drey Monaten geklagt werden konnte. — Iſt für das ganze Darlehen ein beſtimm- ter Zeitraum, z. B. von Zehen Jahren, ausbedungen, ſo fängt die Verjährung erſt am Ende der Zehen Jahre an, ſelbſt wenn früher Zinſen ausgeblieben ſind, weil vor je- nem Zeitpunkt in keinem Fall das Kapital eingeklagt wer- den konnte. Es kann aber auch in dieſem Fall die Ver- jährung einen ſpäteren Anfang haben. Iſt nämlich der Schuldner nach Ablauf der Zehen Jahre im Beſitz des Geldes geblieben und hat fernere Zinſen gezahlt, ſo liegt darin eine ſtillſchweigende Erneuerung des Darlehens, nun aber auf unbeſtimmte Kündigung. — Es kann geſchehen, daß weder die geleiſtete, noch die ausgebliebene Zinszah- lung bewieſen werden kann, ja daß vielleicht beide Theile über dieſe Thatſache ſelbſt ungewiß ſind, z. B. wenn nach

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/322>, abgerufen am 24.04.2024.