Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 237. Klagverjährung. Einleitung.
angenommenen Begriffe aber besteht darin, wenn man
ihnen nicht blos eine hypothetische Bedeutung beylegt, bey
welcher die wirkliche Anwendung einstweilen dahin gestellt
bleiben kann, sondern sie selbst unvermerkt in den grund-
falschen Rechtssatz umwandelt, daß alle Rechte überhaupt
durch fortwährend versäumte Ausübung untergehen sol-
len (b). Die Vertheidiger dieser irrigen Lehre pflegen
dann wohl einzelne, seltene Fälle als Ausnahmen ihrer
grundlosen Regel zu behandeln, zu deren Bezeichnung der
ganz entbehrliche Kunstausdruck res merae facultatis er-
funden worden ist (c).

Die Klagverjährung ist ein ganz positives Rechtsinsti-
tut, so wie jede Umbildung der Rechtsverhältnisse, zu de-
ren Bedingungen ein Zahlenverhältniß (hier der Ablauf
eines bestimmten Zeitraums) gehört. Die Gründe ihrer
Einführung, die auf verschiedene Weise angegeben werden,
spielen meist in einander über, und sind großentheils der
Ersitzung mit der Klagverjährung gemein (d).

Der allgemeinste und entscheidendste Grund, gleich an-
wendbar auf die Klagverjährung, wie auf die Ersitzung,
liegt in dem Bedürfniß, die an sich ungewissen, des Strei-
tes und Zweifels empfänglichen, Verhältnisse des Rechts

(b) Vgl. über diese in mannich-
faltiger Weise ausgebildeten Irr-
thümer oben B. 4 § 178.
(c) B. 4 § 199. S. 515.
(d) Von diesen Gründen der
Einführung ist schon oben im All-
gemeinen die Rede gewesen, B. 4
§ 177. S. 305--307. Es mußte
aber an dieser Stelle genauer dar-
auf eingegangen werden.

§. 237. Klagverjährung. Einleitung.
angenommenen Begriffe aber beſteht darin, wenn man
ihnen nicht blos eine hypothetiſche Bedeutung beylegt, bey
welcher die wirkliche Anwendung einſtweilen dahin geſtellt
bleiben kann, ſondern ſie ſelbſt unvermerkt in den grund-
falſchen Rechtsſatz umwandelt, daß alle Rechte überhaupt
durch fortwährend verſäumte Ausübung untergehen ſol-
len (b). Die Vertheidiger dieſer irrigen Lehre pflegen
dann wohl einzelne, ſeltene Fälle als Ausnahmen ihrer
grundloſen Regel zu behandeln, zu deren Bezeichnung der
ganz entbehrliche Kunſtausdruck res merae facultatis er-
funden worden iſt (c).

Die Klagverjährung iſt ein ganz poſitives Rechtsinſti-
tut, ſo wie jede Umbildung der Rechtsverhältniſſe, zu de-
ren Bedingungen ein Zahlenverhältniß (hier der Ablauf
eines beſtimmten Zeitraums) gehört. Die Gründe ihrer
Einführung, die auf verſchiedene Weiſe angegeben werden,
ſpielen meiſt in einander über, und ſind großentheils der
Erſitzung mit der Klagverjährung gemein (d).

Der allgemeinſte und entſcheidendſte Grund, gleich an-
wendbar auf die Klagverjährung, wie auf die Erſitzung,
liegt in dem Bedürfniß, die an ſich ungewiſſen, des Strei-
tes und Zweifels empfänglichen, Verhältniſſe des Rechts

(b) Vgl. über dieſe in mannich-
faltiger Weiſe ausgebildeten Irr-
thümer oben B. 4 § 178.
(c) B. 4 § 199. S. 515.
(d) Von dieſen Gründen der
Einführung iſt ſchon oben im All-
gemeinen die Rede geweſen, B. 4
§ 177. S. 305—307. Es mußte
aber an dieſer Stelle genauer dar-
auf eingegangen werden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0281" n="267"/><fw place="top" type="header">§. 237. Klagverjährung. Einleitung.</fw><lb/>
angenommenen Begriffe aber be&#x017F;teht darin, wenn man<lb/>
ihnen nicht blos eine hypotheti&#x017F;che Bedeutung beylegt, bey<lb/>
welcher die wirkliche Anwendung ein&#x017F;tweilen dahin ge&#x017F;tellt<lb/>
bleiben kann, &#x017F;ondern &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t unvermerkt in den grund-<lb/>
fal&#x017F;chen Rechts&#x017F;atz umwandelt, daß alle Rechte überhaupt<lb/>
durch fortwährend ver&#x017F;äumte Ausübung untergehen &#x017F;ol-<lb/>
len <note place="foot" n="(b)">Vgl. über die&#x017F;e in mannich-<lb/>
faltiger Wei&#x017F;e ausgebildeten Irr-<lb/>
thümer oben B. 4 § 178.</note>. Die Vertheidiger die&#x017F;er irrigen Lehre pflegen<lb/>
dann wohl einzelne, &#x017F;eltene Fälle als Ausnahmen ihrer<lb/>
grundlo&#x017F;en Regel zu behandeln, zu deren Bezeichnung der<lb/>
ganz entbehrliche Kun&#x017F;tausdruck <hi rendition="#aq">res merae facultatis</hi> er-<lb/>
funden worden i&#x017F;t <note place="foot" n="(c)">B. 4 § 199. S. 515.</note>.</p><lb/>
            <p>Die Klagverjährung i&#x017F;t ein ganz po&#x017F;itives Rechtsin&#x017F;ti-<lb/>
tut, &#x017F;o wie jede Umbildung der Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e, zu de-<lb/>
ren Bedingungen ein Zahlenverhältniß (hier der Ablauf<lb/>
eines be&#x017F;timmten Zeitraums) gehört. Die Gründe ihrer<lb/>
Einführung, die auf ver&#x017F;chiedene Wei&#x017F;e angegeben werden,<lb/>
&#x017F;pielen mei&#x017F;t in einander über, und &#x017F;ind großentheils der<lb/>
Er&#x017F;itzung mit der Klagverjährung gemein <note place="foot" n="(d)">Von die&#x017F;en Gründen der<lb/>
Einführung i&#x017F;t &#x017F;chon oben im All-<lb/>
gemeinen die Rede gewe&#x017F;en, B. 4<lb/>
§ 177. S. 305&#x2014;307. Es mußte<lb/>
aber an die&#x017F;er Stelle genauer dar-<lb/>
auf eingegangen werden.</note>.</p><lb/>
            <p>Der allgemein&#x017F;te und ent&#x017F;cheidend&#x017F;te Grund, gleich an-<lb/>
wendbar auf die Klagverjährung, wie auf die Er&#x017F;itzung,<lb/>
liegt in dem Bedürfniß, die an &#x017F;ich ungewi&#x017F;&#x017F;en, des Strei-<lb/>
tes und Zweifels empfänglichen, Verhältni&#x017F;&#x017F;e des Rechts<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0281] §. 237. Klagverjährung. Einleitung. angenommenen Begriffe aber beſteht darin, wenn man ihnen nicht blos eine hypothetiſche Bedeutung beylegt, bey welcher die wirkliche Anwendung einſtweilen dahin geſtellt bleiben kann, ſondern ſie ſelbſt unvermerkt in den grund- falſchen Rechtsſatz umwandelt, daß alle Rechte überhaupt durch fortwährend verſäumte Ausübung untergehen ſol- len (b). Die Vertheidiger dieſer irrigen Lehre pflegen dann wohl einzelne, ſeltene Fälle als Ausnahmen ihrer grundloſen Regel zu behandeln, zu deren Bezeichnung der ganz entbehrliche Kunſtausdruck res merae facultatis er- funden worden iſt (c). Die Klagverjährung iſt ein ganz poſitives Rechtsinſti- tut, ſo wie jede Umbildung der Rechtsverhältniſſe, zu de- ren Bedingungen ein Zahlenverhältniß (hier der Ablauf eines beſtimmten Zeitraums) gehört. Die Gründe ihrer Einführung, die auf verſchiedene Weiſe angegeben werden, ſpielen meiſt in einander über, und ſind großentheils der Erſitzung mit der Klagverjährung gemein (d). Der allgemeinſte und entſcheidendſte Grund, gleich an- wendbar auf die Klagverjährung, wie auf die Erſitzung, liegt in dem Bedürfniß, die an ſich ungewiſſen, des Strei- tes und Zweifels empfänglichen, Verhältniſſe des Rechts (b) Vgl. über dieſe in mannich- faltiger Weiſe ausgebildeten Irr- thümer oben B. 4 § 178. (c) B. 4 § 199. S. 515. (d) Von dieſen Gründen der Einführung iſt ſchon oben im All- gemeinen die Rede geweſen, B. 4 § 177. S. 305—307. Es mußte aber an dieſer Stelle genauer dar- auf eingegangen werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/281
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/281>, abgerufen am 29.03.2024.