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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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§ 240. Klagverjährung. Bedingungen. Actio nata. (Forts.)

Die für diesen Fall entstandenen Zweifel sind also ohne
Grund, und die im vorigen §. entwickelte Regel kommt
rein zur Anwendung. Denn mit dem Abschluß des Kau-
fes ist für jeden Theil die Erwartung entstanden, daß der
Gegner sogleich erfüllen werde, wie es der Natur des
Kaufs angemessen ist; mit dieser Erwartung aber entsteht
zugleich das Klagrecht, und die Möglichkeit, dessen Aus-
übung zu versäumen.

B) Schwieriger sind diejenigen Fälle, worin das Rechts-
verhältniß selbst zunächst auf einen dauernden Zustand
führt, dessen Ende jedoch in der Willkühr des Glaubigers
steht. Die persönliche Klage, wodurch er die Änderung
jenes Zustandes bewirken kann, ist wie jede andere Klage
der Verjährung unterworfen; aber der Anfangspunkt dieser
Verjährung ist es, welcher von jeher die größten Streitig-
keiten veranlaßt hat. Die wichtigsten Fälle, die hierher
gehören, sind folgende: das unverzinsliche Darlehen (e);
das Depositum, Commodat, und Precarium (f); das Ein-
lösungsrecht wegen eines im Besitz des Glaubigers befind-

rulff I. S. 193. 197. --
(e) Das unverzinsliche allein
kommt hier in Betracht, weil das
verzinsliche, durch die damit ver-
bundene periodische Leistung, zur
folgenden Klasse der Obligationen
gehört.
(f) Bey dem Precarium macht
es für den Anfang der Klagverjäh-
rung keinen Unterschied, ob man
die ältere Römische Ansicht (des
auf ein Delict gegründeten Inter-
dicts) zum Grunde legt, oder die
neuere, nach welcher es als Ver-
trag behandelt wird. Denn nach
dieser letzten Ansicht hat es ganz
dieselbe Natur wie das Commodat;
nach der ersten kann von einem Mis-
brauch des Zutrauens, worin das
Wesen dieses Delicts liegt, nicht
früher die Rede seyn, als der Ge-
ber die Sache zurückfordert, und
der Empfänger sie verweigert.
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§ 240. Klagverjährung. Bedingungen. Actio nata. (Fortſ.)

Die für dieſen Fall entſtandenen Zweifel ſind alſo ohne
Grund, und die im vorigen §. entwickelte Regel kommt
rein zur Anwendung. Denn mit dem Abſchluß des Kau-
fes iſt für jeden Theil die Erwartung entſtanden, daß der
Gegner ſogleich erfüllen werde, wie es der Natur des
Kaufs angemeſſen iſt; mit dieſer Erwartung aber entſteht
zugleich das Klagrecht, und die Möglichkeit, deſſen Aus-
übung zu verſäumen.

B) Schwieriger ſind diejenigen Fälle, worin das Rechts-
verhältniß ſelbſt zunächſt auf einen dauernden Zuſtand
führt, deſſen Ende jedoch in der Willkühr des Glaubigers
ſteht. Die perſönliche Klage, wodurch er die Änderung
jenes Zuſtandes bewirken kann, iſt wie jede andere Klage
der Verjährung unterworfen; aber der Anfangspunkt dieſer
Verjährung iſt es, welcher von jeher die größten Streitig-
keiten veranlaßt hat. Die wichtigſten Fälle, die hierher
gehören, ſind folgende: das unverzinsliche Darlehen (e);
das Depoſitum, Commodat, und Precarium (f); das Ein-
löſungsrecht wegen eines im Beſitz des Glaubigers befind-

rulff I. S. 193. 197. —
(e) Das unverzinsliche allein
kommt hier in Betracht, weil das
verzinsliche, durch die damit ver-
bundene periodiſche Leiſtung, zur
folgenden Klaſſe der Obligationen
gehört.
(f) Bey dem Precarium macht
es für den Anfang der Klagverjäh-
rung keinen Unterſchied, ob man
die ältere Römiſche Anſicht (des
auf ein Delict gegründeten Inter-
dicts) zum Grunde legt, oder die
neuere, nach welcher es als Ver-
trag behandelt wird. Denn nach
dieſer letzten Anſicht hat es ganz
dieſelbe Natur wie das Commodat;
nach der erſten kann von einem Mis-
brauch des Zutrauens, worin das
Weſen dieſes Delicts liegt, nicht
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ber die Sache zurückfordert, und
der Empfänger ſie verweigert.
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[291/0305] § 240. Klagverjährung. Bedingungen. Actio nata. (Fortſ.) Die für dieſen Fall entſtandenen Zweifel ſind alſo ohne Grund, und die im vorigen §. entwickelte Regel kommt rein zur Anwendung. Denn mit dem Abſchluß des Kau- fes iſt für jeden Theil die Erwartung entſtanden, daß der Gegner ſogleich erfüllen werde, wie es der Natur des Kaufs angemeſſen iſt; mit dieſer Erwartung aber entſteht zugleich das Klagrecht, und die Möglichkeit, deſſen Aus- übung zu verſäumen. B) Schwieriger ſind diejenigen Fälle, worin das Rechts- verhältniß ſelbſt zunächſt auf einen dauernden Zuſtand führt, deſſen Ende jedoch in der Willkühr des Glaubigers ſteht. Die perſönliche Klage, wodurch er die Änderung jenes Zuſtandes bewirken kann, iſt wie jede andere Klage der Verjährung unterworfen; aber der Anfangspunkt dieſer Verjährung iſt es, welcher von jeher die größten Streitig- keiten veranlaßt hat. Die wichtigſten Fälle, die hierher gehören, ſind folgende: das unverzinsliche Darlehen (e); das Depoſitum, Commodat, und Precarium (f); das Ein- löſungsrecht wegen eines im Beſitz des Glaubigers befind- (d) (e) Das unverzinsliche allein kommt hier in Betracht, weil das verzinsliche, durch die damit ver- bundene periodiſche Leiſtung, zur folgenden Klaſſe der Obligationen gehört. (f) Bey dem Precarium macht es für den Anfang der Klagverjäh- rung keinen Unterſchied, ob man die ältere Römiſche Anſicht (des auf ein Delict gegründeten Inter- dicts) zum Grunde legt, oder die neuere, nach welcher es als Ver- trag behandelt wird. Denn nach dieſer letzten Anſicht hat es ganz dieſelbe Natur wie das Commodat; nach der erſten kann von einem Mis- brauch des Zutrauens, worin das Weſen dieſes Delicts liegt, nicht früher die Rede ſeyn, als der Ge- ber die Sache zurückfordert, und der Empfänger ſie verweigert. (d) rulff I. S. 193. 197. — 19*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/305>, abgerufen am 25.04.2024.