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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
electione; solutione, non litiscontestatione; ut magis
eos perceptio, quam intentio liberet
(b).

Der hier aufgestellte Grundsatz ist jedoch nur unter
folgenden Einschränkungen als wahr anzunehmen.

Erstlich war er durch die alte Prozeßconsumtion ver-
drängt, da wo unter den Obligationen mehrerer Schuld-
ner wahre Identität vorhanden war, insbesondere bey Cor-
realschuldnern, wohin auch der Bürge neben dem Haupt-
schuldner gehörte (§ 232. t.). War in einem solchen Fall
der eine verklagt, so wurde durch die Litiscontestation
diese ganze Obligation consumirt, so daß weder gegen den-
selben Schuldner die Klage wiederholt, noch gegen den
Mitschuldner die concurrente Klage (die ja auch nur die-
selbe war) angestellt werden konnte, selbst wenn der zuerst
Verklagte insolvent seyn mochte, wodurch also dieses Ver-
hältniß für den Glaubiger sehr gefährlich werden konnte (c).
Gegen diese aller Billigkeit widerstrebende Härte suchte
man sich oft durch besondere Verträge zu schützen (d); in

(b) L. 4 de his qui effud.
(9. 3.), L. 7 § 4 quod falso (27.
6.), L. 18 § 3 de pec. const.
(13. 5.), L. 32 pr. de pecul.
(15. 1.), L. 35 § 1 loc.
(19. 2.).
(c) In diesen Fällen also wurde,
im directen Widerspruch mit den
oben im Text (bey Note b) mit-
getheilten Ausdrücken, gesagt: pe-
titione
unius, tota solvitur ob-
ligatio; si ex altera earum
egerit, utramque consumet ...
cum altera earum in judicium
deduceretur, altera consume-
retur. L.
2 de duob. reis (45. 2.),
L.
16 eod., L. 5 in f. de fide-
juss.
(46. 1.). -- Solche einzelne
Spuren des früheren Rechtszu-
standes haben sich in die Digesten
freylich nur aus Unachtsamkeit der
Compilatoren verirrt.
(d) Z. B. indem der Bürge nicht
dieselbe Summe wie der Haupt-
schuldner versprach, sondern in die-
ser Formel verpflichtet wurde:
quanto minus ab illo consequi
potero, dare spondes? L. 116
de V. O.
(45. 1.). Nun standen

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
electione; solutione, non litiscontestatione; ut magis
eos perceptio, quam intentio liberet
(b).

Der hier aufgeſtellte Grundſatz iſt jedoch nur unter
folgenden Einſchränkungen als wahr anzunehmen.

Erſtlich war er durch die alte Prozeßconſumtion ver-
drängt, da wo unter den Obligationen mehrerer Schuld-
ner wahre Identität vorhanden war, insbeſondere bey Cor-
realſchuldnern, wohin auch der Bürge neben dem Haupt-
ſchuldner gehörte (§ 232. t.). War in einem ſolchen Fall
der eine verklagt, ſo wurde durch die Litisconteſtation
dieſe ganze Obligation conſumirt, ſo daß weder gegen den-
ſelben Schuldner die Klage wiederholt, noch gegen den
Mitſchuldner die concurrente Klage (die ja auch nur die-
ſelbe war) angeſtellt werden konnte, ſelbſt wenn der zuerſt
Verklagte inſolvent ſeyn mochte, wodurch alſo dieſes Ver-
hältniß für den Glaubiger ſehr gefährlich werden konnte (c).
Gegen dieſe aller Billigkeit widerſtrebende Härte ſuchte
man ſich oft durch beſondere Verträge zu ſchützen (d); in

(b) L. 4 de his qui effud.
(9. 3.), L. 7 § 4 quod falso (27.
6.), L. 18 § 3 de pec. const.
(13. 5.), L. 32 pr. de pecul.
(15. 1.), L. 35 § 1 loc.
(19. 2.).
(c) In dieſen Fällen alſo wurde,
im directen Widerſpruch mit den
oben im Text (bey Note b) mit-
getheilten Ausdrücken, geſagt: pe-
titione
unius, tota solvitur ob-
ligatio; si ex altera earum
egerit, utramque consumet …
cum altera earum in judicium
deduceretur, altera consume-
retur. L.
2 de duob. reis (45. 2.),
L.
16 eod., L. 5 in f. de fide-
juss.
(46. 1.). — Solche einzelne
Spuren des früheren Rechtszu-
ſtandes haben ſich in die Digeſten
freylich nur aus Unachtſamkeit der
Compilatoren verirrt.
(d) Z. B. indem der Bürge nicht
dieſelbe Summe wie der Haupt-
ſchuldner verſprach, ſondern in die-
ſer Formel verpflichtet wurde:
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potero, dare spondes? L. 116
de V. O.
(45. 1.). Nun ſtanden
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[254/0268] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. electione; solutione, non litiscontestatione; ut magis eos perceptio, quam intentio liberet (b). Der hier aufgeſtellte Grundſatz iſt jedoch nur unter folgenden Einſchränkungen als wahr anzunehmen. Erſtlich war er durch die alte Prozeßconſumtion ver- drängt, da wo unter den Obligationen mehrerer Schuld- ner wahre Identität vorhanden war, insbeſondere bey Cor- realſchuldnern, wohin auch der Bürge neben dem Haupt- ſchuldner gehörte (§ 232. t.). War in einem ſolchen Fall der eine verklagt, ſo wurde durch die Litisconteſtation dieſe ganze Obligation conſumirt, ſo daß weder gegen den- ſelben Schuldner die Klage wiederholt, noch gegen den Mitſchuldner die concurrente Klage (die ja auch nur die- ſelbe war) angeſtellt werden konnte, ſelbſt wenn der zuerſt Verklagte inſolvent ſeyn mochte, wodurch alſo dieſes Ver- hältniß für den Glaubiger ſehr gefährlich werden konnte (c). Gegen dieſe aller Billigkeit widerſtrebende Härte ſuchte man ſich oft durch beſondere Verträge zu ſchützen (d); in (b) L. 4 de his qui effud. (9. 3.), L. 7 § 4 quod falso (27. 6.), L. 18 § 3 de pec. const. (13. 5.), L. 32 pr. de pecul. (15. 1.), L. 35 § 1 loc. (19. 2.). (c) In dieſen Fällen alſo wurde, im directen Widerſpruch mit den oben im Text (bey Note b) mit- getheilten Ausdrücken, geſagt: pe- titione unius, tota solvitur ob- ligatio; si ex altera earum egerit, utramque consumet … cum altera earum in judicium deduceretur, altera consume- retur. L. 2 de duob. reis (45. 2.), L. 16 eod., L. 5 in f. de fide- juss. (46. 1.). — Solche einzelne Spuren des früheren Rechtszu- ſtandes haben ſich in die Digeſten freylich nur aus Unachtſamkeit der Compilatoren verirrt. (d) Z. B. indem der Bürge nicht dieſelbe Summe wie der Haupt- ſchuldner verſprach, ſondern in die- ſer Formel verpflichtet wurde: quanto minus ab illo consequi potero, dare spondes? L. 116 de V. O. (45. 1.). Nun ſtanden

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/268>, abgerufen am 19.04.2024.