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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
ohne den Willen des Berechtigten erworben hat. Wenn
also der Eigenthümer einer beweglichen Sache dieselbe an
einem entlegenen Orte verliert, und sie da viele Jahre un-
bemerkt liegen bleibt, so kann von einer Klagverjährung
nicht die Rede seyn. Erst wenn ein Anderer die Sache
findet und in Besitz nimmt, ist eine Verletzung des Eigen-
thums vorhanden, mit ihr auch ein Klagrecht, und die
Möglichkeit dessen Ausübung zu versäumen. Daß die Sache
dem Besitzer abgefordert, und von diesem verweigert werde,
ist zum Anfang der Verjährung eben so wenig nöthig, als
daß der Eigenthümer die Besitzergreifung wisse. --

Nicht nöthig zur Begründung dieser Klagverjährung
ist der Eigenthumsbesitz des Gegners, so daß gegen den
Miether, Commodatar, oder Pfandglaubiger die Verjäh-
rung der Vindication nicht anfangen könnte (l); denn da
auch gegen diese Personen die Vindication angestellt wer-
den kann (m), so ist kein Grund vorhanden, ihnen die Ver-
jährung derselben zu entziehen. Das Wahre aber in je-
ner irrigen Behauptung besteht darin, daß allerdings eine
Klagverjährung nicht anfangen kann, so lange der Mie-

klage, da diese alle nur gegen den
Besitzer angestellt werden. Die
confessoria und negatoria wer-
den bedingt durch irgend eine Ver-
letzung, so daß der Anfang der
Verjährung eine weniger bestimmte
Natur hat als bey jenen Klagen;
bey ihnen aber wird überhaupt die
Klagverjährung seltner zur Sprache
kommen, weil sie meist durch die
Ersitzung der Servitut, oder durch
den Untergang wegen Nichtge-
brauch absorbirt seyn wird.
(l) Diese Meynung hat Unter-
holzner
II. § 183 264. Er ver-
wechselt die Klagverjährung mit
der Usucapion, bey welcher dieser
Satz allerdings wahr ist.
(m) L. 9 de rei vind. (6. 1.)

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
ohne den Willen des Berechtigten erworben hat. Wenn
alſo der Eigenthümer einer beweglichen Sache dieſelbe an
einem entlegenen Orte verliert, und ſie da viele Jahre un-
bemerkt liegen bleibt, ſo kann von einer Klagverjährung
nicht die Rede ſeyn. Erſt wenn ein Anderer die Sache
findet und in Beſitz nimmt, iſt eine Verletzung des Eigen-
thums vorhanden, mit ihr auch ein Klagrecht, und die
Möglichkeit deſſen Ausübung zu verſäumen. Daß die Sache
dem Beſitzer abgefordert, und von dieſem verweigert werde,
iſt zum Anfang der Verjährung eben ſo wenig nöthig, als
daß der Eigenthümer die Beſitzergreifung wiſſe. —

Nicht nöthig zur Begründung dieſer Klagverjährung
iſt der Eigenthumsbeſitz des Gegners, ſo daß gegen den
Miether, Commodatar, oder Pfandglaubiger die Verjäh-
rung der Vindication nicht anfangen könnte (l); denn da
auch gegen dieſe Perſonen die Vindication angeſtellt wer-
den kann (m), ſo iſt kein Grund vorhanden, ihnen die Ver-
jährung derſelben zu entziehen. Das Wahre aber in je-
ner irrigen Behauptung beſteht darin, daß allerdings eine
Klagverjährung nicht anfangen kann, ſo lange der Mie-

klage, da dieſe alle nur gegen den
Beſitzer angeſtellt werden. Die
confessoria und negatoria wer-
den bedingt durch irgend eine Ver-
letzung, ſo daß der Anfang der
Verjährung eine weniger beſtimmte
Natur hat als bey jenen Klagen;
bey ihnen aber wird überhaupt die
Klagverjährung ſeltner zur Sprache
kommen, weil ſie meiſt durch die
Erſitzung der Servitut, oder durch
den Untergang wegen Nichtge-
brauch abſorbirt ſeyn wird.
(l) Dieſe Meynung hat Unter-
holzner
II. § 183 264. Er ver-
wechſelt die Klagverjährung mit
der Uſucapion, bey welcher dieſer
Satz allerdings wahr iſt.
(m) L. 9 de rei vind. (6. 1.)
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[284/0298] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. ohne den Willen des Berechtigten erworben hat. Wenn alſo der Eigenthümer einer beweglichen Sache dieſelbe an einem entlegenen Orte verliert, und ſie da viele Jahre un- bemerkt liegen bleibt, ſo kann von einer Klagverjährung nicht die Rede ſeyn. Erſt wenn ein Anderer die Sache findet und in Beſitz nimmt, iſt eine Verletzung des Eigen- thums vorhanden, mit ihr auch ein Klagrecht, und die Möglichkeit deſſen Ausübung zu verſäumen. Daß die Sache dem Beſitzer abgefordert, und von dieſem verweigert werde, iſt zum Anfang der Verjährung eben ſo wenig nöthig, als daß der Eigenthümer die Beſitzergreifung wiſſe. — Nicht nöthig zur Begründung dieſer Klagverjährung iſt der Eigenthumsbeſitz des Gegners, ſo daß gegen den Miether, Commodatar, oder Pfandglaubiger die Verjäh- rung der Vindication nicht anfangen könnte (l); denn da auch gegen dieſe Perſonen die Vindication angeſtellt wer- den kann (m), ſo iſt kein Grund vorhanden, ihnen die Ver- jährung derſelben zu entziehen. Das Wahre aber in je- ner irrigen Behauptung beſteht darin, daß allerdings eine Klagverjährung nicht anfangen kann, ſo lange der Mie- (k) (l) Dieſe Meynung hat Unter- holzner II. § 183 264. Er ver- wechſelt die Klagverjährung mit der Uſucapion, bey welcher dieſer Satz allerdings wahr iſt. (m) L. 9 de rei vind. (6. 1.) (k) klage, da dieſe alle nur gegen den Beſitzer angeſtellt werden. Die confessoria und negatoria wer- den bedingt durch irgend eine Ver- letzung, ſo daß der Anfang der Verjährung eine weniger beſtimmte Natur hat als bey jenen Klagen; bey ihnen aber wird überhaupt die Klagverjährung ſeltner zur Sprache kommen, weil ſie meiſt durch die Erſitzung der Servitut, oder durch den Untergang wegen Nichtge- brauch abſorbirt ſeyn wird.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/298>, abgerufen am 28.03.2024.